Denn sie wissen immer noch nicht, was sie tun – oder nicht tun, Teil 1
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Geschäft nicht verstanden, aber doch zugestimmt“ hieß es bei der ARD. „BANKEN ZOCKEN WEITER“ bei Frontal am 21, 8.4.2014 und
„Schattenbanken-Lobby“ – „unregistriert“
„123 Mill. Euro Budget“ - der Banken-Lobby in Brüssel
„Es gibt noch Leichen im Keller“
Das Grund-Modell
An Marx orientiert könnte das Diktum lauten: Ungleichgewichte beherrschen die Welt. Und eben diese wachsenden Ungleichgewichte sind das physikalische Problem, das zu einer Entladung drängt.
Täglich rasen Billionen marodierendes Geld, das sich von den eigentlichen Inhabern gelöst hat, um den Globus. Spieler spielen mit dem Geld anderer, um der Arbitrage willen. Es hat auf diese Weise keinen Nutzeffekt für die Gesellschaft, außer einem zerstörerischen Spiel, von wenigen betrieben. Was passiert? Warum werden die Unsummen herum gejagt? Gäbe es nichts Sinnvolleres zu tun, von mathematisch Begabten? Passiert's aus langer Weile, aus Überdruss, aus Bosheit?
Wenn es nur ein Spiel wäre, wie Monopoly. Es ist aber bitterer Ernst für viele, z.B. in Bangladesh, dem Hungerlohn-Arbeitslager, das mit aus Menschen heraus gepresstem Kapital auch die Finanzmärkte speist. Es gibt tatsächlich Leute, die nehmen Monopoly als realistische Anleitung.
Heide Simonis war bis 2005 Aufsichtsrätin der HSH-Nordbank und mit zuständig für die Verluste der HSH-Nordbank durch den Totalcrash der amerikanischen Lehman-Papiere, die die Bank im Bestand hatte. Nach dem Totalverlust meinte sie: „Wir haben es damals nicht besser gewusst“ (in: ZOCKEN BIS DER STAAT HILFT“, „Reißt uns die Finanzindustrie in den Abgrund?, ARD 14.9.2010 (1).
Peer Steinbrück, der das Fehlverhalten in der Finanzkrise zunächst allein den Amerikanern zuschreiben wollte, obwohl man hierzulande die toxischen Papiere, insbesondere seitens eines Teils der Landesbanken, mit offenen Armen aufnahm und geradezu nach ihnen gierte, sagte nach dem Fall von Lehman: „Amerikaner fingen an, das wahnsinnige [!] Geld, das im Markt war, den Leuten anzudrehen [erinnert uns das nicht an die heutigen Griechen], damit sind sie buchstäblich, fast mit Drücker-Kolonnen von Haustür zu Haustür gegangen und haben gesagt: 'wollen Sie nicht Eigentum erwerben?'“
Geldgebirge und Geldsenken
Es gibt zu viel Geld auf der Welt, mit dem wenig Sinnvolles angefangen wird, abgesehen von spekulativen Calls und Puts, ein Wetten auch mit Werten des Feststofflichen (z.B. Rohstoffen und Nahrungsmitteln) und allem, was sich nur irgendwie dazu eignet. Die Sportwetten-Läden sind das Casino der faktischen Underdogs. Mit den gebirgig aufgeschichteten Geld-Volumina des großen Geschäfts werden die gegenwärtigen Gesellschaften weiterhin nach Strich und Faden gequält, durch einen Stress-Test geschickt, sie sind in einem Versuchslabor fest gezurrt (aktuelles Buch: „Wirtschaft boomt, Gesellschaft kaputt, Eine Abrechnung“ von Löpfe, Vontobel, 2014). Ein Knüppeln und Druck-Machen auf die Ehrliche-Arbeit-Gesellschaft ist im Gang, der tatsächlich noch die Werte schöpfenden. Eigentlich geht es gar nicht mehr um Arbeit, Sinn stiftende Tätigkeit. Schneisen der Zerstörung graben sich in die Gesellschaften.
Es ist das Geldvermögen der Finanzelite (im weitesten Sinn) mit der Betonung auf Finanz. Für die Finanz-Kaste gibt es kaum eine angemessene Bezeichnung. Deren Spiel ist nur sinister. Sie hat kaum Gesichter. Ein wenig ist in der gigantische Geldmasse auch Zurückgelegtes der Kleinen Leute in Umlauf, die ein bisschen was gespart haben und deren kleine Guthaben und mini-verzinsten Anlägelchen im großen Geldwust mitspielen dürfen und als unerheblich verschwinden (was sie aber nicht sind). Manche der Kleinen meinen, dass auch sie so etwas wie kleine Kapitalisten sind, die am großen Spiel teilnehmen. Diese Denkweise bedingt einen sehr das systemische Finanzgebilde stabilisierenden Mechanismus.
In der großen Masse ist es aber Kapital aus Geld, das die politisch gewollte Umverteilung von den ehrlich Arbeitenden, dem Mittelstand zumal, weg über zwei, drei Dekaden abgezogen hat (durch Steuersenkungen für Unternehmen, Kapitalgesellschaften, Kapitalbesitzer und Spitzenverdiener) und das die unteren und mittleren Gruppen der Gesellschaft lange kaum mehr erreichte (als auskömmliche Löhne und Gehälter). Das Niedriglohn-Segment (ein Viertel des Arbeitsmarktes ausmachend) entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Stand der frühen Achtziger, was Einkommen angeht.
Daneben wurden auch die Arbeitslosen von immer weniger Real-Zuwendungen für ihr bloßes Überleben erreicht, abgesehen von Steigerungen, die ohnehin kaum drin zu sein schienen. Eine Billion (billiges Geld auf „die Märkte“ gespült, um Zeit zu gewinnen) contra Zank um die 5 Euro Hartz IV-Erhöhung, das markiert den „Qualitäts-Zustand“ unserer Gesellschaft. Seit den Achtzigern begann ein Enteignungs-Programm zu laufen. Dem wachsenden Geld-Blasen-Geld stand immer weniger ein ausgleichender Geldbestand aus Arbeitseinkommen gegenüber. Und mit dem Geldblasen-Geld wurde ins Geld-Casino gegangen und hemmungslos spekuliert, auch gegen Staaten.
Mit einer Art Paradigmen-Wechsel - zum Schaden der funktionierenden Gesellschaft - kam ein Finanzialisierungs-Hype in Gang, der seinem Wesen nach sich ausdrücklich immer mehr gegen die Gesellschaften richtete, sie unter Druck brachte und sie aus dem Spiel scheuchte. Ziel der Finanzialisierung war, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Als ob man Geld auch essen könnte, wenn es gespeichert würde.
Aus Finanz-Wahn wird aus Firmen raus geschmissen, dauernd umstrukturiert, d.h. umgekrempelt, um des kurzfristigen Zahlungsmittelüberschusses (Cash-Flows) wegen „abgebaut“. Auch (Projekte) zurück gepfiffen, Kosten manisch eingespart, selbst echte, langfristig produktive, und gegen die Gesellschaften gezockt und gewettet, z.B. gegen Griechenland mit den CDOs, die nur noch der Spekulation dienten, sich verselbständigt hatten. Man muss die Papiere nicht mal mehr besitzen! Ein abgründiges Spiel der Perversität.
Was das Geld in dieser Weise bedeutet, warum es so eingesetzt wird, das zu erklären wäre Sache der Sozial-Psychologie, einer Sozialtherapie, die zu begleiten anfängt, und der Gerichte, die für die Beurteilung und Aburteilung effektive Gesetze bräuchten. Zuweilen wäre die Behandlung auch Part der Pathologie. Dadurch würde es möglich, die Angeklagten auch medizinisch zu verstehen. Der Autor plädiert für eine sozialpsychologische Erklärung, die den Krankheitszustand implizit mitdenkt.
Nach dem Fast-Desaster 2008 (für viele war es auch ein volles, z.B. für Arbeiter, die Lehman-Papiere im Depot hatten, davon aber nicht mal wussten, und Totalverlust erlitten) tat die Politik kund:
„Wir haben Zockerei erlebt, Gier, Casino-Kapitalismus“
„Jedes Finanzprodukt muss einer Regulierung unterworfen werden“
„Wer ein Risiko eingeht, haftet auch für das Risiko (Verluste), nicht der Steuerzahler“ und
„Finanzmärkte haben den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt“
Angela Merkel 2008/2009
(gezeigt in: „BANKEN ZOCKEN WEITER“, frontal 21 8.4.2014 (4) , Fortsetzung folgt.
Fußnoten:
(1) „Zocken bis der Staat hilft. Reißt uns die Finanzindustrie in den Abgrund?“ ARD,14.9.10
(2) „Die Macht der Finanzlobby“, Kontraste ARD, 26.8.2010
(3) „Banken außer Kontrolle – wie die Politik uns in die Krise führte-, hr_Ferns. 15.7.2013
(4) „Banken zocken weiter“, frontal21, 8.4.2014
Tip: Philipp Löpfe, Werner Vontobel, Wirtschaft boomt, Gesellschaft kaputt, Eine Abrechnung, Zürich, orell füssli Verlag, 2014
ISBN 978-3-280-05534-2