Serie: Verpaßte Chancen des geförderten Wohnungsbaus in Frankfurt-Bockenheim, Teil 1/2
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nach dem Westend-Rundgang am 18. September 2015 ('Eine gefräßige Walze über der Stadt') nun der Rundgang in Bockenheim durch den Verein Zukunft Bockenheim und der Mieter-Initiative Bockenheim. Die Stadt Frankfurt fällt regelmäßig aus, wenn es darum geht, freie Grundstücke auf der Grundlage des öffentlich geförderten Wohnungsbaus zu beanspruchen und eigenständig – nach den Statuten des geförderten Wohnungsbaus - zu bebauen.
Wie die anderen 'angesagten', d.h. von der Spekulation ins Visier genommenen Stadtteile steht auch Bockenheim unter dem Anlage- und Verwertungsdruck privater Investoren. Mittlerweile setzt sich dieser Trend auch im früher gering geschätzten Ostend durch. Dies führt zu einem in möglichst immer kürzeren Abständen erfolgten Mietpreisanstieg, während die Chancen für das gemeinnützige und sozial integrierte Wohnen im Gegenzug nicht genügend von der Stadt wahrgenommen werden. Das Vorgehen der Stadt kann als gleichgültig angesehen werden, wenn es darum geht, den Anteil öffentlich errichteter Wohnungen - nach dem Vorbild der Stadt Wien - nachdrücklich zu erhöhen, wie es notwendig wäre. In Wien beträgt dieser 70 Prozent, in Frankfurt nur 30.
Der Rundgang
Der Gang startete am Bockenheimer Depot und – zur Orientierung – in unmittelbarer Nähe zur Bockenheimer Warte. Der Blick gen Straßenschild 'Gabriel-Riesser-Weg' seitlich des Depots, erfasst das dort liegende erste Objekt des Rundgangs. Hier wurden, obwohl es auch anders möglich gewesen wäre, 70 teure Eigentumswohnungen hochgezogen und dem Markt als kalkuliert teure Ware übergeben. Das Konzept, dem hier durch Nachgeben stattgegeben wurde, ist der Wohnsituation in Frankfurt nicht angemessen. Die ABG Frankfurt Holding bedient dadurch ein unsoziales Bauen und grenzt sich in dieser Weise fundamental von der sozial engagierten Baupolitik des Neuen Frankfurts der Neunzehnhundertzwanziger Jahre eines Ernst May ab.
So ging es voran unter dem Getrommel einer Gruppe harlekinartig gekleideter, den Wegerhythmus im treibenden Marsch begleitender Musiker, damit Bockenheim acht habe auf die Verkündigung des im Stadtteil vor sich Gehenden. Der nächste Fall betraf ein weiteres läßliches Bauvergehen: mit dem viel gerühmten, aber auch abschätzig bedachten Philosophicum in derGräfstraße, in dem Generationen von Studierenden - wie auch der Schreiber dieser Zeilen - mit den großen Köpfen der Wissenschaft und der musischen Sektion bekannt gemacht wurden, die längst Legende sind. Nicht bloß Pech, sondern System, dass die Idee des Kulturcampus Bockenheim, schon fast vergessen von der Stadtpolitik und gerade wieder wie ein Phönix auferstanden, hier nicht zum Zug kam, um ein sozial integriertes Wohnen zu ermöglichen - aber ob es überhaupt je gewollt war, ist fraglich.
Das Areal wurde an einen privaten Investor verzockt. Jetzt soll der entkernte Bau – eine Schöpfung von Ferdinand Kramer, ehemaliges Zugpferd von Ernst May, emigriert und dann 1952-1964 Baudirektor der Johann Wolfgang Goethe-Universität – 'unterschiedlichen Wohnzwecken' dienen, darunter auch 250 Kleinstwohnungen an Studierende im hohen Preissegment von marktgängigen 500 bis 900 Euro und Flächen von 19 bis 34 Quadratmeter (FR 29.09.2015). Auch hier gilt: Chance verpasst. Dem kapitalistischen Verwertungskalkül wird Vorrang gegeben und eine solche Vor-Voraussetzung scheint halt nichts anderes herzugeben als das nun Absehbare. Die Versorgung mit studentischem Wohnraum bleibt in Frankfurt miserabel. 'Das Preisniveau und die Qualität der Unterkünfte seien schockierend', so zitiert die FR die Präsidentin der Universität.
In Hermann-Wendel-Straße 8 wurden zwei Gründerzeithäuser abgerissen, ursprünglich für den 'Zarenhof', zu dem es jedoch nicht kam. Die Stadt wollte eines der Hausgrundstücke übernehmen. Nun entstehen 36 Eigentumswohnungen als Luxuswohnungen auf einer Grundfläche von über 500 Quadratmetern. Als Preise sind gelistet: 4000 bis 6000 Euro/qm. Milieuschutz kam nicht zum Zug, weil die neue Satzung hier noch nicht griff (ältere Genehmigung lag vor). Hinter den Grundstücken lag einst das alte Gewerbegebiet Bockenheim Süd, das ab 1986 zum Dienstleistungssektor umgewandelt wurde. Eine Chance für die sozial befriedete Stadtgesellschaft wurde auch hier wieder verpasst, obwohl das Vorkaufsrecht lt. §§ 24 ff. des BauGB hätte wahrgenommen werden können.
Das Haus Nr. 6 a wurde verkauft. Nun heißt es: 'Mieter befürchten...', d.h. haben Angst, aus den Wohnungen hinausgedrängt zu werden! - Die Stadt müsste die Milieuschutzsatzung konsequent wahrnehmen und durchsetzen, um die Umwandlung in luxussanierte Bleiben zu begrenzen, bei denen die Mieten nach der Maßnahme unbegrenzt nach oben offen sind. Die Stadt darf nicht einfach nur Grundstücke kaufen und dann aber nicht übernehmen bzw. nicht verwerten: so wurde das attraktive, zentral gelegene Grundstück des vormaligen (am 2. Februar 2014 gesprengten) AfE-Hochhauses, des sog. Pädagogenturms, von der AGB an einen profitlichen Investor weiterverkauft.
In der Robert Mayer-Straße 48-50 liegt seit 2014 auch eine verpasste Chance: das ehemalige Bürohaus hätte zu bezahlbaren, fair gepreisten Wohnungen umgebaut werden können, wozu es nicht kommt (obwohl ein Prospekt dies als Fakt suggeriert). Die Preise der 2-,3- und 4-Zimmerwohnungen liegen bei 4500 bis 6500 Euro.
Weiter ging´s zu Homburger Straße 21. Hier liegt ein Beispiel für äußerste Verdichtung vor. Eine freie Fläche liegt vor denen, die es besichtigen. Hinter der Fläche steht schon ein Haus. Es wird für 795 000 Euro umgebaut und teils neu errichtet, mit kleinem Garten und Hinterausgang (wie auch immer ermöglicht). Davor soll ein 5-stöckiges Haus mit zwei Wohnungen entstehen, einerseits mit drei Zimmern für stolze 450 000 Euro und eine Maisonettewohnung für 760 000 Euro; etwa162 qm an Grundfläche stehen für das Gesamtvorhaben bereit.
Die nächste Station war der 50-er-Jahre-Komplex der ABG an der Kreuzung Adalbert/Schloßstraße, mit zwei einander gegenüberliegenden Baukörpern. An einer Wand der gemalte, weithin sichtbare Schriftzug: '1953 Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen'; gemeint war damit: für den kleinen Bedarf, für den kleinen Geldbeutel – so wurde in Frankfurt einst gedacht und empfunden. Obwohl die zuständige ABG lt. Vorschrift gehalten ist, den Bestand über die Gänze zeitlicher Perioden zu pflegen, ist der nordwestliche Teil immer noch vernachlässigt, Erneuerung hat nie stattgefunden. Der Stadtverordnete Pawlik sprach zur allgemeinen Lage: in den alten Beständen sind trotz allem - nach gegebener Sachlage - Mietsteigerungen von 21 bis 27 Prozent in 36 bis 48 Monaten üblich. Im gegenüber liegenden südöstlichen Teil wurde zusätzlich aufsaniert, mit dem Ergebnis der Überteuerung für den kleinen Geldbeutel. Offensichtlich muss die lange hinausgeschobene Erhaltungsreparatur mit eingepreist werden. Tendenz dieses Falls aus ABG-Bestand: weg von kleinen Wohnungen, Aufhebung derselben und aus den 1-2-Zimmer-Wohnungen größere machen. Rechnet sich mehr.
Stadt, Land und Bund haben nichts für die Kleinen Leute übrig
Es gibt in Frankfurt keine Einschränkung des Umbaus in luxussanierte Wohnungen oder der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Ein Problem ist der 'Turn' in ein zu aufwendiges Sanieren von privat gehaltenen Mietwohnungen. Die ABG hängt an diesem Trend mit dran. Die Stadt will selbst nicht eingreifen und regulieren, es sei denn sie lege wenigstens ihrer eigenen Gesellschaft eine sozial verträgliche Lösung auf. Angeblich braucht sie als Grundlage für den privaten Sektor den Beschluss der Landeregierung, wenn es – wie Fälle zeigen - um die Erhaltung geht. Der Bund sagt: die Landesregierung kann eine Erhaltungssatzung (wie auch den Milieuschutz, der inzwischen in Kraft ist) erlassen. Wo aber liegt dann das Problem, wenn eine Erhaltungsinitiative einfach nicht hinzukommt? Ist sie denn wirklich gewollt? Wohl nicht. Bei all den Kontakten im Umgang des politischen Personals untereinander wäre es unschwer möglich, schnell zu reagieren, aber da scheint es ein Klientel- und Milieu-Hindernis zu geben, dem vorzugsweise Protektion erteilt wird. Das Milieu der Kleinen Leute, dem schnell geholfen werden müsste, bleibt außen vor. Es wäre für die Landesregierung ganz einfach, Stopp zu sagen oder Ja, wenn die Initiative aus der Stadt käme und damit eine Verantwortung wahrgenommen werden sollte.
Hinzu kommt: Frankfurt hat in Hessen die höchste Wirtschaftskraft, nämlich 15%, da läge es nahe, dass wenn das starke Frankfurt und die hessische Landesregierung es wirklich wollten, schnell entschieden werden könnte. Der hartleibige besitzende Stand aber wacht darüber abschlägig und argusäugig. Es ist die Betonköpfigkeit und die Stiernackigkeit dieser mächtigen Einflussgruppe, die eine sozial verantwortliche Regulierung verhindert. Dabei geht es um die Ideologie im Dienst der heillosen Selbstinteressenvertretungsmaschinerie. Sie sagt dem allgemeinen Wohl – einer anerkannten Begrifflichkeit der griechischen Antike und ihrer Demokratie – ab. Dem vorgeblichen 'christlichen Menschenbild' entspricht sie auch nicht. Fortsetzung folgt.
Foto: 8c) Heinz Markert
Info:
Rundgang des Vereins Zukunft Bockenheim, 17.10.2015 14 Uhr
http://www.zukunft-bockenheim.de/stadtteilbuero.htm