Die EU-Kommission nimmt mit 'Wettbewerbskommissaren' Arbeit in den Zangengriff, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Die Lage ist hochgefährlich. Nicht allein rechtspopulistische Bewegungen à la Pegida an rechten Rändern drohen die europäische Idee zu zerstören, die etablierte EU- Politik ist selbst emsig damit beschäftigt, die Bewohner ihrer Gegenden und Regionen zur Manövrier- und Konkursmasse herabzuwürdigen. Sie versucht, mit eigens eingesetzten 'nationalen Wettbewerbskommissaren' die demokratisch und humanitär verbürgten Rechte der europäischen Arbeitsgesellschaft zu schleifen.

 

Durch die eigennützige Begünstigung des zerstörerischen Treibens der Industrie- und Agrarimperien hat sie bereits die südliche Hemisphäre in Unordnung versetzt - die Folgen sind augenscheinlich -, vollzogen mit Landraub, Rüstungsexporten, subventionierten Hähnchenflügeln (um nur ein zugespitztes Beispiel anzuführen); mit großflächiger Zerstörung und Raubbau durch Industrie- und Agrarinvestoren, Aufrippen der Mutter Erde zur Rohstoffgewinnung und für extensiven Landanbau. Nun steht eine weitere Runde der Zerstörungen an: die der Abwertung aller Stände unterhalb der wenigen Superreichen zur Masse der Armen, Ausgelieferten und Entrechteten in Europa. Auch der Mittelstand ist angezählt.

 

Angela Merkel hat kürzlich veranlaßt: 'der Autoindustrie zuliebe', wie die FR vom 04.02.2016 titelt, wurde dem Vorschlag der EU-Kommission in Hinblick auf strengere '80 Milligramm NOx pro Kilometer' eine Abfuhr erteilt und dem 'Schummelkoeffizient', aufgrund des „Konformitätsfaktors“, der Vorzug gegeben. 'So dürfen Dieselautos ab 2017 168 Milligramm Stickoxid (NOx) pro gefahrenen Kilometer ausstoßen, ab 2020 noch 120...'. Die Klimawende wird in Deutschland vertagt, wie alltägliche Meldungen bestätigen, Afrika stirbt noch schneller, nun ist der El-Niño der Dürre dort angekommen.

 

Mit dem Quälprogramm den Arbeitenden gegenüber beginnen die anmaßenden Herren Europas ihre Gesellschaften umso mehr Rechtspopulisten und Menschenfeinden zum Fraß vorzuwerfen. Die Politik führt sich selbst in die Klemme zwischen zwei Konfliktfeldern.

 

 

Vorbild Großbritannien

 

Die englische Regierung, d.h. die englische Oberklasse auf dem Kampfplatz der Politik, hat für den geschickt-findigen und ehrlichen Worker alter Schule – den die Gesellschaft mehr nötig hat als windige Finanzkonstrukteure -, absolut nichts mehr übrig, nachdem Margret Thatcher 1986 mit der Zerschlagung der Gewerkschaften und dem Freilassen der Finanzmarktszene begonnen hatte, die Ehrliche-Arbeit-Gesellschaft niederzulegen.

Die Extrawürste, die die englische Regierung unablässig von Europa gebraten haben will, dient der Absicherung einer Herrschaft des Geldes über die Kreatur.

 

Vor Jahren fiel der Verwandtschaft, die sich über die Ferien England zum Ziel gemacht hatte, das krasse Sozialgefälle der englischen Gesellschaft auf. Dieses ließ erschrecken. Es rührt von alters her. Anmaßender Adel und eine vom Kontinent eingesickerte Soldateska gingen eine historische Liaison ein. Das einfache Volk wurde zu einer Masse verfügbarer Objekte. Diese Praktiken werden in Großbritannien immer wieder bestätigt und jetzt mit den geplanten Beschneidungen der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte weiter gesteigert. Die Regierung plant, die Gewerkschaften, insbesondere des öffentlichen Dienstes, ihrer Macht zu beschneiden, obwohl diese generell im Land nur noch wenig Macht haben. Die Streikschwelle soll höher gesetzt werden, Zeitarbeiter sollen Streikende ersetzen können, Gewerkschaften müssen die Polizei über geplante Aktivitäten vorweg informieren. Die Finanzmärkte stehen als die eigentlichen Stichwortgeber im Hintergrund.

 

 

Geplante Angriffe

 

Auf EU-Ebene sind ähnliche Angriffe geplant. Die EU ist ein Konzert der neoliberalen Kräfte auf Kosten der leider noch vielen Ahnungslosen. Schon wurde längst die Stellung der Arbeit in den Krisenstaaten – die zu Opfern der Blasenökonomie geworden waren – eingeschränkt. Die Krise wird mit Druck und Enteignung nach unten bezahlt. Folge: die Wirtschaftstätigkeit lahmt, Wachstum wankt. Es wird vor der Drohung, Europa verlassen zu müssen, nicht zurückgeschreckt, sofern nicht pariert wird. Was ist geplant? Der Abbau von Kündigungsschutz, die Senkung der Mindestlöhne, die Erhöhung des Rentenalters, der Abbau von Arbeitsschutzgesetzen, wie z.B. kollektiven Lohnverträgen. Gerade wird in Deutschland mit harten Bandagen um die Neuregelung der Werkverträge gestritten. Dabei geht es um die altbewährte Methode, Firmen in Tochterunternehmen aufzuteilen – Stichwort: Ausgründung und Auslagerung -, um Löhne zu unterlaufen und bestehende Standards auszuhebeln. In dieser Weise wird zur Zeit in den Helios Kliniken vorgegangen.

 

Es geht darum, dass der wirtschaftliche Erfolg im oberen Segment kleben bleiben soll; bloß keine Verteilung zu Lasten des bewährten Besitzbürgermaterialismus des christlichen Abendlandes! Nach unten hin aber wird Austerität, Verarmung gepredigt. Leute, wenn die Infrastruktur überall lahmt, begreift: ihr seid Untertanen durch Geburt. Dem Untertan soll Saures werden. Das ist der geheime Sinn der Sparprogramme. Nicht ausbleibende Folge: die Spaltung der Gesellschaft wird vorangetrieben, die Gesellschaft wird von oben her auseinandergenommen. Einpeitscher der Entwicklung war 2012 Jörg Asmussen, der die Finanzmarktliberalisierung unter Kanzler Schröder maßgeblich einfädelte und steuerte.

 

 

Die europäische Krisenpolitik

 

Die europäische Krisenpolitik soll mit Wettbewerbsräten komplettiert werden, um die Schrauben enger anzuziehen. Alles Erniedrigte und Abgewertete wird zum Maßstab, zur Norm, die Staaten werden gegeneinander in Stellung gebracht. Die Gewerkschaften sind aber bereits gegen dieses Vorhaben angetreten.

 

Der Europäische Gewerkschaftsbund hatte schon 2012 erkannt, dass die - unabhängig von Krisensituationen - geplanten Arbeitsrechtsreformen der irrigen Annahme unterliegen, dass gute Arbeit, die auch gut bezahlt wird, mit dem kapitalistischen Wettbewerbsprinzip nicht zu vereinbaren sei. Welch eine Logik: ein System rangiert vor lebendigen Menschen.

 

Die Möglichkeit der allgemeinen Tarifbindung - die auch für Firmen gilt, die Tarifflucht begehen - wurde bereits in Griechenland, Portugal, Rumänien und Ungarn abgeschafft. Es wurde inkompetenten, unterbemittelten und völlig machtlosen Arbeitnehmervertretern ermöglicht, in Tarifverhandlungen einzutreten. So viele haben schon den Tarifschutz verloren, die Zahl der Tarifverträge ging zurück: in Spanien, Griechenland und Portugal. Das alles sind Blaupausen für die nördlichen Länder, die noch nicht so massiv angegangen wurden und in denen die Gewerkschaften noch einen relativ festen Stand haben. Sie sind aber auch längst im Visier der Demontierer und Abrißideologen..

 

Die Gewerkschaften sind eine vernünftige Kraft im Meer der Wahnsinnigen. Sogar die Arbeitgeberverbände stehen in Deutschland nicht auf der Seite der EU-Kommission.

 

 

Info:

'Nur Deutschland kann den Euro retten, Der letzte Akt beginnt', Heiner Flassbeck, Costas Lapavitsas, Westend 2015 ·ISBN-13: 9783864890963 ·Best.Nr.: 42162322)