Serie: Die Kommunale Kürzungspolitik ist durch Bund und Land vorgegeben, Teil 2
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Vortragsreihe zur Tagung 'Kommunale Kürzungspolitik in Frankfurt/Rhein-Main' wechselte zur 'Kritischen Geographie'. Gesagt werde, wir hätten 'über die Verhältnisse gelebt'. Das trifft aber nicht zu, denn wir haben unter unseren Verhältnissen gelebt.
Der wirtschaftliche Erfolg kam nicht mehr in der Gesellschaft an, sondern kreiste als erhöhter Anteil an Gewinnen der Unternehmen, steuerlich entlasteten Spitzeneinkommen und leistungslosen Einkommen in den spekulativen Finanzsystemen und deren 'Innovationen', die Norbert Trenkle 'fiktiv' nennt, weil sie nicht mehr auf der Realwirtschaft beruhen (Norbert Trenkle, 'Die große Entwertung, Über die fundamentalen Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise')
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Mit schlimmer Wirkung, wie wir aus den Jahren 2008/2009 wissen! - Hessen hatte 'keine expansiven Ausgaben', die Steigerung über zwanzig Jahre hielt sich bei zwei Prozent. 'Schlecht liegt es bei öffentlichen Investitionen', bedenkt man den skandalösen Verfall vieler Schulen, Straßen und Brücken, insbesondere ist die Bildung chronisch unterfinanziert. Lagen die Investitionen vor 20 Jahren bei 1,9 Mrd., so liegen sie jetzt in Hessen bei 1,35 Mrd. Preisbereinigung ist noch nicht durchgeführt. Mit den Kürzungen ist auch die gestiegene Wirtschaftsleistung in Beziehung zu setzen. Die Investitionen wurden über 20 Jahre halbiert. Dennoch: 'Deutschland ist Eurokrisengewinner', die Zinslast zum Abtragen der Bundesschulden sank durch die Krise. So konnten mehr als 100 Mrd. eingespart werden.
Aber: 'Trotz Kürzungen ist die Verschuldungslage schlecht'. 'Die Steuersenkungen des Bundes [bei den oberen Einkommen] haben die Kommunen erreicht', seit der Kanzler der Bosse begann auf seine unnachahmliche Art zuzuschlagen, darf man hinzufügen. Die chronischen Ausfälle haben die Haushalte geschrumpft. Folge: Es wird zu wenig in die Gesellschaft investiert.
'350 Millionen an Zuweisungen durch die Landespolitik entzogen'
Dies wurde zum Schock für die hessischen Kommunen ab 2011. Es gab 'mehrere Klagen dagegen', auch seitens der Stadt Alsfeld. Die Zuweisungen 'mussten daher neu geregelt' und 'auf Bedarfssicherung umgestellt werden'. Nach dem zweifelhaften 'Rechenwerk des Landes mussten die Kommunen weniger kriegen', es wurde 'die Stellschraube zur Vorenthaltung'. Das Gericht hielt sich in der Orientierung an: 'den Pflichtaufgaben', 'ließ leider einen Spielraum'. Übrigens: wurde denn im Nachhinein auch eine Korrektur und Erstattung verfügt?
Zu den Ausfällen, die vom Bund und der Hessischen Finanzpolitik ausgingen, kam für die Kommunen als Maßnahme der sog. Schutzschirm hinzu. Sehr klamme Gemeinden hatten unter diesen zu treten und mussten 'Auflagen' einhalten - 'Konsolidierungsaufgaben' vornehmen. Um dies zu erreichen, wurde wieder von ganz unten weggenommen: durch Erhöhung der Grundsteuer - auf Mieten abgewälzt -, Erhöhung von Gebühren u.a. bei Kitas und Friedhöfen; Kürzungen wurden in der Pflege und bei kommunalen Leistungen vorgenommen (Folge: Schließung von Schwimmbädern und Einschnitte oder Streichungen bei Einrichtungen der Daseinsfürsorge).- In Frankfurt am Main wurde am Fahrdienst für Behinderte eingespart.
Das 'Kommunale Investitionsprogramm' legt fest: Der Bund steuert 300 Mill. bei, das Land stockt auf 1 Milliarde auf bis 2019 auf. Der Investitionsstau beläuft sich auf 900 Mill., 'was angeboten wird, reicht nicht'. 'Wegen der Schuldenbremse werden versprochene Mittel unter einem Schattenhaushalt verbucht' und das, wäre hinzuzufügen, obwohl die Schuldenbremse möglichen Nettoinvestitionen keine Absage erteilt, wenn diese sich künftig rechnen, indem der Staat durch Investitionen die Chancen für die Gesellschaft wahrnimmt. Netto heißt: die Kosten sind niedriger als der Gewinn (Peter Bofinger). Die anderen Sachverständigen pflichten ihm in dieser Sache bei.
Die Linke vertritt zu Recht 'eine andere Steuerpolitik nach Leistungsfähigkeit', die progressiv dynamisch entlang der Einkommen im hohen Bereich Steuern erhöht, wobei die Steuersätze, die zu Zeiten Kohls galten, nicht weit davon entfernt lägen. Der Ökonom Piketty hat das neuerlich ebenfalls in die Debatte geworfen. Die rechte SPD hält ein solches Ansinnen übrigens für völlig abwegig. Es stand aber im letzten Wahlprogramm. Die Große Gefahr liegt darin, dass wenn nicht erheblich korrigiert wird, sich die Gesellschaft in den nächsten 3 Jahrzehnten weiter 'polarisiert und sich auseinander entwickelt', mit unabsehbar negativen Folgen für das Zusammenleben. Wir hätten außerdem mit einem neuen Feudalismus der großen wirtschaftlichen Gebilde, sprich: Konzerne und Finanzoligarchien zu rechnen. Die Gefahr, dass die Deflation sich selbst nährt (Unternehmen investieren nicht, sondern horten, die Nachfrage schwächelt), besteht weiter. Daher auch das EZB-Ankaufprogramm, das weiter angefordert wird.
Aber keine der alteingeführten Parteien wird das 'Thema Steuern' im nächsten Wahlkampf angehen. Ein Teilnehmer meinte (im Rahmen der anschließenden Diskussion): die Reichen wollten alles (zwar wohl auch die Leistungen, die eine Gesellschaft am Laufen halten und ihr Sicherheit gewährleisten), aber sie wollten möglichst nichts dafür zahlen, wobei das Zahlen auch mit einer ausgleichenden und kompensierenden Rolle der über große Geldströme Verfügenden bzw. diese besitzenden verbunden wäre.
Foto: (c) Heinz Markert
Info:
Kommunale Kürzungspolitik in Frankfurt/Rhein-Main. Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen, AK Kritische Geographie Frankfurt, attac AG Kommunen, GEW Bezirk Frankfurt, Fraktion Die Linke. im Römer Frankfurt, Fraktion Die Linke. Im MainTaunusKreis
Bürgerhaus Frankfurt-Bockenheim, Schwälmer Straße 28, Samstag, 17.10.2015
https://finanzen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdf/finanzplan_des_landes_2015_-_2019.pdf
Teil 1: http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5843:das-system-der-kuerzungen-in-den-kommunen&catid=87&Itemid=496
Teil 3: 'Sozialpolitisch liegt auch in Frankfurt am Main einiges im Argen'