Wenn nicht umgesteuert wird, bekommt auch Europa eine Welt ausufernder Konflikte, Teil 2

 

Heinz Markert

 

Die Finanzkrise ist noch nicht vorbei, der Mißhelligkeiten werden immer mehr, aber eine verblendete europäische Politik treibt den Konflikt immer noch weiter an. Die Geflüchteten der Welt sind ein Symbol für eine verfehlte Wirtschaftspolitik. Als Krebsgeschwür bilden sich in den reichen Staaten rechtspopulistische und nazistische Bewegungen.

 

Was ist eigentlich, wenn künftig alle maximal gegeneinander wettbewerbisieren, kann das gut gehen? Wettbewerb betrifft ein relatives Verhältnis von Staaten, aus dem nicht in den Orbit ausgestiegen werden kann. Wenn Wettbewerb nicht fair ausgetragen wird, dann kommt es zum Hauen und Stechen und die menschliche Zivilisation wird infrage gestellt.

 

Schon bisher hatte die EU-Kommission die Möglichkeit, auf die nationale Lohnfindung einzuwirken. Das schafft das böse Blut, das überall in Europa kocht. Frau Merkel bekommt es zu spüren. Sie bekommt als Schall zurück, was sie ausgesendet hat. Das eigentliche damit verbundene Problem ist, dass mit den Verfehlungen des Finanzsektors und den wirtschaftlichen Verwerfungen die Demokratie ausgehöhlt wird. Es rückt unscheinbar vor mit der Aushöhlung der Tarifautonomie, um die Finanzkrise 'zu heilen'.

 

In Zukunft sollen nun auch die bereits angedeuteten nationalen Wettbewerbsräte „Lohnempfehlungen“ erteilen können, um den Wettbewerb hochzutreiben. Gemeint ist der Wettbewerb, der nach unten hin Druck macht und das soziale Gefüge zerbröselt. Wettbewerb soll grenzenlos und unbeschränkt werden, es soll kein Korrektiv mehr geben, keine Bremse soll mehr für fairen Ausgleich sorgen, die Staaten sollen sich in Konkurrenz gegeneinander stellen und gegenseitig ausbooten.

 

 

Gewerkschaften machen mobil gegen die Kommissär-Pläne der Kommission

 

Mit von der Partie ist erneut Jean-Claude Juncker, der schon dafür bekannt wurde, dass er seine manipulativen Händchen bei den Steuerverkürzungspraktiken im Spiel hatte, die immer noch nicht gestoppt sind. Verharmlosend spricht er von der Koordination der Wettbewerbspolitiken in Europa, wenn er nationale Wettbewerbsräte etablieren will, die die Politik jedes Landes überwachen sollen, um wohlgemeinte Empfehlungen zu geben. Die Gewerkschaften sind alarmiert und formieren sich zur Gegenmacht. Hinter den Empfehlungen steckt die Absicht, Lohnsenkung und Sozialabbau ideologisch motiviert durchzusetzen. Es ist zu beobachten, wie die Politik der EU-Kommission nicht die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertritt, sondern sich fehlpositioniert, um in Europa eine Gesellschaft der Konzernprivilegien und der Konzernmacht durchzusetzen.

 

Diese Denke deckt sich auch mit der Absicht der anderen Monomanen wie Dijsselbloem, Draghi, Schulz und Tusk, vorgebracht unter dem Deckmantel einer stärkeren Vergemeinschaftung. Zwar ist die Abstimmung der noch weitgehend nationalen europäischen Wirtschaften aufeinander eine Notwendigkeit, aber nicht mit der angepeilten Tendenz. In Wirklichkeit geht es nicht um eine sinnvolle Koordinierung, sondern um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit untereinander bis aufs Blut. Wichtiger wäre, die Wirtschaftsgebiete einer Balance anzunähern, um zu große Ungleichgewichte auszugleichen. Das wäre europäisch gedacht. Es geht um fairen Interessenausgleich.

Deutschland muss etwas abgeben, um den anderen das Aufholen und Herankommen zu ermöglichen. Andere haben zwar wohl – verhältnismäßig - über ihre Verhältnisse gelebt, aber es muss auch klar sein: Deutschland hat lange unter seinen Verhältnissen gelebt, es hat lange unfairen Lohnwettbewerb (Lohndumping) betrieben, ohne klare Ansage. Die Wettbewerbskommissäre (klingt militärisch, oder?), sollten nicht anfangen, sich als strafende Schulmeister aufzuspielen, unter Missachtung der demokratischen Grundlage. Die Kommission ist als schwebendes Konstrukt ohnehin nur sehr fragwürdig legitimiert.

 

 

Arbeitgeber pflichten Gewerkschaften bei

 

Selbst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) haben das Vorhaben der Inthronisierung von 'nationalen Kommissaren' als unzulässigen Eingriff in die grundgesetzliche Tarifautonomie verworfen.

 

Problem ist nicht das Mehr oder Weniger an Löhnen sowie Sozialleistungen. Die Basis für die innere Schieflage der europäischen Volkswirtschaften ist, dass der wirtschaftliche Erfolg überproportional von den Arbeitenden weg und hin zu den Unternehmen umdirigiert wurde, diese aber nicht investiert haben, sondern spekuliert. Sie verlegten sich immer mehr auf Finanzmarktaktivitäten. Finanzpolitik dominiert über die Wirtschaftspolitik, Finanzwirtschaft über Realwirtschaft, Finanztöchter über die Leistungskraft von Unternehmen, Potentiale liegen dadurch brach. Arbeitende sind nur noch Kostenfaktor, die Idee eines sozialen Europas geht zunehmend den Bach runter. Löhne werden gesenkt, die Binnennachfrage speziell in Deutschland bleibt prekär. Warum sollen Unternehmen denn dann trotzdem in die Binnenwirtschaft investieren?

 

Der Exportüberschuss wurde zum Fetisch, die Empfänger müssen sich verschulden – und nachher müssen wir sie retten! Diejenigen, die den Überschuss erarbeitet haben, arbeiteten umsonst, das System des Überschusses exportiert aber die Arbeitslosigkeit in andere Länder, weil die anderen uns gegenüber nicht konkurrieren können (sofern es um hochwertiges Gut geht und nicht bloß um Klimbim). Die Tendenz unseres Kaufens aber geht hin zum Klimbim, denn nur dafür ist noch Geld da (1 Euro).

 

Die Kommissare, wenn sie kämen, würden die Länder aufeinanderhetzen und noch mehr an Ungleichgewichten herbeiführen. Dann haben Le Pen und Frauke Petry gewonnen.

 

Wir dürfen lohnpolitisch nicht mehr unter unseren Verhältnissen leben, dann erst können andere aufschließen. Die deutschen Löhne müssen mehr steigen. 'Zwischen 2000 und 2008 gingen sie in Deutschland zurück. In der Industrie um neun Prozent, im Rest der EU legten sie zu' (FR 02.02.2016) Daraus folgt: 'Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger empfiehlt, dass sich die Lohnzuwächse in Deutschland an der Zielinflation der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp zwei Prozent und dem Produktivitätszuwachs von rund einem Prozent orientieren.[...] „Die Löhne sollten im Durchschnitt um gut drei Prozent steigen und in der Industrie mindestens genauso stark“ (Bofinger)' [...] 'Ein solcher Gehaltszuwachs würde dazu beitragen, dass sich die Deflationsgefahr verringert...' (FR 02.02.2016).

 

Diese Forderung deckt sich auch mit dem rationellen Kern der These des Buchs von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas 'Nur Deutschland kann den Euro retten'.

 

Info:

'Nur Deutschland kann den Euro retten, Der letzte Akt beginnt', Heiner Flassbeck, Costas Lapavitsas, Westend 2015 ·ISBN-13: 9783864890963 ·Best.Nr.: 42162322)