Sogar auf der letzten Berliner Fashion Week waren nachhaltig produzierte Schuhe angesagt
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Nach der Messe ist vor der Messe! Denn am Freitag beginnt die Ledermesse in Offenbach, in der alten Bundesrepublik eine der wichtigsten Messen überhaupt. Auf der Fashion Week in Berlin fiel auf, dass selbst beim Life-Style-Event „Bread & Butter“ pflanzengegerbte Lederschuhe oder vegane Fußbekleidung angepriesen wurden.
Mittlerweile ist die Nachhaltigkeit auch in der Schuhmode angekommen, die Zeit der gesunden Schlabberschuhe ist vorbei: Selbst Birkenstock produziert schon lange quirlig bunte Treter. Auch für Öko-Schuhe gilt, dass deren Produzenten sich in erster Linie als Designer verstehen, die jedoch nachhaltig produzieren wollen. Die österreichische Schuhmanufaktur Think! zum Beispiel produzierte einst langweilige, aber giftfreie Latschen. Mitte der 80er-Jahre wollte der junge Erbe Martin Koller nicht mehr einsehen, dass „gesunde Schuhe hässlich aussehen müssen.“ Er entwickelte mit seinen Designern modische Schuhe mit Korkfußbettungen und natürlichen Latexsohlen, deren solide Qualität eine lange Lebensdauer garantiert.
Der Kauf giftfrei produzierter Schuhe lohnt sich. Unsere Haut nimmt die in der Schuhproduktion verarbeiteten Giftstoffe auf. Viele Hautkrankheiten und Allergien lassen sich auf das Tragen verseuchter Schuhe zurückführen. Dazu kommen ethische Argumente, denn in Asien bluten die Tiere für die Lederproduktion oft auf offener Straße aus, während ihnen noch bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wird. Und dass asiatische Arbeiter oftmals unfassbaren gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind, ist längst kein Geheimnis mehr.
Traditionell wird das Rohleder mit dem Schwermetall Chrom gegerbt und mit anderen gifthaltigen Stoffen konserviert und gefärbt. Und es ist nicht so, dass es keine Alternativen gäbe. „Ich wollte was bewegen in der Lederszene!“, sagt die promovierte Chemikerin Anne-Christin Bansleben von Deepmello. Sie hat die Ledergerbung mit Rhabarber entwickelt. Und die Pflanzengerbung kostet nur 10 bis 20 Prozent mehr als herkömmliche Verfahren.
Lederschuhe müssen übrigens auch nicht immer aus Säugetierhaut hergestellt werden: Weltweit fallen jährlich hundertausende Tonnen Fischleder an, das sich aufgrund seiner starken Fasern hervorragend für Schuhe eignet. Es ist dünn, kann aber stark belastet werden. Giftfrei gegerbt riecht es natürlich nicht nach Fisch, und behält den besonderen Schuppenlook. Aus Fischleder werden inzwischen maßgefertigte Edelschuhe von Theo&Mo ebenso hergestellt, wie Nike-Sneakers. Und junge Designer und Designerinnen wie Jenny Welwert versuchen zum Beispiel in Sri Lanka in Projekten mit Einheimischen, Häute der dort verzehrten Fische in Schuhe zu verwandeln.
Der deutsche Schuhmacher in der 13. Generation, John W. Shoes, lässt in Spanien Schuhe aus nicht tierischen Materialien produzieren. Weil ledernes Schuhwerk von Veganern abgelehnt wird, erleben die klassischen südeuropäischen Espadrilles aus Kork, Hanf- und anderen Pflanzenfasern eine Wiedergeburt. Man kann diese fröhliche Fußbekleidung in allen Farben und mit wilden Mustern bekommen, sie werden auch in Kombinationen mit neuen Kunststoffen oder recycelten Materialien hergestellt. Die schwedische Firma nature macht beispielsweise Schuhbänder aus Plastikflaschen. Und die von Komodo aus organischer Baumwolle und Leinen hergestellten Sandalen werden mit alten Reifen besohlt.
Derzeit gibt es leider noch wenig nachhaltig hergestellte Schuhe in den Geschäften. Aber online kann man sie beispielsweise bei Waschbär, Hessnatur, grundstoff.net, fairtragen.de oder oekoschuhe.de bekommen.
Foto: Hanswerner Kruse
HINTERGRUND
„PETA-Ermittler besuchten das Armutsviertel Hazaribagh in Dhaka, in dem sich tausende Menschen – auch Kinder – in 150 Gerbereien schinden. Barfuß stehen sie in giftigen, mit Chrom belasteten Abwässern und arbeiten unmittelbar mit Säuren und Laugen, die chronische Hauterkrankungen und sogar Krebs auslösen können. Erschreckende 90 Prozent der Gerbereiarbeiter sterben vor Erreichen des 50. Lebensjahres. Diese Chemikalien lösen sich beim Transport der Tierhäute um den Globus und bei deren Endfertigung in China, Italien oder Indien nicht einfach auf.
Verbrauchermagazine wie Stiftung Warentest und Öko-Test stellen regelmäßig gesundheitsschädliche Konzentrationen von Chrom (VI) in Kinderschuhen, Jacken und Handschuhen aus Leder fest. Bereits eine halbe Million Menschen in Deutschland sind an einer chronischen Chromallergie mit schweren Hautausschlägen erkrankt. Hinzu kommen Funde des krebserregenden Konservierungsmittels Formaldehyd oder des verbotenen Antischimmelmittels DMF. Durchschnittlich weist jedes dritte Lederprodukt zu hohe Konzentrationen aus diesem Chemiecocktail auf. Der Verbraucher trägt sprichwörtlich das Risiko.“
(Quelle Tierschutzorganisation PETA)