Nach Abzug des römischen Militärs blieben offensichtlich die Zivilisten zurück, Teil 2/2

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn Sie die Gegenstände, die dort gefunden wurden, erst mal gesehen haben, wollen Sie sofort mehr wissen wollen, über Spiele genauso wie über das tägliche Leben. Ist das nicht unglaublich, daß nach so langer Zeit immer noch etwas in unserer Gegend aus dem Boden gefunden wird, der doch in den 2 000 Jahren allerhand erlebt hat.

 

Zwischen 70/80 und 110/120 n. Chr. war in diesem Areal eine Truppeneinheit mit etwa 500 Soldaten (Kohorte) stationiert. Nachgewiesen wurden im vergangenen Jahr zwei für entsprechende Kastelle typische Spitzgräben sowie weitere Befunde, die bereits aus der Zeit nach der Auflassung des Kastells stammten. Ungewöhnlich zahlreich sind die Funde. Denn die römische Truppe legte bei ihrem Abzug das Kastell nieder und verfüllte die Gräben. Dabei wurde vor allem im inneren Spitzgraben viel Abfall entsorgt – „ein Glücksfall für uns“ – so Prof. Dr. Hans-Markus von Kaenel vom Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität, der seit 2014 pensioniert ist. Fast 20 Jahre hat sich von Kaenel zusammen mit seinen Mitarbeitern und Studierenden im Rahmen von Surveys, Ausgrabungen, Materialaufarbeitungen und Auswertungen mit dem römischen Südhessen beschäftigt; die Ergebnisse sind in über 50 Beiträgen publiziert worden.

 

Das Kastell mit der Siedlung war errichtet worden, um in den 70er Jahren des 1. Jahrhundert n. Chr. den rechtsrheinischen Raum großflächig in Besitz zu nehmen und die Verkehrsinfrastruktur vom und zum Zentrum Mainz-Mogontiacum auszubauen. Für die große Bedeutung von Gernsheim am Rhein in römischer Zeit spricht seine verkehrsgünstige Lage, hier zweigte eine Straße an den Mainlimes von der Fernstraße Mainz – Ladenburg – Augsburg ab. Auch die Existenz eines Rheinhafens wird vermutet, was durch diese Grabung allerdings nicht bestätigt werden konnte – „das war schon durch die Auswahl des Areals nicht zu erwarten“, so Maurer. Gernsheim hat sich im 20. Jahrhundert immer stärker ausgedehnt, was die archäologischen Spuren mehr und mehr zu verwischen drohte. Im August des vergangenen Jahres startete auf einem der wenigen noch unbebauten Grundstücke, ein Doppelgrundstück an der Nibelungenstraße 10-12, die erste Lehrgrabung des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität.

 

Die 20 Studierenden sorgen in der diesjährigen Grabungskampagne auf dem Grundstück, die sich mit 600 Quadratmetern über eine doppelt so große Fläche wie im ersten Jahr erstreckt, dafür, dass das Erdreich sorgsam abgetragen, die Befunde vermessen und dokumentiert sowie Gegenstände sorgsam geborgen und verpackt wurden. Unterstützt wird die Tätigkeit der Frankfurter Archäologen vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen (hessenARCHÄOLOGIE, Außenstelle Darmstadt) sowie vom Kunst- und Kulturhistorischen Verein der Schöfferstadt Gernsheim. Einige Mitglieder dieses Vereins, der auch das Heimatmuseum betreibt, stehen dem Grabungsteam täglich mit Rat und Tat zur Seite. Die Dokumentation und das Fundmaterial aus dieser Grabungskampagne bilden die Grundlage für die wissenschaftliche Bearbeitung, die u.a. in Form von universitären Abschlussarbeiten demnächst an der Goethe-Universität erfolgen wird.

 

 

 

Foto: Spielstein und Würfel aus Bein. Der Würfel entspricht genau den noch heute gängigen Modellen © Thomas Maurer

 

Info:

 

Tag des offenen Denkmals“

Am „Tag des offenen Denkmals“ (Sonntag, 13. September) lädt das Grabungsteam zwischen 11 und 17 Uhr zur öffentlichen Besichtigung der Grabung ein. Bei Führungen wird über die Ergebnisse der archäologischen Forschungen und über die römische Vergangenheit Gernsheims informiert. Gezeigt werden auch Funde aus der aktuellen Grabung. Die Veranstaltung findet nur bei trockener Witterung statt.

 

Informationen: Dr. Thomas Maurer, Institut für Archäologische Wissenschaften, Campus Westend, Tel: 0177-5672114, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!