Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 15
Hanswerner Kruse, Marion Klingelhöfer, Clas Röhl
Schlüchtern (Weltexpresso) - „Immer wenn ich denke, denke ich an meine Familie!“, sagt Walid Mohammad (47) aus Syrien leise. Seit eineinhalb Jahren lebt er nun in Deutschland und hat eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Man merkt ihm seine Verzweiflung, seine Trauer und Sehnsucht an, hat er doch seine Frau und Kinder seitdem nicht mehr gesehen.
Nicht alle Flüchtlinge haben es so einfach wie Walids Landsmann Abdulsalam Almohammad aus Steinau, von dem wir im vorangegangenen Artikel berichteten. Walid ist ebenfalls Kurde, war 22 Jahre lang Grundschullehrer in Syrien, ebenso seine Frau. In der Universität lernten sie sich kennen und verliebten sich ineinander. Im Alter von 26 Jahren heirateten sie und drei Jahre später kam der erste Sohn (17) auf die Welt. Als das Baby drei Monate alt war, arbeitete sie schon wieder in ihrem Beruf als Grundschullehrerin.
In Syrien sind Frauen gezwungen, wieder früh in ihrem Beruf einzusteigen, eine Elternzeit gibt es nicht! „Wir waren glücklich miteinander, hatten uns, und zwei Jahre später kam unser zweiter Sohn auf die Welt!“, sagt Walid und schließt einen Moment die Augen. Es fällt ihm sichtbar schwer, von seiner Familie zu sprechen, sich zu erinnern und nicht zu wissen, wann er sie wieder sieht. Sie besaßen in Syrien ein Haus, ein Auto, hätten zufrieden sein können, wäre die politische Lage und der Krieg im Land nicht so verheerend für sie alle gewesen.
Um mit seiner Familie in Sicherheit leben zu können, verkaufte der Familienvater alles was er hatte und brach mit Frau und Kindern zu Fuß und mit dem Bus nach Istanbul auf. Ein schweres und gefährliches Unterfangen! Nach drei Monaten voller Angst und Hoffen sind sie dort angekommen. Mit dem Geld, das Walid vom Verkauf seines Eigentums erhalten hatte, mietete er für seine Frau und Kinder eine winzige Wohnung und besorgte für sich einen Pass, um nach Europa zu gelangen. In der Hoffnung, seine Familie bald nachholen zu können, stieg er ins Flugzeug. Als er in Deutschland landete, glaubte er in einem Land angekommen zu sein, das ihm helfen würde, so schnell wie möglich Fuß zu fassen und seine Familie nachholen zu können. Die Polizei brachte in zuerst nach Gießen in das hessische Erstaufnahmelager, dann ins Flüchtlingswohnheim Hof Reith in Schlüchtern. Durch kurdische Freunde fand er schließlich eine kleine Wohnung direkt in der Innenstadt.
Wenn auch sein Aufenthaltsstatus b.a.w. gesichert ist, kann er seine Familie nicht nach Deutschland holen Während des Interviews flammten immer wieder hitzige Debatten mit dem Dolmetscher auf. Walid kann nicht verstehen, warum seine Familie nicht kommen kann. Er ist völlig verzweifelt. Das Geld, das seine Familie für die Wohnung in Istanbul braucht, ist bald aufgebraucht. In diesen Tagen hat er eine Arbeit auf einer Baustelle in Frankfurt begonnen und hofft damit, seiner Familie in Istanbul helfen zu können. Zwischen beiden Interviews wollten wir ein Foto machen und baten alle um ein Lächeln. „Ich kann nicht lachen!“ ruft Walid verzweifelt. „Alles was ich will, ist meine Familie, ich kann an nichts anderes mehr denken. Kann kein Deutsch weiter lernen, weil mein Kopf so zu ist! Erst wenn meine Familie da ist, ist alles gut!“
Foto: Hanswerner Kruse