Serie: Die Kommunale Kürzungspolitik ist durch Bund und Land vorgegeben, Teil 4

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Beschämend ist, dass die Stadt Frankfurt 90 Jahre nach Ernst May - er steht für das Neue Frankfurt='ein Stadtplanungsprogramm zwischen 1925 und 1930'/nach Wikipedia - nicht in der Lage ist, eine ambitionierte Entwicklungsgesellschaft für öffentlich gefördertes, bezahlbares und - Stichwort Gestaltung - menschenfreundlich geplantes Wohnen zu gründen, um anschließend das Heft der Stadtentwicklung konsequent selbst in die Hand nehmen (den spekulativ gepolten Privaten aber verstärkt aus der Hand).

 

In Wien liegt der öffentlich geförderte Anteil des Wohnungsbaus bei 70 Prozent, der private bei 30. In Frankfurt ist es umgekehrt, dabei ist humanes Bauen im Interesse der überwiegenden und bedürftigen Mehrheit der Menschen das Vornehmste, das es gibt. Warum geht das Frankfurter Baudezernat nicht in Wien in die Lehre? Will man sich keine Blöße geben?

 

 

Bauen und Wohnen wurden entsozialisiert

 

Die Lage: 'Wohnen wird immer teurer' (FR 23.09.2015'), 'Mieten steigen weiter' (FR 02.10.2015). Von 4 Millionen geförderten Wohnungen blieben bundesweit durch das Herausfallen aus der Bindung nur noch 1,5 Mill. übrig. Bund und Länder haben geförderte Wohnungen aus eigenem Bestand über die Jahre an Heuschrecken verramscht. Jetzt wird gemeldet: 'Übernahmenpoker'. Eine 'Fusionswelle', ein 'Investoren-Monopoly' um diese großen, kompakten Bestände 'besorgt jetzt den Mieterbund' (FR 23.10.2015). Es ist wieder was in Gang. Bezahlen werden es die Mieterinnen und Mieter. Das nennt man Refinanzierung. So geht man mit früherem Gemeinschaftseigentum um. Gemeinschaftseigentum verkauft zu haben ist eine der Treulosigkeiten heutiger Politik.

 

Die Stadt müsste bau-politisch und gestalterisch Flagge zeigen. Die Stadt kann in Fällen von Grundstücksverkäufen ein Vorkaufsrecht wahrnehmen und die erworbenen Grundstücke auch halten, um sie dann selbst zu verwerten. Das große Grundstück, auf dem der (spektakulär gesprengte) AfE-Turm stand, wird von der ABG Frankfurt Holding an einen Investor weiterverkauft, die Möglichkeit einer städtischen Teilverwertung wird, wenn überhaupt, nur eingeschränkt wahrgenommen. Obwohl das Gebiet Teil des Kultur-Campus ist, ein Projekt, das mit hoch gesteckten Zielen der kulturellen Stadtgestaltung verbunden war, wird es für die Stadt wohl gänzlich aufgegeben. Der in Kürze in dieser Zeitung erscheinende Artikel anlässlich eines Rundgangs des Vereins Zukunft Bockenheim, einer Stadtteil-Mieter-Initiative, wird dieses Thema anhand noch weiterer Beispiele aufgreifen.

 

Das neue Gymnasium, das im Arbeiter- und Kleinbürgergebiet Nied geplant war, wird jetzt am Anlagenring am Rande des Westends gebaut, also in einem Gebiet der Bessergestellten. Was brauchen auch die Nieder ein Gymnasium? Hatten eh` lange keins. Ob Nied je eins bekommt? Der Zustand der Frankfurter Schulen ist vielfach furchtbar, wie aus erster Hand immer wieder berichtet wird; eine erneuerte Pädagogik, die mehr fördert, mehr Entwicklung begünstigt statt Auslese, ist so schwerlich möglich, wird wohl auch nicht mal mehr bei grün Bewegten als vorrangig erachtet, von den Schwarzen im übrigen - die der Augustinischen Lehre von der Prädestination anhängen und damit dem überwiegenden Grundsatz der Verworfenheit bereits des Kindes - ohnehin nicht, denn diese haben meist eine schwarze Seele.

 

 

Rückstände in der Erhaltungssanierung

 

Die Frankfurter Brücken, Straßen und öffentlichen Einrichtungen machen einen vernachlässigten Eindruck. Die Hallen, Räume und Betriebseinrichtungen der Saalbau werden nur schleppend saniert. Immer wieder stockt es. An eine Erhöhung der Gewerbesteuer zum Zweck der Finanzierung der verschiedenen Erhaltungsrückstände traut man sich nicht, obwohl diese Investitionen sich auf kürzere Sicht rechnen, aber die Zukurzdenke beansprucht die Oberhand. Es gilt das kleine und kurzsichtige Karo. Das verfügt insbesondere die CDU, denn nach ihr darf es dem Untertan und der Welt nicht zu gut gehen. Die Straßen sind in Hessen allgemein in einem schlechten Zustand. Es wird überall auf Felge gefahren. Jedoch, wie wir im ersten Teil angedeutet haben: ist denn die Verarmung und Unterausstattung der Menschen im finanzialisierten Kapitalismus nicht normal, gar unausweichlich, um den systemischen Interessen zu entsprechen?

 

Früher waren Stadtwerke noch ganz in öffentlicher Hand, das Wohnungsbau-Unternehmen ABG Frankfurt Holding wurde noch nicht vorrangig gewinnorientiert gelenkt, der Spitzensteuersatz war noch hoch, es gab eine Satzung gegen den Leerstand und die Wohnraumzweckentfremdung. Einen Reformbedarf hat es zweifellos auch gegeben, aber muss man auf Teufel komm raus umkrempeln und alles genau auf den Kopf stellen, infolge der Einflüsterungen von 'Beratern'? Die Tendenz zur Privatisierung und Finanzialisierung hat sich längst als verhängnisvoll und heillos herausgestellt.

 

Ein Teilnehmer der Tagung 'Kommunale Kürzungspolitik' im Bürgerhaus Bockenheim sprach an, dass Quandts und Klattens doch so um die 50 Milliarden auf der hohen Kante hätten. Warum kämen die nicht darauf, in die Gesellschaft zu investieren, denn das rechne sich doch. Gut gefragt! Immerhin hat auch die mittelständische Wirtschaft schon gegen die Sparpolitik protestiert, die nur auf die internationalen Spieler, die Großkonzerne und die Finanzkaste ausgerichtet ist, während öffentliche Investitionen immer auch ein Mittelstandsförderungsprogramm und ein Programm für das Erblühen der Nahzonen sind.

 

Damit sind wir am Schluss nochmals beim springenden Punkt angelangt: Es wird nicht möglich sein, die Defizite der großen Spieler, die alles auf ihre Seite reißen wollen, rein rational und wirtschaftlich vernünftiger Logik gemäß erklärt zu bekommen. Es geht wohl doch nur mit einer nüchternen Psychoanalyse. Wahrscheinlich müssen wir uns an das tiefenpsychologische Theorem halten dass, wer das frühkindliche Trauma, als kleines Wesen ein- oder mehrmals wesentlich zu kurz gekommen zu sein, erlitten hat und daher meint, sich dauerhaft als von Natur und Eltern schwer benachteiligtes Wesen empfinden zu müssen, auf immer ein Dauerproblem mit sich schleppt, von dem ein Runterkommen einfach zu schwer ist. Wobei es in keinem Leben so ganz ohne auch traumatische Momente abgehen kann. Denn es herrscht Endlichkeit. So also wird das Land, die Stadt und die Gesellschaft psychogen gemacht und unbewusst gelenkt und es kommt vielleicht durch die Überlagerungen gegenwärtiger Konflikte noch schlimmer als es bislang geworden.

 

Foto: (c) Heinz Markert

 

Info:

Kommunale Kürzungspolitik in Frankfurt/Rhein-Main. Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen, AK Kritische Geographie Frankfurt, attac AG Kommunen, GEW Bezirk Frankfurt, Fraktion Die Linke. im Römer Frankfurt, Fraktion Die Linke. im MainTaunusKreis

Bürgerhaus Frankfurt-Bockenheim, Schwälmer Straße 28, Samstag, 17.10.2015

 

 

Teil 1: http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5843:das-system-der-kuerzungen-in-den-kommunen&catid=87&Itemid=496





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Teil 3: