Mario Draghi schlägt zurück

 

Notker Blechner

 

Eschborn (Weltexpresso) - Der Kurseinbruch im Januar hat die Stimmung auf dem diesjährigen Neujahrsempfang der Deutschen Börse etwas gedämpft. Ehrengast Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) nutzte die Bühne, um seine Politik des billigen Geldes zu verteidigen und mit seinen Kritikern abzurechnen. Der Applaus hielt sich in Grenzen.

 

Es ist selten, dass EZB-Chef Draghi ("Super Mario") auf Empfängen in der Rhein-Main-Region auftritt. Wenn er es dann doch mal tut, teilt er aus - gegen seine deutschen Kritiker. Fast jeder Einwand trage ein Quäntchen Wahrheit, halte aber einer genauen Überprüfung nicht stand, meinte der Italiener. So hätten viele vor einer galoppierenden Inflation gewarnt wegen der expansiven Geldpolitik der EZB. "Nichts dergleichen ist passiert." Im Gegenteil: Die Teuerungsrate sei schon lange so niedrig, dass sie wieder schädlich sein könnte.

 

 

"Keine Enteignung der deutschen Sparer seit 2008"

 

Auch die Befürchtung, dass die EZB hohe Verluste einfahre, weil sie schlechtere Sicherheiten von den Banken akzeptiere sei nicht eingetreten. Und der Vorwurf, die EZB enteigne mit ihrer Nullzinspolitik die deutschen Sparer. lässt "Super Mario" auch nicht gelten. Deutsche Haushalte hätten im Schnitt seit 2008 eine reale Rendite von 1,5 Prozent gehabt, erklärte der EZB-Chef auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Börse unter Verweis auf die Statistiken der Bundesbank.

 

Freilich: Kurzfristig sieht es anders aus. 2015 verlor der deutsche Sparer mit festverzinslichen Anklagen unter Einberechnung der Gebühren. Nach Einschätzung von Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, haben die Anleihekäufe der EZB die Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen gar um einen Prozentpunkt reduziert.

 

 

Auch Politik muss Beitrag leisten

 

Dessen ungeachtet warb der EZB-Präsident in Eschborn erneut für seine lockere Geldpolitik. Es ginge darum sicherzustellen, "dass die globalen Gegenwinde unsere heimische Erholung nicht vom Kurs abbringen". Er bekräftigte das Inflationsziel von zwei Prozent. "Unser Ziel zu erreichen, hat mit Glaubwürdigkeit zu tun." Die EZB könne nicht einfach die Torpfosten verschieben, wenn sie die Ziele verfehle. Dabei appellierte Draghi an die Politik, ihren Beitrag zu leisten. Die Regierungen müssten über Strukturreformen die Wirtschaft ankurbeln. Vor allem in Ländern, die viele Flüchtlinge zu integrieren haben. Zudem müsse die Fiskalpolitik wirtschaftsfreundlicher gestaltet werden.

 

Während im Saal viele Experten der versammelten Finanz-Community skeptisch Draghis Äußerungen sahen, lobte die Deutsche Börse das Engagement des obersten Währungshüters. Die EZB habe entscheidend dazu beigetragen, dass das Vertrauen in das europäische Bankensystem wieder hergestellt wurde, meinte Aufsichtsratschef Joachim Faber.

 

 

Niedrigzins-Ära - Chance für Investitionen

 

Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter riet gar den Finanzinvestoren dazu, das Niedrigzinsumfeld als Chance zu betrachten, um Investitionen zu tätigen. Der Börsenbetreiber ist mit gutem Beispiel vorangegangen: die Frankfurter haben jüngst mehrere Fintechs gekauft.

 

Kengeter zeigte sich bei einem ersten Auftritt als Gastgeber ehrgeizig. Er wolle die Deutsche Börse wieder an die Weltspitze führen. Wie das zu schaffen sei und ob neue Mega-Fusionen geplant seien, ließ er offen.

 

 

Kengeter will Kulturwandel

 

Der Börsenchef plädierte für einen Kulturwandel zu mehr unternehmerischem Mut. Dazu gehöre die Verbesserung der Aktienkultur, der Aufbau eines vorbörslichen Markts für Wachstumsfinanzierung und die Unterstützung einer neuen Start-up-Szene. Das hat die Deutsche Börse bisher nicht geschafft. Mit ihrem Venture Network hat sie zwar einige Wachstumsfirmen angelockt, bisher ging aber noch keine von ihnen an die Börse. Der Start-up-Verband hätte lieber ein neues Börsensegment à la Neuer Markt 2.0.

 

 

Info:

 

Deutsche Börse

http://deutsche-boerse.com/