Drei Meldungen innerhalb eines Monats zu Europa (und zur Welt) mussten uns unmittelbar berühren (Artikel der FR)
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - 1. „Spekulanten kommen davon“ , hieß die Nachricht in der Frankfurter Rundschau (FR) am 17.8.2014.
Nach schon so langem Hängen und Würgen droht die Finanztransaktionssteuer, die ohnehin Schmächtige, verwässert, ja unkenntlich gemacht zu werden. Finanzminister Schäuble, der Zaghafte, rechnet schon bereits nicht mehr mit kalkulierten Milliarden aus der Finanztransaktionssteuer für seinen Haushaltsentwurf. Als Fehlleistung der Politik deutet sich an: Nicht die digital beschleunigte Spekulation im Milli-Sekundentakt, die so treibend, bis zum immer wieder möglichen Crash, wirkt, soll mit einer Quote belegt werden (war ohnehin denkbar gering geplant), sondern ausgerechnet nur Aktien und Anleihen, also gerade die Papiere, die vielfach der Langzeitversorgung dienen: Einzelner – des kleinen Mannes sozusagen – und dem damit korrespondierenden Agieren der Pensionsfonds (dahinter auch: Lebensversicherer).
Wieder war dies ein Sieg der Lobby. Aber sogar die EZB mischt im Feldzug gegen die europäischen Gemeinwesen mit, die bereits genug durch den Casino-Kapitalismus schwer geschädigt wurden. Wobei zu bedenken wäre: alles, was von den Wett-Zirkeln verschoben wird, wurde durch die real-wirtschaftlich Arbeitenden und Tätigen erwirtschaftet, gehörte also eigentlich diesen.
Die Politik kommt – allerdings weltweit – einfach nicht in die Gänge. Sie lässt sich von einer mächtigen Lobby am Nasenring herumführen. Die Geldverwalter im Tempel des Kapitals – ein Euphemismus wenngleich - haben die Welt im Griff.
Die Designerin der unglaubwürdigen, komplexen strukturierten Wertpapiere, der synthetischen CDO* (sie handelte auf Bestellung), Desiree Fixler, sagte später: „Ich bin nicht mehr im Geschäft und viele andere sind weg, aber ich glaube nicht, dass man dazugelernt hat“ (in: „Banken außer Kontrolle“, hr-Fernsehen 15.7.2013).
Das gilt wesentlich und gerade auch für die „rettende“ Politik, die sich immer wieder wie in einer Anästhesie, einem Schockzustand, befindet. Der Politik fehlt einfach so etwas wie Rückgrat. „Der Kapitalismus entwickelt sich zu einem Moloch...Politik und Ökonomie bilden zweierlei Teilsysteme, die unter sich das Geschäft ausmachen“ (Prof. Peter-Alexis Albrecht, Strafrechtsexperte, in: “Die Macht der Finanzlobby“, ARD 12.9.2010).
*Credit Default Swaps, Kreditausfallversicherungen, Hypotheken zu Bündeln verpackt – und dann
wieder verkauft; and so on.
2. „Mit der Lizenz zum Steuersparen“ (FR 30.7.2014)
Berüchtigt wurden die Steuerverkürzungs- und Steueroptimierungs-Modelle der Großunternehmen, z.B. die Variante mit dem Lizenz-Konstrukt „Lizenzbox“, das, in Steuerschlupf-Oasen verlegt, riesig Steuern am heimischen Fiskus vorbei schleust, um sie der Infrastruktur und den berechtigten Ansprüchen der in den gelinkten Ländern Arbeitenden und Lebenden vorzuenthalten. Die Großkonzerne nutzen die Infrastrukturen und Einrichtungen der Länder, entziehen sich aber trickreich der notwendigen Finanzierung dieses Sozial“kapitals“.
Was in der Patentbox landet, ist steuerlich privilegiert. Auch einer jener Fälle von Durchbrechung eines einheitlichen Steuersatzes, der keine Ausnahmen zulassen dürfte. Es war vielfach in privaten Gesprächsrunden Gegenstand der Diskussion, dass Unternehmen wie Ikea, Google, Starbucks, Amazon sich dieses und anderer billigen, aber üblen Tricks der legalen, wenn auch illegitimen Steuerhinterziehung bedienen. Auch der Name Bono (von U2) fiel schon im Zusammenhang mit dem dubios eingesetzten Begriff „Lizenzen“.- Beispiele für Steueroptimierung: Gewinn von Google 2010, außerhalb USA: 5,8 Mrd $., effektiver Steuersatz: 3 %. Oder: Gewinn von Apple 2011, außerhalb USA: 36,8 Mrd $, Steuersatz: 1,9 % (lt. „Monitor“ 9.12.2012).
Absurder Weise, da die vorherrschenden Herren der EU sich nicht einig sind, weil sie um ihre nationalen Privilegien eifersüchtig bangen, ist nun daran gedacht, sich von deutscher Seite selbst in dieses Modell einzuklinken, sich ihm hinzugeben, zumal es in durchaus bürgerlich geführten Ländern (z.B. Luxemburg, Belgien und Niederlande) – also nicht nur in aasenden Steueroasen wie Bermudas oder Cayman – europaweit verbreitet ist. Das „Modell“ dient dem Steuerunterbietungs-Wettbewerb von Staaten – wohlgemerkt - die sonst als zivilisiert, bürgerlich und rechtlich ok gelten und angeblich gern zum „Einigen Europa“ zusammen wachsen würden.
Indem nun Schäuble wieder mal einen auf zahm macht (seinen Untergebenen gegenüber ist er es allerdings weniger), weil er eben nicht mal voll auf den Tisch der Führenden-Herren-Weltbestimmer-Zirkel im Dienst von Reichen und Mächtigen zu hauen vermag (wie er das auch schon nicht neben Ackermann in der „Initiative Finanzstandort Deutschland konnte)*, zieht er den Fuchsschwanz ein und denkt daran, sich nun selbst an diesem erpresserisch angelegten Steuerhinterziehungs-Modell zu beteiligen, sich ihm zu unterwerfen. Er will das Modell imitieren. Dürftige Rechtfertigung ist, mit den Einnahmen der Schäubleschen „Patentbox“ tatsächlich nur Forschung zu finanzieren. Die Großkonzerne indes könnten Forschung selbst bezahlen. Im Unterschied zu den Pionier-Schmieden bekamen sie nämlich ohnehin stets dicke Batzen Geld vom Staat hinterher geworfen. Manche Entwicklung – vom Steuerzahler finanziert - verschwand aus unerfindlichen Gründen in den Schubladen.- Prinzipienlosigkeit, Dein Name ist Finanzminister.
Das Ding mit den über die Landesgrenzen ausgelagerten „Patent-Boxen“, an deren Ende schließlich Briefkastenfirmen, „Treuhandgesellschaften“ auf den Bermudas oder den Caymans stehen, gehört zum umfassenden Komplex der Steuerflucht- und Steueroptimierungs-Praxis. Die multi-nationalen Großunternehmen wenden sich in erpressender Weise gegen Staaten und Gesellschaften und spielen sie gegeneinander aus. Die politische Kaste bleibt weiterhin das Instrument, das sich hierzu einsetzen lässt.
Könnte es nicht dereinst sein, dass die Politik der Länder der Welt sich weltweit einig wird, um diesen Erpressungen ein Ende zu bereiten?
* „Die Macht der Finanzlobby“, Kontraste ARD, 26.8.2010
3. „Gefangen im Elend“ (FR 27.8.2014)
„Für Millionen europäische Jugendliche ist die Situation am Arbeitsmarkt aussichtslos“.
Die Arbeitslosenquoten von Jugendlichen in Südeuropa sind riesig (7,5 Mill. junge Europäer), man fragt sich, wie halten die das aus, ohne richtig ärgerlich zu werden. Schließlich geht das Problem auf die Taten der Erwachsenenwelt zurück.
Vorweg gesagt: Der Artikel der FR (fußend auf Angaben des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW) fokussiert zu sehr auf das Verwalterische, die Ebene der Arbeitsamt-Denke. Er führt Ungünstiges, Widriges wie - im wesentlichen - praxisferne Bildungswege, Verschulung, ineffektive Arbeitsverwaltung, das Fehlen von Deregulierungen des Arbeitsmarkts, also traditionellen Kündigungsschutz und geringe Kündbarkeit an. Er plädiert für flexible Tarifverträge, also wohl für Leichtlohn-Gruppen, im Kern. Aus dem Artikel spricht ein Misstrauensantrag an die Jugendlichen. So mustert der kalte abschätzige Blick die Jugend, die da so herum wuselt und protestiert.
Die Anmahnung des dualen Ausbildungswegs als wesentlicher Teil einer Lösung ist hingegen voll berechtigt, man fragt sich, warum gibt es das nicht in jedem europäischen Land, obwohl es doch das Nächstliegende im Praktischen wäre. Hätte man man das nicht schon längst in Europa genügend kommunizieren können?
Zwar führt der Artikel die Wirtschaftskrise mit als Grund der Misere an. Die Wirtschaftskrise war aber „nur“ Teil einer weltweiten Finanzkrise, deren Dimension alles andere als Wirtschaft im Sinne eines rechtschaffenen Werte-Schöpfens war. Das realwirtschaftliche Schaffen und Erzeugen wurde durch den Finanz-Crash ausgebremst. Finanzen killten reale Wirtschaft (fast). Deutschland kam besser weg, weil es die – sozialstaatlich finanzierte - Kurzarbeit hatte.
Eigentlich stecken in jungen Menschen doch Potentiale, oder? Die aber muss man heben, herauskitzeln, ihnen Förderung erteilen, sie sich auch eigenständig entfalten lassen, nicht nur allein aufs Wirtschaftliche hin gemessen. Wirtschaft wird in der gelingenden Gesellschaft gemacht; nicht umgekehrt. Wirtschaft wäre am besten nur Nebenprodukt einer sorgsam eingerichteten Gesellschaft.
In Deutschland wurde zu Schröders Zeiten kaum investiert (auch durchs Ausland). Das kam dadurch, dass die Entwicklung, die dann in die spanische und irische Immobilienblase - inzwischen geplatzt - einmündete, stärkere Anziehungskraft für „Investoren“, d.h. Spekulanten hatte, als echte Investitionen im europäischen Raum. Nun hatte Spanien den Schwarzen Peter bekommen, aufgrund der Folgen des Crashs der Immobilienblase. Können die Jugendlichen etwas dafür? Wohl kaum.
Wenn die Finanz-und Wirtschaftskrise nicht gewesen wäre, dann könnte es heute in den südeuropäischen Staaten für Jugendliche viel besser aussehen. Entscheidend ist ein Wirtschaftssystem, das fair, rechtlich und demokratisch arbeitet und sich nicht mit zockenden Anfällen selbst abschiesst.
Der FR-Artikel bläst zu sehr ins neo-liberalistische Horn.