'Wie weit trägt die EZB-Geldschwemme?' - Konjunkturfrühstück der Commerzbank

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es ist immer wieder ein Spiel, das mit den normal Sterblichen gespielt wird: zu jedem Quartal will uns die Volkswirtschaft weiß machen, dass das, was vorgehe, so etwas wie der gesetzmäßige Weltlauf sei, dem nur noch ein klein wenig Interpretation hinzuzufügen sei; dabei ist er ein gewordener und ein durch Machtverhältnisse hergestellter.

 

Es gibt noch eine Story zu erzählen zum Spiel mit den Schachfiguren auf dem Schachbrett.

 

Eigentlich müsste zwischen den europäischen Staaten eine ungefähre Balance des Wettbewerbs herrschen, wenn denn nun schon alle ein Europa sein wollen. Es ist degradierend, dass die Politik, speziell die deutsche, im nationalen Egoismus verharrt und bedenkt man auch Zonen der unsäglichen Steuerverkürzung wie mit Hilfe der Niederlande. Dass nicht wenigstens ein begleitetes Übergangsjahrzehnt für die anzustrebende Balance reserviert wird, um angenäherte Verhältnisse herzustellen, spricht Bände für den Zustand des Projekts. Speziell die deutsche unkooperative Überheblichkeit ist ein Dauerproblem.

 

Gleichwohl, nicht eine Balance an der unteren Kante braucht es, an der die europäische Völkergemeinschaft anlanden könnte, sondern eine solche der anspruchsvollen Projekte und des höchsten Einsatzes auf den Feldern Energie, Agrar, Verkehr und Bildung. Beispiel: Die Verkehrspolitik hat ein Klimaproblem, ein Zuviel an fossiler Motorisierung, die überwiegend ungenutzt – oder lange im Stau - steht, ist ein ökonomisches Unding, bedeutet wachsende Natur- und Landschaftszerstörung und ist totes Kapital. Die Erde verträgt keine deutsche Autokultur im globalisierten Maßstab.- Fähigkeiten warten auf Einsatz, aber sie liegen brach aus Gründen des Egoismus der Lobby. Piech weiß, warum er ungehalten wird - wird sein beschränktes Modell der 'Esjuvies' ewig gelten?

 

 

Problem: Haushältermentalität nach altbackenem Vorbild

 

Das Problem geht nicht von Griechenland aus, sondern von Deutschland (Phoenix-Runde 13.05.2015 zu 'Grexit'). Der schwäbische Hausmann und die brandenburgische Physikerin haben Europa auf einen Schrumpfkurs geschickt. Nettoinvestitionen werden durchweg von Ökonomen aller Lehrmeinungen gefordert, Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Die Klimaproblematik verträgt, wie gesagt, keinen Aufschub. Chancen durch Investitionen in die Zukunft werden durch die Wahnidee 'Schwarze Null' vereitelt. Es wird krankhaft gespart, obwohl eine kalkulierbare zukünftige Wirtschaftsleistung die aufgenommene Staatsschuld rechtfertigt. Die Ökonomie des Weltgroßraums verträgt keinen geizigen Haushälter.

 

 

Am Periodenwechsel

 

Der Konjunkturreport am 8. Mai in der Spitze der Commerzbank verzeichnete günstige Frühindikatoren für Italien (höher als für Deutschland), besonders, was die Exporte des Landes in die USA angeht (Plus von 38%). Die USA sind im 1. Quartal nicht gewachsen, droht nun eine längere Schwäche? Auf Saisonbereinigung wird gesetzt. Banken verdienen mehr als vor der Krise. China hat ein Überangebot an Immobilien (im Bau), es bedarf mehrere Jahre großer Korrektur. Preise fallen, denn der Überhang ist gewaltig.- Das 'Nachfragewachstum aus Emerging Markets' ist 'zuletzt eingebrochen'. Griechenland hat nicht genügend Masse für ein Bail-in. Für Deutschland sagte der Report: Investitionen steigen nicht – was tut der Staat aber? - Moody´s schlägt vor: Staat fit machen! Eine Rezession kann Bruch bringen. Produktion, Wirtschaft ist unterausgestattet. Es ist weniger Produktion als vor Ausbruch der Krise, die Gegenbewegung kann sich Jahre hinziehen.

 

Vom 'Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands' würden Jüngere profitieren – aber kann denn ein Überschuss in die Zukunft gerettet - transferiert werden? Fördern wir nicht Ungleichgewichte, die auf uns zurückfallen?

 

Die Krisenstaaten wie Spanien und Portugal sind keine mehr - 'Lohnexzesse rückgängig gemacht'. Ein Reformdurchbruch stehe noch aus. Was ist darunter zu verstehen? - Kann denn die hohe Jugendarbeitslosigkeit Spaniens von mehr als 50 Prozent durch weitere Einschnitte - bei gleichzeitig mehr Wachstum - überwunden werden? Das Sozialpartnerschaftsmodell Frankreichs macht es schwierig, die entsprechenden Systeme zu öffnen (Paris steht umgehend Kopf, wenn überzogen wird). Schröder hatte 'Grassrootdeals' (von oben) hinbekommen, aber Ungleichheit gefördert.- Was USA angeht: wird die Zinswende kommen? Nervosität ist angebracht, wenn das 2. Quartal schwächelt. Dann könnte die Zinswende nochmal ausbleiben. Aber: 'der Glaube' bleibt in USA.

 

Die Frage war: „Wie weit trägt die EZB-Geldschwemme?“.- 'EZB: Banken nutzen Liquidität überwiegend nicht' - aus dem Verkauf von Anleihen an die Notenbank für Kreditvergabe an Unternehmen - zu Zweidritteln 'praktisch nicht', in den kommenden 6 Monaten. Kurse an den Finanzmärkten steigen, 'spekulative Anleger'. Andere Bewegung wird aber kommen. Trotz des niedrigen Zinses: das Risiko von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise.

 

Die amtlichen Konjunkturdaten der Statistik deuten (fürs zweite Quartal) an, dass auf die deutsche Wirtschaft möglicherweise etwas zukommt, was 'innen' gemacht ist, aber auch längerfristig von außen zurückfällt - aus Gründen, die politisch verursacht sind. Wir sind nicht so unverletzlich wie wir meinen. Der Deutsche Aktienindex hatte starke Ausschläge. Er ist für normale Verhältnisse nicht seriös.- Konzerne strukturieren vielfach um in kaputt.

 

Bezogen auf das Vorquartal: Deutschland fällt im Wachstum zurück (von 0,7 auf 0,3), Spanien und Frankreich – letzteres ohnehin schon besser im Wachstum gewesen – 'erholen sich' mit einem Wachstum von jeweils 0,9 und 0,6. Italien hatte mit 0,3 Prozent Wachstum das erste seit 2013. Die Eurozone wuchs um 0,4 Prozent. Großbritannien steigerte mit 0,3 Prozent, die USA erreichten nur 0,1. Deutschland profitierte konjunkturell vom gestiegenen privaten Konsum. Die Löhne konnten gesteigert werden, die Inflation ging nur um 0,1 Prozent nach oben und erreichte 0,5. Auch der billige Ölpreis begünstigte den privaten Konsum. Es gibt also in Europa Sonderfaktoren wie den gesunkenen Euro, der die Exporte für das Ausland billiger macht. Dennoch ist das Klima weltwirtschaftlich eingetrübt, es fehlt an Schwung. Die EU-Kommission kritisierte den hohen Leistungsüberschuss Deutschlands und möchte eine Erhöhung der staatlichen Investitionen, damit nicht auf Kosten der Zukunft gekartet wird. Weiter zurückgeworfen wurde Griechenland, es fiel um weitere 0,2 Prozent zurück. Hier liegt der Hund begraben.

 

 

Ein Fazit in versuchter praktischer Erkenntnis

 

Wir existieren permanent in Zwischenzuständen, denen jeweils etwas Prekäres anhaftet, eigentlich leben wir in einem selbstgemachten Fegefeuer, das unsere Erstchargierten emsig weiter treiben. Die Lobbyisten sind die stille Macht. Die EZB steuert 'gegen' mit Masse, aber nicht durch Qualität. Ein armseliger Zustand.

 

Wir leben in der Folgeära der weltweiten Wirtschaftskrise, die 2008 durch die kollabierte Blasenökonomie ausgelöst wurde. Diese absurde Ökonomie wurde mit Geld aufgepumpt, das - auch durch Politik vermittelt - von den Arbeitenden zu den Unternehmen gelenkt worden war. Die Unternehmen investieren zu wenig, sie horten. Es schaut im Euroraum nicht ganz schlecht aus, aber es droht die Problematik des überreichlichen, fehlallokierten Geldes, verstärkt durch die lockere Hand der EZB. Stets werden Staaten ihrer Schulden geziehen, aber progressiv wachsende Vermögen wollen angelegt sein. 'Die Finanzmärkte haben im letzten Jahrzehnt Billionen in den Sand gesetzt' (Peter Bofinger).

 

Die deutsche Regierung leistet sich eine Ignoranz in Europa nach dem Vorbild: 'Wir sind wieder wer' und 'am deutschen Wesen soll Europa und die Welt genesen'; dabei hat Europa geradezu ungeheure kulturgeschichtliche Potentiale in all seinen Landstrichen, - wenn nur die Entscheidungsträger wirklich darum wüssten - , Antriebskräfte für eine vorsorgliche und Zukunft gestaltende Wirtschaftstätigkeit sind reichlich vorhanden. So wie die deutsche Politik versucht, die anderen europäischen Staaten, respektive Griechenland unter die Knute der Auszehrung zu zwingen - mit Sparen, Kürzen und Abbau von Menschenrechten der Arbeit - kann es nicht funktionieren. Es ist wieder eine vorzeitlich-archaische Praxis in Mode. 'Nebenbei': die deutsche Vernichtungspolitik Hitlers hat noch heute 'Spätwirkungen'. Europa bleibt dadurch in gewissem Sinn regrediert. Wann war denn Deutschland Wissenschaftsstandort Nr. 1, der es nie mehr geworden ist ? Das war es, bevor Hitler die Größten vertrieb oder vernichtete und Millionen tötete. Auch Sinti und Roma - und 'Graecia' - sind bis heute Opfer deutscher Politik, nur will keiner zurückblicken.

 

Allein mit Kürzen und Abbau werden Chancen vertan. Auf diese Weise soll die Krise, die von wenigen verursacht wurde, von den einfachen Sterblichen bezahlt werden. An Griechenland wird dieses Exempel in Ersatzhandlung exerziert. So wie mit Griechenland umgegangen wird, kann es nicht funktionieren. Griechenland ist auch eine Drohung an die übrigen.- Die 'innere Deflation' Griechenlands, verursacht durch die Kürzung von Renten und Löhnen und den Abbau sozialstaatlicher Leistungen, verhindert jenen primären Überschuss, der Schulden bei den Auslandsbanken abtragen und Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum steigern könnte. Das von Deutschland angeführte Verarmungsprogramm ist europaweit gescheitert. Es musste gnadenlos scheitern, wie auch die angelsächsische Volkswirtschaftslehre vertritt. Es war nur das Programm des schwäbischen Hausmeisters. Was für Griechenland gilt, gilt abgestuft auch für Deutschland (Niedriglohnsektor, HartzIV).

 

Deutschland hat sich nicht an die vereinbarten der Regeln der EZB gehalten. Es hat mit Schröders Politik der Lohnsenkung und des Sozialabbaus den Wettbewerb in Europa unfair gespreizt und damit ein Ungleichgewicht erzeugt. Hinzu kam die Crash-Ökonomie, die den Irrweg verstärkend hat hervortreten lassen. Es hat sich nicht an das Inflationsziel der EZB von 2% gehalten, Deutschland ging nach unten, Griechenland - nur die Spitze der heutigen Verwerfung, nicht das eigentliche Problem - ging nach oben. Verstoßen wurde gegen den Grundsatz einer vernünftigen Balance zwischen europäischen Partnern. Will ein Land wettbewerbsfähiger werden, um wieder hoch zu kommen, muss ein anderes im Wettbewerb zurückstecken. Die Waage ist das Bezugsmodell, es können nicht beide nach oben gehen - und es funktioniert doch. Das Modell der Waage ist ein relatives Konzept, eine Alternative hierzu besteht nicht. Es braucht auch keine Alternative, wenn fair gehandelt wird. Warum kann Frau Merkel, die Physikerin, das nicht begreifen? Problem daher: es gibt in Europa keine gemeinsame, auf einen Ausgleich bedachte Wirtschafts- und Finanzpolitik. Europa reibt sich, von Deutschland ausgehend, im Kleinteiligen und in der Eifersucht auf. Die populistischen Strömungen sind ein Warnzeichen. Die Austeritätspolitik entspricht dem neoliberalen Projekt der Abwicklung der Gesellschaft.

Foto:(c) commerzbank

Das ist ein Werbefoto der Commerzbank, das die Beweglichkeit und Ausdauer der Bank zeigen soll, das dadurch aber auch gleichzeitig sagt: "Zieh Dich warm an, wenn Du es mit uns zu tun bekommst."