Serie: Frankfurter Frühjahrsmesse AMBIENTE vom 15. bis 19. Februar 2013, Teil 3
Gerhard Wiedemann und Helga Faber
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit der Preisverleihung für die fiesesten Fälschungen und den gemeinsten Produktdiebstahl in Form des schwarzen Zwerges mit der goldglänzenden Nase an diejenigen, deren Produkte besonders frech abgekupfert wurden, war die Aktion PLAGIARIUS e.V. am Messefreitag wieder der große Hit.
Die Veranstaltung holt nunmehr seit 37 Jahren auf der AMBIENTE die im Geheimen fabrizierten dreisten Nachahmungen mit ihren Vorbildern ans Licht der Öffentlichkeit. „Ziel des Vereins ist es, die Skrupellosen Geschäftspraktiken von Plagiatoren ins öffentliche Bewußtsein zu rücken und Industrie, Politik und Verbraucher für die Problematik zu sensibilisieren. Trophäe ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase – als Symbol für die exorbitanten Gewinne,die die Produktpiraten sprichwörtlich auf Kosten innovativer Unternehmungen erwirtschaften.“
Die Negativpreise werden jedes Jahr auf der Ambiente unter verschiedenen Kriterien verteilt. Ausgewählt werden als Preisträger jeweils die Firmen, deren Artikel entweder völlig identisch gefälscht oder weithin nachgemacht wurden. Die Auswahl trifft eine Jury, die jährlich neu zusammengestellt wird und u.a. dieses Jahr besetzt ist mit Gabriele Holthuis, der Direktorin des Ulmer Museums, Iris Mann, der Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales in Ulm, Wolfgang Schaupensteiner, Oberstaatsanwalt Frankfurt und verschiedene Firmenvertreter sowie als juristische Beraterin Aliki BMuße, Rechtsanwältin und Tochter dessen, der diese Wahnsinnsidee schon vor 37 Jahren in die gesellschaftliche Realität überführte: Rido Busse, der an der seit jeher innovativen Hochschule für Gestaltung in Ulm Professor war.
Die Jury kann nur auszeichnen, wovon sie Kenntnis erhält. Von daher gilt grundsätzlich die Aufforderung an alle, mitzuschauen und anzuzeigen, wenn gefälschte Waren entdeckt werden. Dieses Jahr gab es 43 Einsendungen, von denen eigentlich jedes Produkt einen Preis verdiente. Allerdings würde das keiner mehr zur Kenntnis nehmen. Also wird ausgewählt, wobei entweder die Dreistigkeit der Fälschung oder die Übereinstimmung mit dem Original auch eine Rolle spielen. Der erste Preis ging an an die Straßenlampe LATINA, die auf der Straße Al Waab in Doha in Katar steht, die im Original von einer spanischen Designagentur aus La Roca, stammt und als Plagiat von Public Works Authority ASHGHAL, Doha, Katar hergestellt wurde.
Den zweiten Preis erhält die vierteilige Porzellanserie „isola“, deren Originale ein englisches Designstudio entwickelte und eine portugiesische Porzellanfirma aus Vagos produzierte. Das auch beim zweiten Blick nicht vom Original zu unterscheidende Plagiat werden unter der Eigenmarke 'Galeria home' vertrieben von GALERIA Kaufhof. Aufgepaßt, liebe Leser. Über die Straßenlampen in Katar kann man hier nur diskutieren, das geklaute Design und identische Ausführung, die der Kaufhof anbietet, das kann man sich anschauen und dort nachfragen, weshalb diese Fälschung nicht aus dem Verkehr gezogen wird. Auf jeden Fall ist das eine absolute Peinlichkeit für GALERIA Kaufhof, die darauf schnell reagieren sollten, denn die Hersteller sind nicht bekannt, bzw. nur dem Kaufhof bekannt.
Den dritten Preis erhielt eine Gehrungsschere mit 45° Anschlägen, Marke „Original-LÖWE“ einer Firma aus Kiel, von OEM für die Firma „Würth“ produziert. Allerdings vertreibt die in Taiwan hergestellten Fälschungen, die die obige Schere exakt nachahmen, die Adolf Würth GmbH aus Künzelsau. Neben den drei ersten Preisen vergibt die Jury fünf gleichrangige Auszeichnungen, die diesmal ein Fenstersauger, ein Spielzeug-Betonmischer, ein Keramik-Messerschärfer, ein Silikonförmchen und einen Eierbecher darstellt.
Der Fenstersauger unterscheidet sich nur in der Farbe und das Plagiat kommt aus China. Der Spielzeugbetonmischer ist in den gleichen Farben Gelb-Blau mit ein wenig Rot konstruiert, aber er ist sehr viel kleiner. Gefälscht hat dieses KÄRCHER-Produkt eine tschechische Firma HM Studio a.s.; der Keramik-Messerschärfer wurde in Japan konstruiert und in Schweden als chinesische Fälschung verkauft, aber sofort von der Verkaufsfirma vom Markt genommen, als sie von der Fälschung hörte. Die Silikonförmchen stammen im Original aus Italien und werden in Spanien vertrieben. Der Eierbecher Mc Egg kommt von WMF und wird als Plagiat in Dubai vertrieben.
Alle Gegenstände, die Originale und die Fälschungen konnte man sowohl bei der Preisverleihung besichtigen, wie auch bis zum Ende der Messe in der Halle zwischen 5.1 und 6.1. Erst, wenn man diese Unverfrorenheit erkennt, mit der Dinge identisch nachgebildet werden, hat man neben dem Kopfschütteln auch eine gehörige Portion Wut. Man kann den mit den Preisen Ausgezeichneten zwar lobend attestieren, daß sie besonders gute Produkte entwickelt und produziert haben, das hilft aber wirtschaftlich nicht, da diese besonderen Wert auf Innovation legen und dafür auch gut bezahlen und nun betrogen werden, weil die gefälschten Produkte deshalb so viel billiger angeboten werden können, weil die hohen Entwicklungskosten die originale Firma aufbrachte.
Ein dolles Ding sind die beiden SONDERPREISE, die zusätzlich verliehen wurden. Ein sogenannter SONDERPREIS FÜR FÄLSCHUNGEN gilt der LED-Taschenlampe und LED-Stirnlampe deren Originale aus Solingen stammen, in China gefälscht wurden und hier verkauft wurden. Wie sehr sich das Klima auch durch die Arbeit von PLAGIARIUS gewandelt hat, erkennt man daran, daß die deutschen Händler nach Kenntnis die Plagiate sofort vom Markt nahm.
Noch erstaunlicher ist der HYÄNEN-PREIS, der gleichzeitig für den originalen Hersteller ein Sonderlob bedeutet, was er in seiner Werbung eigentlich sofort veröffentlichen sollte. Denn das Küchenschneidegerät swizzzProzzz s P20 ist gleich sieben Mal gefälscht und plagiiert worden, d.h. sieben Mal wurde es entdeckt, wer weiß, ob noch weitere Exemplare gefunden werden. Das Schweizer Produkt wurde mehrfach von China, Japan, Südkorea und Taiwan plagiiert. Das ist insofern interessant, als das kleine Gerät eine große Wirkung hat und für die frische Küche, die in Asien auf den Tisch kommt, sehr gut geeignet ist. Wohl deshalb wird dieses handliche kleine Ding so oft gefälscht.
Wer Interesse hat, diese Objekte sich selbst anzuschauen, könnte das zum Anlaß nehmen bei nächster Gelegenheit nach Solingen ins Museum PLAGIARIUS zu fahren und sich dann auch die anderen Fälschungen zu Gemüt zu führen. Die Aktion und das Museum gehören in den Bereich dessen, von dem man gerne sagt, wenn das noch nicht erfunden worden wäre, müßte man diese Idee sofort erfinden. Ein wirklich vorausschauender Gedanke vor 37 Jahren.
www.plagiarius.com