Fachtagung an der Goethe-Universität „Unheimlich verlockend - Zum pädagogischen Umgang mit Sexualität“, Teil 1

 

Thomas Adamczak

 

Wiesbaden (Weltexpresso) - Die Vorsitzende des Frankfurter Arbeitskreises für Psychoanalytische Pädagogik (FAPP), Annelinde Eggert, eröffnete die 16. Fachtagung am 14. November mit einer Episode aus dem Hort: Ein achtjähriges Mädchen bekommt einen Brief mit sexualorientiertem Inhalt, unterschrieben hat ihn der „Sexmacher“.

 

Aufregung im Hort, große Unruhe, eine gewisse Hilflosigkeit sind die Reaktion. Die Polizei wird eingeschaltet. Was mag der Inhalt dieses Briefes gewesen sein? Welche Leserin, welcher Leser würde diesen Brief, gesetzt, er wäre hier abgedruckt, aus Prinzip nicht lesen?

 

Das Sexuelle ist von ubiquitärer Bedeutung. Im pädagogischen Feld ist es allerdings, wiewohl ebenfalls bedeutsam, ein heikles, tabuisiertes Thema. Im Tagungsverlauf wird in mehreren Beiträgen betont, dass durch den Missbrauchsdiskurs der letzten Jahre das Reden über Sexualität im pädagogischen Bereich noch zusätzlich erschwert ist. Es herrscht eine Misstrauenskultur, die Züge einer neuen Prüderie zeigt. Im krassen Gegensatz dazu werden Kinder und Jugendliche in der Medienwelt mit sexuellen Reizen regelrecht überschwemmt.

 

Der Brief, den das Mädchen bekommen hat, greift in massiver Weise in die intime Welt des Kindes ein und konfrontiert damit die Fachkräfte der für es verantwortlichen Institution.

 

Zielsetzung der Tagung des Arbeitskreises für Psychoanalytische Pädagogik in Kooperation mit dem Institut für Sonder- und Heilpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt war es, für den Umgang mit Sexualität im pädagogischen Bereich vielfältige Impulse zu geben.

 

In drei Vorträgen (Thilo N. Naumann, „Kindliche Entwicklung und Pädagogik in der heterosexuellen Matrix“; Ilka Qindeau, „Rätselhafte Botschaften - das Sexuelle in der Interaktion von Kindern und Erwachsenen“; Julia König, „Lust an der Grenze. Verführungsszenen mit Kindern und Erwachsenen im pädagogischen Alltag“) wurden grundlegende Positionen zum Tagungsthema vorgestellt. In etwa zehn Arbeitsgruppen wurden diese von den zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fachtagung diskutiert und um weitere Aspekte und Facetten des Themas ergänzt und vertieft.

 

Kinder und Jugendliche können kaum über sexuelle Gewalterfahrungen sprechen. Über ihre Vorstellungen, Wünsche, Phantasien, Erfahrungen hinsichtlich sexueller Themen können und wollen sie aus verständlichen, nachvollziehbaren Gründen nicht sprechen. Auf Seiten der Fachkräfte fehlt es an den sprachlichen Mitteln für einen angemessenen Umgang mit dem Thema Sexualität. Erschwerend kommt hinzu, dass bezogen auf die Gesamtheit der Gesellschaft sich Haltungen zur Sexualität in einem permanenten Prozess der Veränderung befinden und diese zudem sehr umstritten, wenn nicht umkämpft sind. (Der Psychologe Ahmad Mansour, er hat „Generation Allah“ veröffentlicht, sagt im Interview mit der FAS vom 22.11.2015: „Wir können … nicht erwarten, dass … alle Menschen ein freies Sexualleben gut finden. Das tun ja auch nicht alle deutschen Katholiken.“) Die Fachtagung leistete einen wichtigen Beitrag für die Enttabuisierung geschlechts- und sexualitätsbezogener Themen. Dass das kein leichtes Unterfangen ist, wurde z.B. an den Fragen, was eigentlich im Bereich Sexualität noch als „normal“ anzusehen sei und wo genau der Missbrauch beginne, offensichtlich.

 

Einige weitere Fragen, die in den Vorträgen gestellt und z.T. beantwortet wurden, mögen demonstrieren, wie komplex der pädagogische Umgang mit Sexualität ist:

  • Wie entsteht so etwas wie Sexualität eigentlich?

  • Wie kommt die Lust in den Körper?

  • Was ist unter kindlicher Sexualität im Unterschied zu der von Heranwachsenden/Erwachsenen zu verstehen?

  • Was ist gut für Kinder, was schadet ihnen?

  • Was sollten Kinder dürfen, was nicht?

  • Wie intensiv sollten sie sich mit ihrem Körper beschäftigen dürfen?

  • Inwieweit müssen Schamgrenzen von Kindern/Jugendlichen berücksichtigt werden?

Alle diese Fragen und vergleichbare weitere gipfelten letztlich in der übergeordneten Frage: Wie sieht eine gute Begleitung von Kindern/Jugendlichen bezogen auf das Thema Sexualität aus? Fortsetzung folgt

 

 

Foto:

 

Caravaggios Amor als Sieger eignet sich zur Illustration sehr gut und befand sich auf dem Einladungsflyer. Hier sein noch geschlechtsloser Kopf.

Das Gemälde befindet sich in der Gemäldegalerie in Berlin und war Mittelpunkt der großen Caravaggioausstellung vor einigen Jahren in Berlin.

 

 

Info:

 

www.fapp-frankfurt.de/

Frankfurter Arbeitskreis für Psychoanalytische Pädagogik e.V. - Institut für Weiterbildung und Forschung in Psychoanalytischer Pädagogik und Sozialer Arbeit.

Myliusstraße 20, 60323 Frankfurt am Main 069 701655

 

 

www.queerformat.de/

QueerFormat, die Initiative von ABqueer und KomBi. Materialien und Angebote im Bereich Schule. Queere-Jugend-Hilfe.

Kluckstraße 11, 10785 Berlin
030 2153742

 

www.regenbogenfamilien.ch/

Doch die Realität der Familienformen ist um einiges vielfältiger. Das zeigt die neue Informationsbroschüre des Dachverbands Regenbogenfamilien.