Serie: MUSIKMESSE und PROLIGHT+SOUND vom 12. bis 15. März Messe Frankfurt, Teil 6
Felicitas Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es hilft nicht viel, wenn man hinzufügt, daß der Rückgang der musikalischen Erziehung in deutschen Schulen immerhin geringer sei als im XYZ-Land. Christian Höppner, Generalsekretär des deutschen Musikrates und Gerhard A. Meinl, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Instrumentenhersteller ließen keinen Zweifel daran, daß es fünf vor 12 ist!
In deutschen Grundschulen fallen bis zu 80 Prozent des Musikunterrichts aus. Eltern kennen dies seit Jahren. Wenn man heute darauf hinweist, daß just dieselbe Situation schon in den siebziger Jahren stattfand, damals aber die beiden Fächer, in denen massiv Unterricht ausfiel, Musik und Sport hießen, heute Sport aber kaum ausfällt und die Sportvereine einen massenhaften Zulauf haben, dann weiß man, daß im Bereich Sport etwas gelungen ist, was für die Musik zu erreichen ist. Beide Fächer galten damals angesichts der intellektuellen Bildung, die Schule garantieren sollte, als nicht so wichtig. Was für die Musik immer noch gilt.
Die beiden Herren hielten unterschiedliche Reden, bliesen jedoch ins selbe Horn, was jeder, der von Musik etwas versteht, zudem eh weiß. Wie sehr nämlich das Spielen eines Instrumentes nicht nur die emotionale Kraft der Heranwachsenden stärkt, sondern auch die mentale. Klavierüben bedeutet eben auch, Konzentration zu üben, Fingerfertigkeit eh, aber dann auch im Zusammenspiel mit anderen so viele, bei vielen Menschen verschüttetet Fähigkeiten hervorzuholen und zu trainieren, daß schwer nachvollziehbar ist, weshalb das Instrumentespielen bei Kindern und Jugendlichen zurückgegangen ist. Ist es nämlich.
Wenn Höppner formuliert: „Wir müssen stärker in unsere kreativen Potentiale investieren, wenn wir die gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunftskulturen proaktiv angehen und das Musikland Deutschland im internationalen Wettbewerb stärken wollen. Eine qualifizierte und kontinuierliche musikalische Bildung ist dafür vor allem in den prägenden Kinder- und Jugendjahren unverzichtbar.“, dann bekommt er zwar Beifall, aber es ändert sich nichts, zumindest nichts von alleine oder nur durch Worte.
Beide Redner gingen auch auf die ökonomische Situation vieler Familien ein, wo, wenn die Schule überhaupt noch Zeit läßt dafür, ein Instrument zu erlernen, bestimmte Familien dafür auch deshalb kein Geld aufbringen, weil sie wenig haben, zusätzlich aber auch das Musikmachen in solchen Familien keine großen Wert darstellt, weil Musik immer auch eine Bildungskomponente hatte. Das ist ein doppelte Bestrafung für Kinder aus solchen Familien, weshalb schon in der musikalischen Früherziehung hier entgegengewirkt werden muß und kann.
Der Deutsche Musikrat hat zum Freizeitverhalten der Deutschen 2013 eine Untersuchung durchführen lassen, die auf der einen Seite in fünf horizontalen Kategorien das Musikhören differenziert. Das ist einmal Opern-, Theater-, Ballettbesuch, dann Konzert, Rock und Pop, dann Musikmachen sowie Musik hören und Radio hören, während vertikal die Frage nach der Häufigkeit gestellt wurde: mindestens einmal täglich, einmal pro Woche, pro Monat, im Jahr, seltener oder nie.
Demnach macht 1 Prozent der Gesamtbevölkerung einmal täglich Musik, 10 hören Musik und 62 hören Radio. Bleiben wir beim Musikmachen: 6 Prozent tun dies einmal pro Woche, 9 pro Monat, 12 pro Jahr, aber 88 Prozent seltener oder nie! Auch Oper-, Theater- oder Ballettbesuch findet für 78 Prozent der Gesamtbevölkerung seltener oder nie statt und für 76 Prozent gibt es keinen Konzertbesuch, auch nicht Rock oder Pop. Das sind schon erschreckende Zahlen. Vor allem wenn man sie mit Fußballbesuchern oder Fernsehzuschauern vergleicht.
Die Untersuchung differenziert die Prozentzahlen dann noch einmal nach sieben weiteren Kategorien, wobei auffällt, daß Kinder ausgespart sind. Es geht los mit Jugendlichen von 14-17 Jahren, junge Erwachsene 18-24 Jahre, Singles 25-49 Jahre, Paare ohne Kinder 25-49 Jahre, Eltern 25-49 Jahre, Jungsenioren (Aha, welche sprachliche Neuschöpfung!) 50-64 Jahre und Ruheständler ab 65 Jahre. MUSIKMACHEN, mindestens einmal pro Woche, machen noch 14 Prozent der Jugendlichen und 12 der Jungen Erwachsenen, aber Singles, Paare ohne Kinder, Eltern nur zu 5 Prozent, und Jungsenioren sogar nur zu 4 Prozent, wobei Ruheständler um zwei Prozentpunkte auf sechs zulegen. Dennoch unglaublich wenig.
Musikhören ist hochprozentig bei den Jungen, sehr zurückgehend bei den Älteren, die dann mehr Radio hören oder auch mehr in Oper-, Theater- oder Ballettaufführungen gehen, was sicher auch eine Frage des Geldes ist. Aber wie soll man Folgendes interpretieren: Eltern sehen mit 20 Prozent häufiger Aufführungen auf der Bühne als Paare ohne Kinder (17), dagegen Singles aber mehr (24). Letzteres kann man einsehen, weshalb Paare ohne Kinder, die also abends nicht auf ihre Kinder aufpassen müssen, weniger Aufführungen sehen als Eltern, erfordert Nachfragen. So könnten wir die ermittelten Zahlen weiterhin befragen. Wichtiger ist jedoch, wie sie zu ändern sind in Richtung einer größeren Selbsttätigkeit im Musizieren. Denn, wer selber ein Instrument spielt, ist auch interessierter, seine Musik von anderen auf der Bühne zu hören.
Foto: Rolf Maass