Johanna Gorkosch hat ein DDR-Museum im Frankfurter Stadtteil Bornheim, Teil 1/2

 

 

Anja Prechl und Siegrid Püschel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist wirklich wahr und wird anläßlich der Einheitsfeiern nun auch zumindest frankfurtweit bekannt, durch uns aber in der ganzen Welt: Es gibt ein DDR-Museum allhier. Denn, das machen sich die wenigsten klar. Die DDR ist nicht nur von der Landkarte verschwunden, sondern mit ihr der Alltag, der sie ausmachte.

 

Für diese Alltagsgegenstände, das, womit Kinder aufwuchsen, das, was nach dem Zusammenziehen oder Heiraten angeschafft wurde, das, was vererbt wurde, alles das hat Johanna Gorkosch gesammelt und den Dingen eine Heimat gegeben. In ihrer Mansarde hat Jsie ein Museum für die Alltagsgegenstände eines verschwundenen Landes eingerichtet

 

Von Hühner-Eierbecher bis Honecker-Bild: Seit Mitte der 1980er Jahre sammelt Johanna Gorkosch Dinge, die sich in jedem DDR-Haushalt fanden oder anderweitig zum Leben hinter der Mauer gehörten. In einem kleinen Dachgeschosszimmer neben ihrer Wohnung in Bornheim stellt sie sie aus.

 

 

Die DDR liegt mitten in Frankfurt

 

In einem Gründerzeithaus nahe der Berger Straße, der Putz ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen. Bei Gorkosch klingeln, drei Stockwerke auf hölzernen Stufen empor steigen. Ein schmaler Treppenabsatz, ein Vorhang: die Flagge der Deutschen Demokratischen Republik, Schwarz-Rot-Gold, Hammer, Zirkel, Ährenkranz. Man kann ihr gar nicht ausweichen. Dahinter eine Tür: „You are leaving the American Sector“ steht auf einem kleinen Blechschild über ihrem Rahmen. Nur einen Schritt weiter und man steht in der DDR, genauer: inmitten einer Sammlung aus DDR-Alltagsgegenständen. Ein Satz Mitropa-Geschirr steht da im Regal, ein grün-braun-gestreiftes Handtuch der Nationalen Volksarmee (NVA) hängt an der Dachschräge, Stempel, Schallplatten, Abzeichen, Gasmasken, Jesus-Latschen, Hemden auf Brettern, Kleiderbügeln, an Nägeln und Haken. Und über allem wacht, milde lächelnd, Genosse Erich Honecker.

 

 

Ostprodukte als Gastgeschenke

 

Rund 2 000 Dinge hütet Johanna Gorkosch in ihrem winzigen DDR-Museum in Bornheim. Erstes Stück ihrer Sammlung war der orangefarbene Föhn ihres verstorbenen Mannes Wolfgang Czakai. „Den hatte er zu seiner Jugendweihe bekommen und mit in den Westen gebracht“, erzählt sie. Wolfgang wuchs in Jena auf, war zu DDR-Zeiten wegen seines politischen Engagements als „politisch unzuverlässig“ eingestuft worden. Er hatte den Dienst an der Waffe verweigert – und wurde vor die Wahl gestellt: Gefängnis oder Ausreise. 1977 wurde er freigekauft, kam in den Westen, lernte ein paar Jahre später Johanna kennen. Nicht weggeben, sagte die, als Wolfgang Anstalten machte, seine DDR-Relikte auszusortieren. Sie wurden in Kisten verstaut und kurze Zeit später auf Feten des Paares wieder ausgepackt und herumgereicht. Johanna Gorkosch lacht: „Irgendwann wurde es zum Selbstläufer – wenn wir Besuch hatten, bekamen wir Ostprodukte als Gastgeschenk.“

 

 

Die Sammlung wächst

 

Das Paar schickte Westpakete an Wolfgangs Eltern in Jena und bekam im Gegenzug Päckchen mit seinen liebsten Produkten aus der Heimat. Johanna Gorkosch zählt auf: Eine Kloßpresse für echte Thüringer Klöße, Kochsalami, Konserven. „Wenn wir Pech hatten und sie zu lange beim Zoll lagen, kamen die Sachen verschimmelt an.“ 1985 wurde die Familie zusammengeführt, Wolfgangs Eltern kamen in den Westen, nach Darmstadt, wo das junge Paar damals lebte. „Der erste Einkauf im Supermarkt, die vielen Behördengänge – für meine Schwiegereltern waren sie wie ein Schock.“ Johannas Sammlung wuchs. Geschirrtücher zum 25. Jubiläum der DDR, Plastik-Eierbecher in Hühnerform, Aprikosenlikör, ein postkartengroßes Bild, mit dem der FDGB für „mehr Frauen in verantwortlichen Stellen“ wirbt.

 

 

Ein Stück deutsche Identität

 

Nach Schätzen wie diesen gezielt zu suchen und sie in einem kleinen Museum zu zeigen – die Idee kam Johanna Gorkosch nach dem Mauerfall. Nicht, um in Ostalgie zu schwelgen. „Das kann ich gar nicht, ich habe ja nie in der DDR gelebt.“ Auch nicht, um sich politisch zu positionieren. Ihre DDR-Relikte seien ein Stück deutsche Identität, mit der sich jeder beschäftigen sollte. „Ich möchte dazu beitragen, dass das Leben in der DDR nicht in Vergessenheit gerät. Indem man sich Alltagsdinge anschaut, wird die Geschichte greifbarer.“ Die Reaktionen ihrer Besucher bestätigen Johanna Gorkosch: „Die Leute kommen immer ins Reden. Mal entfachen politische Diskussionen, mal geht es um Erinnerungen. Am interessantesten ist es, wenn Menschen aus der DDR dabei sind.“ Und manchmal hat Johanna Gorkosch, nachdem die Museumsbesucher wieder weg sind, plötzlich mehr Exponate in ihren Kiefernholz-Regalen liegen als vorher. „Es gibt Leute, die bringen etwas mit und legen es dann heimlich ab“, sagt sie.

 

 

Foto: Johanna Gorkosch vom DDR-Museum in Bornheim mit DDR-Flagge, August 2015, © Foto: Salome Roessler, pia

 

 

INFO:

 

Anlässlich des Jubiläums 25. Jahre deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober plant Johanna Gorkosch ein kleines Museumsfest. Wer sie und ihre Sammlung besuchen möchte, kann sich per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! wenden.