NS-Aufarbeitung und Homosexuellenverfolgung“ in einer Veranstaltung des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am 11. Januar, Teil 7

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Versammlung stockte. Deutlich sichtbares Schweigen bei Jutta Ebeling. Statt ihrer antwortete der Saaldiener des Fritz-Bauer-Instituts, der im Kern sagte: es brauche keine Bar-Mitzwa oder Gemeindemitgliedschaft. Aufgrund der Verfolgung hätten sich auch viele, die keiner Gemeinde angehörten, "mit ihrer jüdischen Identität auseinandergesetzt". Das machte ein neues Faß auf, weil auf einmal die einseitigen, projektive Zuschreibung der Nazis eine "jüdische Identität" ergäbe, gegen die sich Bauer ausdrücklich gewandt hatte. Das Ganze lief immer mehr aus dem Ruder des Veranstalters auf dem Podium.

 

Von vorne wandte sich dann eine Diskutantin an das Publikum und stellte fest, daß man hier erlebe, was passiere, wenn das Fritz Bauer Institut seine Hausaufgaben nicht rechtzeitig gemacht hätte. Durch die Biographin Wojak und die Regisseurin Ziok sei die Deutungshoheit über die Person Bauer auf diese beiden übergegangen. Das einzige, was wohl im Institut als eigener Beitrag durch Betreiben des Archivars Wener Renz gemacht worden sei, sei den alten Hut des Polizeiprotokolls aus Dänemark, das vier Wochen nach der Ankunft von Fritz Bauer im Exil erstellt worden sei und für dessen Interpretation es geschichtliche Gründe gäbe, zu instrumentalisieren und daraus eine Homosexualität Fritz Bauers zu konstruieren. Damit habe sich der Mitarbeiter auch bei seinem Chef Raphael Gross angedient und weitere Personen gefunden, die er in diesem Sinne 'aufklärte': Biograph Ronen Steinke, der von einer Homosexualität Bauers spricht, das aber wieder zurücknimmt, weil auch einem Juristen wohl auffällt, daß ein einziges Dokument, noch dazu von der Fremdenpolizei als historische Wahrheit dünn ist. Im selben Sinne habe Werner Renz die Regisseure Guido Ricciarelli und Lars Kraume beraten.

 

Eine Homosexualität Fritz Bauers „zu beweisen“, habe Werner Renz sich seit dem Jahr 2011 bemüht. Sie habe einen Brief in den Händen, von ihm unterschrieben und im Namen des Instituts verschickt, in dem er einem damals jungen Mann homosexuelle Kontakte mit Bauer nahelege. Dies durch Umschreibungen und Tatsachenbehauptungen, wie, es gäbe bis heute nur „Andeutungen“ und „Gerüchte“...“Als ob es eine Schande wäre, homosexuelle oder homoerotische Beziehungen zu pflegen“. Eine Schande ist es allerdings, mit solchen Briefen hausieren zu gehen, um etwas 'zu beweisen', was nicht war.

 

Die Rednerin führte weiter aus, das Infame sei ja eben, daß man vom Fritz Bauer Institut doch mit gutem Recht historisch verbürgte Tatsachen erwarte, im Sinne des Namensgebers und nicht gegen ihn. Zu der unzulässigen, weil durch nichts bewiesenen Behauptung einer Homosexualität sei die Bekämpfung des Films hinzugetreten, der überhaupt Bauer wieder in den Fragehorizont einer breiteren Schicht in Deutschland gebracht habe: FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN. Diesen Film plante die ARD auszustrahlen. Dagegen habe sich schriftlich Werner Renz bei der ARD gewandt, was im gemeinsamen Vorgehen von Esther Schapira vom Hessischen Rundfunk, die dem Film fälschlich mangelnde Quellenangabe vorwerfe, tatsächlich dazu geführt hat, daß die ARD den Film nicht ausgestrahlt hat.

 

Seltsamerweise wurde dieser Beitrag zum Schlußwort. Fünf vor acht Uhr beendete Moderator Berg überraschend die Veranstaltung und meinte, er hätte zeitlich überzogen. Tatsächlich hatte er thematisch überzogen - und bemerkt, wie ihm die Veranstaltung entglitt. Seine Podiumsgäste meinten von Kraumes Film begeistert, so bekomme Fritz Bauer ein Gesicht, würde seine Emotionalität gezeigt. Doch im Publikum verbreiteten sich die Zweifel immer weiter, ob das Bild des rachsüchtigen, versoffenen Despoten etwas mit der Wirklichkeit des historischen Bauer zu tun habe. Zu offensichtlich war die historische Unsauberkeit: wilde Behauptungen, wie sie Ebeling mit ihren Dictum "war Jude, Sozialdemokrat und schwul" zusammenfaßte, konnten nicht belegt werden.

 

Wie die historischen Tatsachen gegen den Umgang des Fritz-Bauer-Instituts mit seinem Namenspatron sprechen: das wurde an dem Abend zu deutlich. Es wurde auch deutlich, daß dieser Abend in Frankfurt etwas verändert hatte. Daß zum ersten Mal lautstark sich gegen die Bevormundung durch das Fritz Bauer Institut in die falsche Richtung gewehrt wurde, was Konsequenzen hat. Auch Konsequenzen für die Besetzung der Leiterstelle am Fritz Bauer Institut, die derzeit in den akademischen Gremien in der Berufungskommission steckt.


Nachwort:

 

Viel Stoff für knapp eineinhalb Stunden. Zu kurz kam bisher die Filmvorführung, die wir hier dem Verlauf nachstellen, die aber im Ablauf an erster Stelle fungierten. Nicolas Berg hatte die Podiumsteilnehmer vorgestellt und sich als Moderator bezeichnet und zeigte vier zusammengeschnittene Ausschnitte aus Lars Kraumes Film "Der Staat gegen Fritz Bauer": eine Sequenz vom Anfang, in der der Generalstaatsanwalt sich als tyrannischer Chef zeigt: weil er eine Akte nicht sofort findet, läßt er seine Staatsanwälte zu einer Sondersitzung zusammenrufen, stellt da aber nur banale Fragen. Als ein Staatsanwalt es wagt, darauf hinzuweisen, dass seine Familie ihn am Freitagabend sehen möchte und er nicht versteht, warum sie so getriezt werden, erst da explodiert Bauer: ihm sei schon wieder eine Akte geklaut worden. Bauer greift erneut zur Schnaps-Karaffe, schenkt sich ein und schickt seine Mitarbeiter nach Hause. Nur einer bleibt: ganz demütig zurück, erinnert er seinen Chef daran, dass er ihm die "Akte Schneider" zur Bearbeitung übergeben habe. Damit steht das Portrait des großen Generalstaatsanwalts: despotisch, desorganisiert und versoffen!

Was an diesem rücksichtslosen Bürohengst heldenhaft gewesen sein könnte, das fragt sich der Zuschauer auch in den nächsten Szenen. Jung-Staatsanwalt gesteht seine homophilen Begierden und weiß selbstverständlich, dass der Chef mal Probleme mit der dänischen Sittenpolizei hatte.
Bauer gesteht ihm sein Gefühl, daß sie gemeinsame Interessen vertreten...Bauer fordert den Mitarbeiter auf, sich kein zweites Mal mit einem Lustknaben erwischen zu lassen. So, wie der Dialog gestrickt ist und Bauer seinen Konflikt mit der "Sitte" en passant bestätigt, suggeriert der Film, dass Bauer selbstverständlich zum Kreis der Straftäter nach § 175 StGB gehöre, da über einschlägige Erfahrungen verfüge.

 

Wie gesagt, ein Film mit der Beratung durch das Fritz Bauer Institut. Was erst wird der 24. Februar mit der Ausstrahlung des Fernsehfilms über Fritz Bauer in der ARD erweisen, der in der Produktion Nico Hofmanns zustandekam?