Zu Besuch beim Restaurator des Archäologischen Museums Frankfurt, Teil 2/2

 

Konrad Daniel und Anja Prechel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Heute sagt Thomas Flügen unumwunden, daß die Intitialzündung beim Zivildienst eintrat. Er hatte nach der Schule eine Ausbildung zum Chemielaborant absolviert und sich dabei Wissen aneignet, das ihm bei seinen heutigen Aufgaben immer wieder zupass kommt, hatte aber schon als Junge ein besonderes Interesse für Archäologie.

 

Aufgewachsen in Mainz stand er „bei vielen Großausgrabungen am Bauzaun“ und beobachtete das Treiben dahinter. Nach der Ausbildung kam der Zivildienst. „Ich arbeitete 22 Monate bei der Archäologischen Denkmalpflege in Mainz. Und als ich den Restaurator kennenlernte, wusste ich, was ich machen will.“ Sein Job ist vielseitig: „Eine typische Handbewegung gibt es nicht“, sagt er, lacht und gibt einen kleinen Abriß seiner Aufgaben: Funde untersuchen und konservieren, mit der Denkmalpflege zusammenarbeiten, neue Verfahren zum Erhalt der Funde testen, Vorträge halten, Experten und Besucher durchs Museum und auch durchs Steinarchiv führen, Sonderausstellungen vorbereiten, für Leihgaben aus anderen Museen die optimalen Bedingungen schaffen.

 

 

Großprojekt Keltenfürst

 

Bis ein Fund ausgestellt werden kann, dauert es oft Jahre. Fünf hat Flügen an seinem bisher größten Projekt gearbeitet – der Ausgrabung des Keltenfürsten von Glauberg. Damals war er noch am Hessischen Landesamt für Denkmalpflege beschäftigt. „Die komplette Bestattung des Keltenfürsten kam als riesiger Erdblock, zwei mal drei Meter groß. Allein um sie auszugraben, brauchten meine Kollegin und ich mehrere Jahre“, erinnert sich Flügen. Ausgraben beschreibt in diesem Fall nicht die Tätigkeit an der Fundstelle, sondern das Freilegen in der Werkstatt.

 

 

Fokus Alltagsleben

 

Die Arbeit am Grab des Keltenfürsten markiert einen Höhepunkt in Flügens Laufbahn. Heute sind es meist Alltagsgegenstände, die ihren Weg in die Restaurierungswerkstatt des Archäologischen Museums und auf seinen Arbeitstisch finden. Seine Begeisterung ist deshalb nicht gebremst. Da sind zum Beispiel die Grabbeigaben, die in über 150 Gräbern aus dem 7. bis 8. Jahrhundert in Harheim gefunden wurden. „Diese Gräber strotzen nur so von Waffen“, sagt er. „Lanzen, Schwerter, Messer – in was für einer Gesellschaft lebten die Menschen zu einer Zeit, in der Waffen eine so große Rolle spielten? In Gräbern, die 400 bis 500 Jahre älter sind, findet man keine Schwerter oder Messer.“ Flügen wird beinahe philosophisch, als er erzählt, was ihm bei seiner Arbeit durch den Kopf geht. Im Steinarchiv lagern mehrere Jahrtausende Menschheitsgeschichte, unter seinem Mikroskop untersucht er Dinge, die unsere Urahnen in der Hand hielten, die für sie Lebensgrundlage waren. „Eine Steinaxt, welchen einen immensen Wert sie für ihren Besitzer hatte!“, sagt Flügen. „Mit ihr konnte er arbeiten, sich ein Haus bauen. Sie sicherte ihm seine Lebensgrundlage.“

 

 

Faszination Geschichtsforschung

 

In der Archäologie geht es nicht um die schönen Künste, es geht um den Alltag der Menschen. Die Funde liefern Details über das gesellschaftliche Zusammenleben verschiedener Epochen, anhand von Spuren können Restauratoren ablesen, wie ein Werkzeug, beispielsweise eine antike Steindrehbank, hergestellt wurde. „Wir fragen uns bei jeder Untersuchung: Wie haben die Menschen das damals gemacht?“, erklärt Flügen. Jedes Stück erzähle seine eigene Geschichte. Die, wenn man den Fund mithilfe von Beschreibungen und Bildern nachbaut, heute wieder Realität werden kann und wissenschaftliche Erkenntnisse liefert.

 

Dieser tiefe Einblick in die Geschichtsforschung“ – Thomas Flügen empfindet seinen Beruf als Privileg. Als Berufung sowieso. Auch in seiner Freizeit lassen ihn antike Steine oder Gegenstände nicht los. Wenn er zum Beispiel mit seiner Familie nach Rom reist. Oder mit seinem Sohn einen Bogen baut. Als der vor ein paar Jahren fragte, wie man ein solches Gerät denn herstelle, bauten Vater und Sohn einen Bogen. Nicht zu Hause, in einem Kurs. Und testen ihn dann nicht im Garten, sondern im Bogenschützenverein. Auch da ist der Restaurator Perfektionist.