Die zweitgrößte Atommacht der Welt wird Kriegspartner von Teheran, Teil 2

 

Matthias Küntzel

 

Hamburg (Weltexpresso) - Auf Teheran wird Moskau auch weiterhin angewiesen bleiben, sofern es auf dessen schiitische – und das heißt häufig: zum „Märtyrertod“ bereite – Fußtruppen nicht verzichten will. Inzwischen gibt es, so ein Militärberater der Freien Syrischen Armee, verlässliche Informationen, dass Truppen der iranischen Revolutionsgarden und der Hisbollah im Norden Syriens eine Bodenoffensive mit russischer Luftunterstützung planen.

 

Für Teheran, das gleichzeitig Krieg in Syrien, Irak und Jemen führt, kommt der russische Entlastungsangriff gerade recht, hatten doch die Pro-Assad-Kräfte in den letzten Monaten rapide an Boden verloren. Inzwischen sei Rußlands Syrienpolitik mit der vom Iran „fast deckungsgleich“, erklärte Irans Präsident Rohani beglückt.[12]

 

Glück für die Machthaber in Teheran bedeutet aber Unglück für die Welt. Bisher haben sich die säkularisierten Großmächte als Widersacher der globalen islamistischen Bewegung verstanden. Jetzt aber ergreift Rußland, die Großmacht mit dem zweitgrößten Atomarsenal der Erde, für den schiitischen Islamismus Partei und geht mit den Religionskriegern Teherans, den Urhebern des islamistische motivierten Selbstmordattentats und den Exporteuren des Terrors, ein Militärbündnis ein.

 

Würde sich Moskau auf diese Weise dem sunnitischen Islamischen Staat nähern, geriete die Welt in Aufruhr, natürlich zu Recht. Umso mehr irritiert die Nonchalance, mit der die internationale Öffentlichkeit auf den Iran-Pakt des Kreml reagiert.

 

Es ist zwar richtig, dass sich Teheran für die Außenwelt derzeit moderat kostümiert. Und es stimmt, dass das Regime – anders als der IS – den langsamen Galgentod seiner Opfer weder filmt noch im Internet verbreitet. Doch handelt es sich in beiden Fällen um Scharia-Diktaturen, die Andersdenkende wegsperren, foltern und töten. Ebenso wie der Kalif des Islamischen Staats verfolgt auch Khamenei eine Außenpolitik, die Israel auslöschen, die USA beseitigen und die liberalen Demokratien wie auch die 1945 geschaffene Weltordnung durch ein globales Scharia-Reich ersetzen will.

 

 

Putin und die Schwäche des Westens

 

Syrien ist für Rußland von geringerer strategischer Bedeutung als für den Iran. Bei den Außenhandelspartnern Russlands liegt Syrien auf dem 35. Platz – hinter Tunesien und Marokko. Selbst im Rüstungsgeschäft ist aufgrund syrischer Zahlungsunfähigkeit nichts mehr zu holen. Allerdings ist der Hafen der syrischen Stadt Tartus die einzige Marinebasis Rußlands außerhalb des postsowjetischen Raums. Der Kreml braucht ihn, um längere Einsätze im Mittelmeer bzw. am Horn von Afrika durchführen zu können.[13]

 

Natürlich hätte sich Wladimir Putin auch anders entscheiden und sich mit einer veränderten Haltung zur syrischen Opposition die Nutzungsrechte für den Hafen in Tartus auch im Falle eines Machtwechsels sichern können. Stattdessen entschloss er sich, die Seite, die Rußland bei den Atomgesprächen eingenommen hatte, aufzugeben, um auf die Gegenseite zu wechseln.

 

Wie weit die russisch-iranische Partnerschaft trägt, wird sich zeigen. So stimmen die Partner im Verhältnis zu Israel überhaupt nicht überein. Und doch wird mit der neuen Teambildung eine Hoffnung beerdigt, die in Washington, aber auch in Berlin wunderlichste Blüten trieb: Die Hoffnung, dass sich Teheran infolge des Atomdeals vom Pariastaat zu einem verantwortungsvollen Akteur wandeln könnte – zu einem Player, der die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten entschärft und mithilft, Assads Abgang zu organisieren.

 

Jetzt schon verwandelt sich diese Hoffnung in einen Fluch: Der Iran verschärft, wie von den Kritikern des Atomdeals vorausgesagt, nicht nur seinen anti-westlichen Kurs. Sondern er erwies sich bei den Verhandlungen mit den 5 und 1 – Mächten als derart stark, dass er Rußland aus der Phalanx der Irankritiker herauszureißen und an seine Seite zu ziehen vermochte. Da der Westen allzu demütig agierte, richten sich die „Eisenspäne der Macht“ (C. Wergin) neu aus: Putin, der Machtmensch, zog die Konsequenz.

 

Der Westen, dem bislang schon der Mumm fehlte, sich mit Teheran anzulegen, bleibt gedemütigt zurück, weil er der russischen Atommacht erst Recht nicht entgegentreten will. Während der Kreml für seinen Verbündeten Assad Gott und die Welt in Bewegung setzt, schauen die USA der Bombardierung ihrer Bündnispartner in Syrien zu. Zu mehr als einem papierenen Protest reicht es nicht.

 

Das russisch-iranische Zusammengehen verschärft aber nicht nur die ohnehin schon katastrophale Lage in Syrien: Es beschleunigt die Flüchtlingsbewegungen auf Kosten Europas und zu Lasten der sunnitischen Länder in der Region, es stärkt die Macht der Revolutionsgarden im Iran und es fördert die Radikalisierung in der sunnitischen Welt: Wie schon in der Vergangenheit, wird das schiitische Sektierertum Irans den Vormarsch des Islamischen Staats nicht behindern, sondern befördern.

 

Rußland schlug in der Tat eine neue Seite in der Weltgeschichte auf: Diese kündet von weiteren Siegen des Islamismus, von noch mehr Katastrophen und von noch mehr Leid.

 

 

ANMERKUNGEN

 

[12] Andreas Ross, Obama und Putin uneins über Kampf gegen IS, in: FAZ, 29. September 2015.

 

[13] Margarete Klein, Analyse: Russlands Syrienpolitik, auf: http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/157047/analyse-russlands-syrienpolitik?p=all .