67. Frankfurter Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober, Eröffnungspressekonferenz Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Smart war er immer schon, Juergen Boos, der nun seit elf Jahren Chef der Frankfurter Buchmesse ist, und sich nun aufmacht, über das Lese- und Verkaufsgeschäft hinaus, das Wort als das seit spätestens der Aufklärung als freies Wort zu hütenden Schatz zum Wesensgrund der alten traditionsreichen Frankfurter Buchmesse zu machen. Die Einladung an Salman Rushdie läutete das ein, was man Paradigmenwechsel nennen könnte.

 

Warum es doch (noch) keiner war, hat damit zu tun, daß die Eröffnungspressekonferenz mit wahren und wahrlich starken Worten in gewissem Sinn isoliert im Geschehen der Buchmesse steht. Obwohl es einige kritische Veranstaltungen zur Lage der Welt gibt, haben diese doch keinen derart öffentlichen Charakter wie es die kurze, aber durchschlagende Wirkung des Kommens und Redens von Salman Rushdie war. Aber wir nehmen das als Auftakt, daß im nächsten Jahr die weltweit größte Buchmesse auch als größtes aufklärerisches Potential für die Welt da steht.

 

Für diesmal hatte Boos an die aktuelle Lage angeknüpft: „In den letzten Tagen wurde weltweit viel berichtet über den Auftritt von Salman Rushdie bei uns sowie über den iranischen Boykott der Frankfurter Buchmesse. Ich möchte Ihnen sagen, daß ich nicht froh bin über den Boykott des Irans. Denn damit geht einher, daß wir eine weitere Gelegenheit verpassen, un mit den iranischen Kollegen auszutauschen.“ Das ist noch alles Bericht. Aber dann wird Boos deutlich: „Es gibt den einen zentralen Aspekt der menschlichen Zivilisation, der für mich nicht verhandelbar ist. Das ist die Freiheit des Wortes, die freie Meinungsäußerung. Über alles andere soll man nicht nur, man muß darüber reden.“

 

Elegant bezog Boos das jüngste Werk von Salman Rushdie, „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ in seine Ausführungen ein. Es geht bei besagter Stelle um den Geist des Philosophen Ibn Ruschd, der zu seinem ebenfalls lange verstorbenen Widersacher sagt: „Die Hindernisse von Zeit und Entfernung stellen kein Problem mehr da“, sagte er zur Begrüßung zu seinem Feind. „Da können wir die Dinge diskutieren, wo wie es sich gehört. Höflich im Umgang mit dem Kontrahenten, aber hart in der Sache.“

 

Das führte der Buchmessendirektor direkt fort, indem er darauf verwies, daß es die Aufgabe der Literatur sei, zu stören. „Sehen Sie Rushdie an. Er stört mit seiner Literatur. Die Verleger müssen auch stören. Sie müssen gedankliche Stolpersteine herstellen. Mit ihrem Programm, mit Mut zur Kontroverse.“ Wenn er dann sagt: „Machen wir uns nichts vor, wir haben uns geistig sehr gemütlich eingerichtet. Wir wähnen uns hier auf der richtigen Seite der Mauer. Diese spezifischen Mauern nennt man auch Schauklappen. Sie bewahren uns vor Unbequemlichkeit und den Gefahren einer klaren Stellungnahme. Gleichzeitig können Sie zu Fehleinschätzungen führen und uns zu Mittätern machen.“

 

Warum das starke Worte sind, die geradezu konträr zu bisherigen Messeauftakten des Buchmessenchefs stehen, wird klar, wenn man sich erinnert, für was Juergen Boos in den letzten Jahren stand: für eine Modernisierung, für Anpassung an den Weltmarkt, der in den USA liegt, wo vor allem die technologische Entwicklung diejenige war, die die Deutschen und damit der deutsche Buchmarkt nachvollziehen solle und nachvollziehen werde. Deutschland so immer 3-5 Jahre dem Trend in den USA nachlaufend, wobei insbesondere das E-Book zum Lieblingskind von Boos geworden war. Kein Wort mehr davon. Dafür die zentrale Botschaft, daß die Freiheit des Wortes und das Geschichtenerzählen von der Welt das sei, weshalb Menschen Bücher schreiben, warum Leser Bücher kaufen und lesen, warum Verlage Bücher drucken, warum Buchmessen überhaupt stattfinden. Daß Boos mit dieser Zielsetzung neuen Boden betritt, ist genauso klar, wie er keinen Zweifel daran läßt, daß es auch um Geschäfte und gute Geschäfte machen geht. Aber das ist eh Sinn und Zweck von Messen.

 

Was Boos auch andeutete und war beim ersten Messerundgang am Mittwoch schon virulent wurde, daß ist eine gehörige Umgestaltung der Messe. „Wir haben die englischsprachige Welt ins Zentrum geholt, was weitere Domino-Effekte für sämtliche anderen Hallen zur Folge hatte. Wir wollten und wollen absichtlich (!) den jahrelang eingeübten Ablauf der Messe ändern. Wir wollen mit der Nase darauf stoßen, daß es viele neue Gesprächs- und Geschäftspartner zu entdecken gibt, neu Ideen, Technologien, Chancen“.

 

Mit einem Wort: Aufbruch in neue bewegte Zeiten auf der Buchmesse.

 

 

Info über das Unternehmen

 

Die Frankfurter Buchmesse ist mit 7.100 Ausstellern aus über 100 Ländern, rund 270.000 Besuchern, über 4.000 Veranstaltungen und rund 9.300 anwesenden akkreditierten Journalisten die größte Fachmesse für das internationale Publishing. Darüber hinaus ist sie ein branchenübergreifender Treffpunkt für Player aus der Filmwirtschaft und der Gamesbranche. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet seit 1976 der jährlich wechselnde Ehrengast, der dem Messepublikum auf vielfältige Weise seinen Buchmarkt, seine Literatur und Kultur präsentiert. Die Frankfurter Buchmesse organisiert die Beteiligung deutscher Verlage an rund 20 internationalen Buchmessen und veranstaltet ganzjährig Fachveranstaltungen in den wichtigen internationalen Märkten. Mit der Gründung des Frankfurt Book Fair Business Clubs bietet die Frankfurter Buchmesse Unternehmern, Verlegern, Gründern, Vordenkern, Experten und Visionären ideale Voraussetzungen für ihr Geschäft. Die Frankfurter Buchmesse ist ein Tochterunternehmen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. www.buchmesse.de