Konferenz in Frankfurt am Main

 

 

Notker Blechner

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Seit Monaten hält ein Thema die Finanzbranche in Atem: die Bankenunion. Vor allem ihr Kernstück, die europäische Bankenaufsicht, sorgt für heftige Diskussionen. Auf einer Konferenz der ESE-Initiative wurde klar, wie holprig der Weg zu der neuen Super-Behörde ist.

 

Wann nimmt die europäische Bankenaufsicht endlich ihre Arbeit auf? Das weiß selbst Yves Mersch (Foto), Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), nicht so recht. Frühestens im November 2014 sollte es soweit sein, meinte er unlängst. Doch selbst dieser Termin könnte sich weiter verschieben, warnte er auf der Tagung der European Supervisor Education Initiative (ESE) in der Frankfurter Goethe-Uni. "Wir haben ständig Verzögerungen", sagte er und verwies auf die Vorbehalte des britischen Parlaments.

 

Großbritannien hat in der vergangenen Woche die endgültige Unterschrift unter das Gesetz zur Übernahme der Bankenaufsicht durch die EZB verweigert. Das Parlament sieht noch Beratungsbedarf. Dabei gehört die Insel gar nicht der Euro-Zone an und lässt seine Banken auch nicht von der EZB beaufsichtigen.

 

 

Rechtliche Weichen sollen im November gestellt werden

 

Wegen der zaudernden Briten kann der EU-Ministerrat die Richtlinie zur europäischen Bankenaufsicht frühestens am 10. Oktober beschließen. Ob im November dieses Jahres die rechtliche Grundlage für die neue Behörde geschaffen wird, ist fraglich. Mersch läuft die Zeit davon.

 

Der Luxemburger, der für das Großprojekt innerhalb der EZB zuständig ist, befürchtet, dass sich die für November geplanten Stellenausschreibungen weiter verzögern. Für die Aufsicht sucht die EZB rund tausend neue Mitarbeiter. Bis Ende des Jahres sollte ein Teil von ihnen - 200 bis 300 - eingestellt werden.

 

 

Streit um die Abwicklung der Banken

 

Doch noch wissen die künftigen Bankwächter teilweise noch gar nicht, was sie eigentlich tun dürfen. Denn die Kompetenzen der Bankenaufsicht sind immer noch nicht endgültig abgesteckt. Unklar ist, wer angeschlagene Banken abwickeln darf. Die EU-Kommission will das letzte Wort haben und einen Abwicklungsfonds einrichten. Also Brüssel entscheidet, ob ein notleidendes Institut geschlossen wird, bevor eine zentrale Behörde die Abwicklung übernimmt. Diese Pläne stießen aber bislang auf den Widerstand der Bundesregierung, die nicht für Banken anderer Länder haften will.

 

Bundesbank-Vizepräsidentin und -Chefaufseherin Sabine Lautenschläger fordert, für das angestrebte Abwicklungsregime die EU-Verträge zu ändern. "Wir brauchen eine gemeinsame europäische Abwicklungsbehörde, einen europäischen Abwicklungsfonds und eine wasserfeste Rechtsgrundlage für eine Bankenabwicklung", betonte sie auf einem früheren Symposium der Bundesbank. Die gebürtige Stuttgarterin sieht die Konstruktion der Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB kritisch. Sie moniert, dass es keine klare Trennung zwischen Geldpolitik und Aufsicht gebe. Die Bundesbank setzt sich für ein Netzwerk nationaler Abwicklungsbehörden und eine Schlichtungsstelle als Übergangslösung ein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vertritt eine ähnliche Position.

 

Die EZB-Notenbanker werden langsam ungeduldig. Solange unklar sei, wer im Extremfall die Banken stützte, könne die EZB die Bankenaufsicht nicht übernehmen, betonte Mersch auf der ESE-Konferenz in der Goethe-Universität.

 

 

Banken-Stresstest in Vorbereitung

 

Auch das erste große Projekt, das die Bankkontrolleure durchführen sollen - die Prüfung der Bilanzen von 130 europäischen Großbanken - steckt weiter in den Kinderschuhen. Die EZB muss erst noch festlegen, welche Kriterien für den Stresstest angelegt werden. Die Aufseher stehen vor einem Dilemma: einerseits dürfen sie den Test nicht zu weich machen. Andererseits drohen sie neue Turbulenzen im Bankensystem auszulösen. EZB-Direktor Mersch forderte denn auch auf der Tagung der ESE-Initiative, dass sich die Regierungen auf "backstops" einige - also die Finanzierung von Kapitallücken im Extremfall -, bevor mit dem Test begonnen werde. Sonst stünde die Bankenwelt vor einer "lose-lose-Situation", in der es nur Verlierer geben kann.

 

Besonders heikel dürfte die Prüfung der Staatsanleihen in den Bankenbilanzen sein. Weil sie immer noch als sicher gelten, müssen sie nicht mit Eigenkapital unterlegt sein. Das missfällt Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel. Er kritisiert, dass viele Banken oft bevorzugt in Anleihen ihrer Heimatländer investiert hätten. Das verstärke die Abhängigkeit zwischen Staaten und heimischer Finanzwirtschaft. Nagel verlangt: "Mittelfristig sollten Staatsanleihen wie Unternehmensanleihen behandelt werden."

 

Da dürfte die Frage, wo die Bank-Kontrolleure ihre Büros künftig beziehen sollen, noch das kleinste Problem sein. Es wird gemunkelt, dass die Aufseher im alten EZB-Turm bleiben sollen. Im künftigen neuen EZB-Tower im Frankfurter Ostend ist wohl nicht genügend Platz für sie.

 

 

INFO I:

 

Internet:

Rede von EZB-Direktor Mersch auf der ESE-Bundesbank-Konferenz am 26. September

http://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2013/html/sp130926.en.html

 

Rede von Bundesbank-Vizepräsidentin Lautenschläger auf der ESE-Konferenz der Bundesbank

http://www.ese-initiative.org/ESE/Redaktion/EN/Downloads/supervisors_without_borders.pdf?__blob=publicationFile

 

European Supervisor Education Initiative (ESE)

http://www.ese-initiative.org/ESE/Navigation/EN/Home/home.html

 

 

Info II:

 

Die Initiative European Supervisory Education (ESE) hat sich zum Ziel gesetzt, Finanzaufsehern in Europa eine anspruchsvolle Qualifizierung nach einheitlichen Standards anzubieten. Dazu führt die ESE jährlich rund 20 Seminare zu unterschiedlichen Themen durch. Mitglieder der Initiative sind die Bundesbank, die Bafin, die Österreichische Nationalbank, die Zentralbanken von Luxemburg und der Tschechischen Republik sowie die Goethe-Business-School der Uni Frankfurt. Die ESE veranstaltet alle zwei Jahre eine Konferenz mit Vertretern aus Notenbanken, Aufsichtsbehörden, Wissenschaft und Bankenbranche.