An der Nidda haben sie es gut, in der Entenmast so schlecht, informiert uns die Albert Schweitzer Stiftung, Teil 2

 

Eike Holly und Lona Berlin

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zu den Grundbedürfnissen von Enten zählen vielfältige Aktivitäten des Gefiederputzens, der Bewegung, des Sozialverhaltens und der Nahrungssuche und -aufnahme, die zu einem großen Teil nur im Wasser stattfinden können. Zum Wohlbefinden der Tiere gehört, dass sie all diese Verhaltensweisen ausführen können.

 

Da die Vögel in der konventionellen Entenmast in viel zu hohen Besatzdichten und ohne Zugang zu Badewasser gehalten werden, wird ihnen jedoch das Ausleben vieler Bedürfnisse unmöglich gemacht:

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Zu den artgemäßen Fortbewegungsarten von Mastenten zählen: Gehen, Laufen, Rennen, Hüpfen, Flattern, Schwimmen und Tauchen. Die meisten dieser Bewegungen können in der Intensivhaltung nicht ausgeführt werden. Die besonders agilen Moschusenten sind diesbezüglich noch stärker eingeschränkt als die Pekingenten, da sie in deutlich größerer Enge und häufig auch ohne Einstreu auf von Kot verdreckten Rostböden gehalten werden.

 

 

Nahrungssuche

 

Unter naturnahen Bedingungen verbringen Enten mehr als die Hälfte eines Tages mit der – überwiegend im Wasser ablaufenden – Nahrungsaufnahme, bei der sie ein vielgestaltiges Nahrungserwerbsverhalten zeigen: Gründeln (Eintauchen des Kopfes und Aufnahme der Nahrung vom Gewässergrund), Seihen (Wasseransaugen und Filtern der enthaltenen Futterteilchen mittels bestimmter Lamellen im Schnabel), Nahrungsaufnahme beim Tauchen und Schwimmen, Picken, Auflecken, Abbeißen, Weiden, Jagen und Aufsammeln von Körnern. Da Enten in Intensivmast keine Tauchgelegenheiten haben und ihnen lediglich strukturarmes Trockenfutter zur Verfügung gestellt wird, ist es den Tieren unmöglich, diese natürlichen Formen der Nahrungsaufnahme auszuleben (Picken ausgenommen). Zusätzlich reduziert sich der Anteil des Nahrungsaufnahmeverhaltens von ca. 60 % auf 5 bis 10 % der Tagesaktivitäten.

 

Insgesamt führt dieser Mangel zu Verhaltensstörungen wie dem Gründeln in der Einstreu (wenn vorhanden), wodurch der Schnabel verschmutzt und die Nasenlöcher verstopft werden. Zudem picken die Moschusenten am Gefieder anderer Enten, was Verletzungen zur Folge hat und sich zum Kannibalismus steigern kann. Als Gegenmaßnahme werden den Vögeln ihre durchbluteten und mit Tastrezeptoren ausgestatteten Schnabelspitzen abgeschnitten. Dies verursacht akute sowie chronische Schmerzen, weiterhin werden Phantomschmerzen vermutet. Der Eingriff beeinträchtigt die Tiere fortan bei der Nahrungsaufnahme und der Körperpflege. Zusätzlich wird beim Auftreten von Kannibalismus zur Senkung des Aktivitätsniveaus das Licht im Stall soweit reduziert, dass die Tiere faktisch permanent im Dunkeln leben müssen.

 

 

Körperpflege

 

Zur Reinigung des Gefieders taucht eine Ente den Kopf bis über die Augen ins Wasser, richtet sich wieder auf und lässt Wasser über den Körper laufen, wobei sie ihre Flügel leicht anhebt und dann Körper und Flügel schüttelt – dieser Ablauf wiederholt sich mehrmals. Aufgrund des fehlenden Zugangs zu Badewasser können Mastenten dieses Putzverhalten nicht ausleben. Dies beeinträchtigt ihr Wohlbefinden und führt zu Verhaltensstörungen wie dem häufigen Ausführen der entsprechenden Bewegungsmuster vor dem Trinkgefäß (im Leerlauf), heftigem Kopfschütteln oder hastigem (teilweise ununterbrochenem) Gefiederputzen. Trotz aller Bemühungen der Tiere ist ihr Federkleid struppig und mit Exkrementen verschmutzt (die Ställe werden während der gesamten Mastperiode nicht gereinigt – es wird lediglich frische Einstreu über den Kot gestreut). Hier im Bild ein krankes Tier.

 

 

Ruheverhalten

 

Unter natürlichen Bedingungen ruhen die Vögel meist im Wasser stehend auf einem Bein, auf dem Wasser treibend oder liegend auf weichem Untergrund an Land. In der konventionellen Mast hingegen wird einigen Moschusenten nicht einmal letzteres ermöglicht, da sie keine Einstreu zur Verfügung haben. Aufgrund der hohen Besatzdichten kommt es bei den Tieren zudem zu ständigen Ruhestörungen durch Lärm oder Gedränge.

 

 

Sozialverhalten

 

Einige grundlegende soziale Begegnungsformen von Enten spielen sich normalerweise auf dem Wasser ab. Durch das Fehlen von Badegelegenheiten werden diese Verhaltensweisen in der Massentierhaltung unterdrückt. Auch die viel zu hohen und unüberschaubaren Gruppengrößen sowie das Fehlen von Rückzugsmöglichkeiten und Umweltreizen machen es den Enten unmöglich, sich arttypisch zu verhalten. Durch diese Bedingungen neigen die Tiere schon bei geringen Störungen zu panikartigem Fluchtverhalten, was dazu führen kann, dass sich die Artgenossen gegenseitig verletzen oder sogar totdrücken. Bei den gängigen hohen Besatzdichten kann es passieren, dass die Tiere übereinander steigen und ihren Artgenossen Kratzverletzungen im Rückenbereich zufügen. Um das Verletzungsrisiko bei der Entenmast minimal zu halten, werden den Vögeln routinemäßig die Krallen an den Füßen beschnitten, wobei es regelmäßig zu versehentlichen Amputation der mittleren Zehengliedern kommt, da zur Arbeitsersparnis alle Krallen mit nur einem Schnitt gekürzt werden.

 

 

Fotos:

 

Enten in der Entenmast © www.tierschutzbilder.de

 

Kranke Ente in der Entenmast © www.tierschutzbilder.de

 

Info:

 

Albert-Schweitzer-Stiftung.de