Das Skandälchen des Verfassungsschutzes, das Generalbundesanwalt Range erst zum echten Skandal macht, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Also wirklich! Was sich der amtierende Generalbundesanwalt Harald Range dabei gedacht hat, gegen die Betreiber des Blog netzpolitik.org am 30. Juli offizielle Ermittlungen wegen des Verdachts auf Landesverrat aufzunehmen, können wir nur als Satire sehen oder auch, daß er diese Netzpolitiker öffentlich unterstützen wollte. Wir auf jeden Fall haben https://netzpolitik.org zum ersten Mal aufgerufen und werden dies wieder tun.

 

Und eigentlich sind wir als Online-Zeitung so was von neidisch und böse auf den Generalbundesanwalt Range, der damit die Aufforderung des amtierende Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes Hans Georg Maaßen prompt erfüllt hatte, neidisch darauf, daß er uns nicht belangt. Denn dann stünde Weltexpresso überall in den anderen Zeitungen und erhielte eine große Solidarität und eine Masse von Klicks. Und eine Demonstration in Berlin.

 

So aber hat dieser Chefstaatsanwalt Ermittlungen wegen des Verdachts auf Landesverrat nur gegen den Chefredakteur von netzpolitik.org, Kollegen Markus Beckedahl und seinen Mitarbeiter André Meister sowie gegen Unbekannt (damit sind die Quellen gemeint, also die, die einen erlaubten Zugang zu den Papieren haben) angestrengt und dann, als es Aufruhr gab, das Verfahren dann gleich zur Hälfte auf Eis gelegt.

 

 

ZUM SACHVERHALT und HINTERGRUND

 

Der amtierende Generalbundesanwalt wurde auf eine Anzeige des amtierenden Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes Hans Georg Maaßen tätig. Denn dieser inkriminierte, daß im Internet Dokumente veröffentlicht worden waren, die die Ausweitung der Überwachung von Radikalen durch den Verfassungsschutz betreffen. Wie unzufrieden er schon im Mai war, läßt sich seinen Worten zur Eröffnung des obengenannten 12. Symposiums entnehmen:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt aber auch Skandale, die als Skandale kaum wahrgenommen werden. Nämlich, dass geheime und geheimste Unterlagen aus dem Bereich der Nachrichtendienste in die Medien gelangen, sobald sie den politisch-parlamentarischen Bereich erreichen. Es ist ein Skandal, wenn z. B. der geheime Wirtschaftsplan des Bundesverfassungsschutzes sowie geheime Zusatzinformationen hierzu von den Medien abgedruckt und von einem Bundestagsabgeordneten kommentiert werden. Und die Weitergabe dieser Dokumente ist nicht nur ein Skandal, es ist eine Straftat, und es zerstört das Vertrauen in die Aufrichtigkeit der immer wieder eingeforderten parlamentarischen Kontrolle der Dienste und beschädigt unsere Arbeit erheblich.

 

Wie schon ausgeführt, hatte allein Markus Decker von der FR gut zugehört und sofort publizistisch „die Straftat“ herausgestellt, was nun Wirklichkeit wurde. Die Ermittlung bezieht sich auf zwei Artikel der Netzpolitiker

https://netzpolitik.org/2015/geheimer-geldregen-verfassungsschutz-arbeitet-an-massendatenauswertung-von-internetinhalten/

 

https://netzpolitik.org/2015/geheime-referatsgruppe-wir-praesentieren-die-neue-verfassungsschutz-einheit-zum-ausbau-der-internet-ueberwachung/

 

So eine Anzeige durch den Verfassungsschutz und die Ermittlung durch den Generalbundesanwalt haben eben auch ihr Gutes: jetzt wird massenhaft verbreitet, was der Verfassungsschutz gerade als Information doch eigentlich verhindern wollte.

 

 

Zudem hat der der Bundesverfassungsschutzchef eine zweite Anzeige auf den Weg gebracht, die die gemeinsam recherchierenden Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR betreffen, die über den jüngst verstorbenen V-Mann 'Corelli' berichtet hatten. Da allerdings machte der Generalbundesanwalt nur halb mit.

 

Denn jetzt will der Generalbundesanwalt erst einmal – so die Mitteilung am 31. August – ein externes, also wissenschaftlichen Gutachten einholen, wie es sich mit Staatsschutz und Pressefreiheit im Konkreten verhält und läßt deshalb die Ermittlungen ruhen. Ja, ist das zu glauben? Das ist, wie wenn ein Koch alle Zutaten erst einmal in den Topf wirft und sich dann überlegt, daß er doch besser ein Rezept für seine Speisen genommen hätte und das Feuer wieder ausstellt. Das ist deshalb ein guter Vergleich, weil man das Rezept vorher anschauen muß und ein guter Generalbundesanwalt natürlich erst einmal die Rechtsgrundlage klärt, ehe er Ermittlungen aufnimmt. Das lernt jeder Student der Jurisprudenz. Erst recht verhält man sich als Staatsvertreter besonders sensibel dann, wenn es gegen Journalisten geht, die einen besonderen Schutz des Gesetzgebers genießen. Er läßt die Ermittlungen also bis zum Eintreffen eines „externen Gutachtens“ ruhen.

 

Man fragt sich übrigens, ob ein Generalbundesanwalt nicht selbst genug Sachverstand besitzt, was auch für seine Umgebung gilt, um ein solches Verfahren rechtlich beurteilen zu können. Auf jeden Fall hat sich der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sehr zögerlich gezeigt, die Aktion seines Generalbundesanwalts mitzutragen und stattdessen vom 'hohen Gut' der Pressefreiheit gesprochen. Kenner meinen, daß es im Kern um eine Auseinandersetzung zwischen Legislative und Exekutive gehe, in der der Generalbundesanwalt nun durch seine Ermittlungen Partei ergreife – und damit auch gegen das Bundesjustiz- vor allem auch das Bundesinnenministerium.

 

Heiko Maas hat zum einen geäußert: „Ich habe heute dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, daß ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen.“ Maas führte zum anderen fort: „Ich habe ihm außerdem mitgeteilt, daß ich Zweifel daran habe, ob es ich bei den veröffentlichen Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.“

 

Denn über allem schwebt der eigentliche Landesverrat, der darin besteht, wenn bundesdeutsche staatliche Stellen das gewähren lassen, was die amerikanische Ausspähmeisterin NSA in der Bundesrepublik abhört. Da nun hatte derselbe Generalbundesanwalt Range stets abgelehnt, irgendetwas zu unternehmen, auch nicht gegen 'Unbekannt', weil ihm „Beweise“ fehlten. Das nun genau ist der eigentliche Skandal.

 

Und da stimmt nun ausgerechnet der Chef der Partei zu, die einst die Fahne der Freiheitsrechte hochhielt, in den letzten Jahren aber nur noch die des Wirtschaftsliberalismus vertrat, die FDP mit ihrem Vorsitzenden Christian Lindner. Der sprach von den Ermittlungen als einer Posse und sagte: „Angesichts des wachsweichen Umgangs der Bundesregierung mit den USA ist dieser Schritt regelrecht beschämend.“ Stimmt.

 

 

ZUM VERFAHREN

 

Die Ermittlungen erfolgen aufgrund des Strafgesetzbuches (StGB)

§ 94 Strafgesetzbuch (StGB)

 

Wer ein Staatsgeheimnis […] 2. an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

 

Dabei geht es um Mittäterschaft

 


§ 25 Täterschaft Strafgesetzbuch (StGB)

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

  1. Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter)

 

EINSCHÄTZUNG

 

Eigentlich müßte sich der Verfassungsschutzpräsident selber anzeigen. Er ist es nämlich, der aus einer Behauptung einer Zeitung durch Verfolgung dieser Aussage erst den Tatbestand glaubwürdig gemacht hat, daß nämlich der Verfassungsschutz durch zusätzliche Mittel von 2,75 Millionen Euro im geheimen Haushalt die Internetaktivitäten von so was wie Whistleblower entlarven wolle.

 

Die Herren Maaßen und Range haben diesen Vorgang in einen brisanten Zusammenhang mit zwei Geheimnis- und Landesverratsfällen der alten Bundesrepublik gebracht: der Spiegelaffäre von 1962, wo Rudolf Augstein längere Zeit im Gefängnis saß und das juristische Kartenhaus in sich zusammenkrachte und der Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift 'Konkret' im Jahr 1983, weil die etwas vom bayerischen Verfassungsschutz brachten, was deren Chef ausgeplaudert hatte. Beide Male wurde klar, daß es nicht um Landesverrat der Journalisten ging, sondern um Gesetzesverstöße der zuständigen Behörden.

 

Eine witzige Volte schlägt Arno Widmann in der heutigen FR: „Der gelernte Völkerrechtler Hans-Georg Maaßen hat im Eifer des Gefechtes wohl einfach ins falsche Gesetzbuch geschaut...Jedenfalls belehrt uns ein Blick auf den Paragrafen 99 des Strafgesetzbuches der DDR (Landesverräterische Nachrichtenübermittlung“), daß die Verteidiger des demokratischen Rechtsstaates der Bundesrepublik dort eine maßgeschneiderte Rechtsgrundlage für ihr Verfahren finden können: '1.) Wer der Geheimhaltung nicht unterliegende Nachrichten zum Nachteil der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik an die im Paragraph 97 genannten Stellen oder Personen (=ausländische Stellen und Personen) übergibt, für diese sammelt oder ihnen zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zwölf Jahren bestraft... '. Die Genossen wußten einfach besser, wie ein Staat zu schützen ist.“

 

 

P.S.:

Warum wir so oft von amtierenden Präsidenten und Generalstaatsanwälten schreiben hat damit zu tun, daß, wer sich so entblödet, wie es die beiden Herren Maaßen und Range getan haben, beruflich umsatteln sollten.

 

 

 

GEGENWEHR in einer DEMO

 

Am Freitag haben sich sofort Unterstützer gefunden, die heute am 1. August in Berlin um 14 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstraße eine Demonstration startet:

 

FÜR GRUNDRECHTE UND PRESSEFREIHEIT

Gegen die Einschüchterung von netzpolitik.org und seiner Quellen