NS-Aufarbeitung und Homosexuellenverfolgung“ in einer Veranstaltung des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am 11. Januar, Teil 5

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der kommissarische Institutsleiter Werner Konitzer hätte nun gerne die Beweggründe für Judenmord und Homosexuellenverfolgung in den Normen der damaligen Gesellschaft gesehen, bei denen zu fragen sei, inwieweit sie sich bruchlos in den Anfangsjahren der Bundesrepublik fortsetzten und eine Einheit eingingen.

 

Das nun führte geradewegs zu dem einen Widerspruchsstrang aus dem Publikum, das schon bisher den Ausführungen zum größten Teil unwillig gefolgt war, nachdem sowieso schon nicht wenige den Saal verlassen hatten, darunter Andreas von Schoeler, Ex-OB von Frankfurt und Vorsitzender der Freunde des Jüdischen Museums und seine Frau Ulrike Holler, eine als kritisch anerkannte Journalistin, die lange im HR tätig, jetzt immer wieder Podiumsdiskussionen mit der Humanistischen Union bestreitet oder moderiert, deren Mitglied sie ist und die von Fritz Bauer mitbegründet wurde.

 

Der kleine und sehr alte Mann - leider kam das Podium einem üblichen Brauch nicht nach, diejenigen, die sich zu Wort meldeten, sich mit Namen vorstellen zu lassen - sprach: „. ..ich bin so uralt, dass ich nicht nur das Dritte Reich noch erlebt habe, und die letzten fünf Monate in einem Außenlager von Buchenwald gelandet bin, sondern ich habe …. ganz gute Freunde gehabt und hab' sie heute noch, die homosexuell sind... Es ist doch albern, dass man heute noch Fritz Bauer mit homosexuell in einem Atemzug sagt. Ich selbst bin, das habe ich erst erfahren, als ich über vierzig war, bin nach jüdischer Religion Jude. Deswegen empfinde ich mich aber trotzdem nicht als Jude. Ich bin evangelisch erzogen worden, will aber mit der Kirche überhaupt nichts mehr zu tun haben [unter Lachen]...“

 

Damit kennzeichnete sich dieser Redner als in derselben Situation befindlich wie Fritz Bauer, der auch gemäß den Nürnberger Rassegesetzen von Heutigen zum Juden gemacht wird, obwohl er es für sich nicht war, Atheist zudem auch noch, noch nicht einmal beschnitten. Der Redner fuhr fort: „Es ist einfach albern – entschuldigen Sie, wenn ich diesen Ausdruck sage – Fritz Bauer und Homosexualität gemeinsam zu diskutieren. Der Holocaust war etwas so völlig Anderes – als die Verbindung mit und Verfolgung von Homosexualität – es passt einfach nicht zusammen! Und heute sind wir Gott sei Dank – wir sagen immer, wir stehen auf dem Boden des Grundgesetzes – wenn wir das sind, steht ganz klar, niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Full Stop! Nicht? Also ich kann diese Diskussion, diese zwei Sachen Holocaust und Sexualität von Fritz Bauer in einen Topf, in eine Diskussion zu werfen, nicht verstehen, und meine Frage ist denn: Warum tun Sie das? Ich habe es nicht begriffen.“

 

Damit sprach er aus, was viele Zuhörer bewegte. Er setzte fort, daß der Holocaust in seiner Gestaltung und Durchführung einmalig sei..., „Das kann man doch nicht...“ man hörte Verfolgung von Homosexuellen, vom Podium wurde „Rasse“ in die Diskussion geworfen, auf jeden Fall verließ dieser Herr den Raum, der vielen aus dem Herzen gesprochen hatte, was Jutta Ebeling eine entsprechende Handbewegung des Rauswurfs wert war.

 

Dieser alte Mann hatte einen der Stränge deutlich benannt, die zum Widerspruch im Publikum führten, nämlich Judenverfolgung durch industriell organisierten Massenmord an Juden mit der Homosexuellenverfolgung in einen Topf zu werfen, wie es im Veranstaltungstitel und den Podiumsbeiträgen vertreten wurde. Diesen Part hatte vor allem Andreas Pretzel übernommen, der die Verknüpfung Judenverfolgung und Schwulenverfolgung über das Merkmal "Rasse" in einer Engführen der beiden Verfolgungen als aus einer Quelle entspringend bezeichnete.

 

Pretzel ging mit keinem Wort auf die historisch unterschiedlichen Wurzeln ein, die Verfolgung von Juden, in Europa seit dem Entstehen des Christentums, die Verfolgung von Homosexuellen massiv seit dem 19. Jahrhundert, das in der neuen sozialen Form der Kleinfamilie die bürgerliche Formation gefunden hatte, wo Homosexualität – immer die von Männern – die Konstruktion der bürgerlichen Kleinfamilie aushebelte, was sich durch das 20. Jahrhundert zog. Kein Hinweis darauf, daß Schwule nicht nur vor 100 Jahren, sondern noch vor 40 Jahren verfolgt wurden: auch von Nicht-Nazis, sogar von ansonsten ganz fortschrittlich denkenden Leuten ieinschließlich linken Sozialdemokraten - die aber im Bereich Sexualität noch ganz selbstverständlich meinten: ein Mann mit einem Mann: das ist widernatürlich, widerwärtig, einfach nur pfui-pfui-pfui.

 

Daß sich in einer Person beides:Judenhaß und Homophobie bündeln kann, das bestritt keiner der aus dem Publikum widersprechenden Redner, aber die Wurzeln sind eben unterschiedliche, die man nicht in einen Topf werfen kann, wie es das Podium und die Einladung zur Veranstaltung tat. Und vor allem, das erschien alles irgendwie überholt, daß da vom Podium irgendwelche Vorwürfe gegenüber Menschen gemacht wurden, die homophob sind. In dieser Veranstaltung hat kein einziger Redner sich so geäußert. Und das darf man von einer Veranstaltung, zu der das Fritz Bauer Institut einlädt, auch erwarten, daß nicht Vorurteile von gestern und vorgestern den Zuhörern geboten werden. Die Grundeinstellung in dieser Versammlung war, daß die gelebte Sexualität die Sache eines einzelnen ist. Das gab der Veranstaltung eine weitere groteske Note, weil der Gegenstand, gegen den sich das Podium wehrte: gelebte Homophobie hier im Saal überhaupt nicht vorhanden war. Gespenstisch, dann Pappkameraden aufzubauen. Fortsetzung folgt.