oder
Die schöne neue Welt des Verbrauchers, der bald nur noch Konsument ist

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zeichnet sich ein Frankfurter Planungsdezernent vor allem dadurch aus, dass er Vorhaben der Konzerne absegnet?


Diese Frage stellte sich bereits bei Olaf Cunitz (Die Grünen), der vor allem als verlängerter Arm der Immobilien-Spekulanten wahrgenommen wurde. Nun ist, kaum im Amt, sein Nachfolger Mike Josef (SPD) ebenfalls in die Kritik geraten. Allzu leichtfertig scheint sein Dezernat den Begehrlichkeiten der ECE Projektmanagement GmbH & Co KG auf Erweiterung des Hessen- Centers im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim entgegenkommen zu wollen. Die vorhandenen 39100 Quadratmeter sollen um 14.000 vergrößert werden.

Die Erweiterung von Einkaufszentren zielt darauf ab, noch mehr Kaufkraft durch Konzentration abzuschöpfen. Das geht zu Lasten des Einzelhandels in Stadtzentren und Stadtteilen. Denn ein großer Teil der Verbraucher handelt kurzsichtig und gegen eigene langfristige Interessen. Die großen Märkte in den Randlagen mit ihren breitgefächerten Angeboten und ihren regelmäßigen Niedrigpreiskampagnen werden spätestens dann, wenn es keine nennenswerten Mitbewerber mehr gibt, die gewonnene Monopolstellung endgültig ausnutzen und das Warenangebot sowie dessen Preise diktieren. Der Kunde verfügt dann kaum noch über eine Wahl.

In Hanau, das in relativer Nachbarschaft zu Bergen-Enkheim liegt, befürchtet man das wirtschaftliche Ausbluten der erst unlängst neu strukturierten eigenen Innenstadt. Dem Vernehmen nach hat es zwischen den Nachbarstädten keine Information, geschweige denn eine Abstimmung gegeben. Denn die Erweiterung des Hessen-Centers war im bestehenden „Regionalen Einzelhandelskonzept“ bislang nicht vorgesehen. Abweichende Planungen müssen beim zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt in Form eines „Zielabweichungsantrags“ eingereicht werden - und exakt das hat das Frankfurter Planungsdezernat getan.

Ohnehin hätte der Sozialdemokrat Mike Josef gewarnt sein müssen. Denn ECE betreibt im neuen Frankfurter Europaviertel auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs das „Skyline-Plaza“, in dem seit der Eröffnung vor drei Jahren bereits mehrere Fachgeschäfte aufgegeben haben. Als Gründe werden zu wenig Kunden und zu hohe Ladenmieten genannt. Mutmaßlich ist das nahe gelegene Main-Taunus-Zentrum vor den Toren Frankfurt-Höchsts, ebenfalls eine ECE-Investition, aus Verbrauchersicht attraktiver als das synthetisch anmutende und per PKW schlecht zu erreichende Ladengeflecht zwischen Messe und Hauptbahnhof. Auch das MyZeil in der Frankfurter Innenstadt erwies sich hinsichtlich Warenpräsentationsmöglichkeiten und Kundenfrequenz als Flop und wird derzeit völlig neu gebaut. Doch die ECE Projektmanagement verfügt über einen nahezu endlos langen finanziellen Atem. Sie gehört zur Otto-Holding und hat ihren Sitz in Hamburg. Nach dem Stand von 2015 verwaltete sie 196 Shopping-Center mit einer gesamten Verkaufsfläche von 7,2 Millionen Quadratmetern.

Vor fünf Jahren geriet ECE in die Kritik von Datenschützern, die das Anbringen von Videokameras in den Vorräumen von Toiletten und den Umkleideräumen von Mitarbeitern beanstandeten. Beim Bau eines türkischen Einkaufszentrums verbrannten 11 Arbeiter, weil sie in leicht entflammbaren Zelten untergebracht waren und nicht - wie offiziell angegeben - in Containern.

Am Beispiel der ECE Projektmanagement lässt sich illustrieren, was staatsmonopolistischer Kapitalismus bedeutet. Nämlich die allmähliche Verschmelzung des vom Kapitalismus geprägten Staats mit der Schlüsselwirtschaft. Die so genannte „Stamokap“-Theorie geht zum einen auf den marxistischen Ökonomen Rudolf Hilferding zurück, zum andern auf Lenin, der sie weiterentwickelte. Bereits Friedrich Engels hatte, inspiriert von Marx‘ Hauptwerk „Das Kapital“, beobachtet, dass sich der klassische Kapitalismus, der nominell auf freiem Wettbewerb gründete, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in einen Monopolkapitalismus verwandelte. Durch die Konzentration des Kapitals sowie der zentralisierten Produktion würde ein Ausmaß an wirtschaftlicher Macht erreicht, welches wenigen Großunternehmen eine beherrschende Stellung einräume, sodass von einem funktionieren Markt längst nicht mehr gesprochen werden könnte. Diese Unternehmen teilten die Märkte untereinander auf, träfen Absprachen über Preise, Löhne und zu produzierende Produktmengen. Hier „schlägt die freie Konkurrenz um ins Monopol“, erklärte Friedrich Engels.

Gegen die „Stamokap“-Theorie hat es immer wieder Einwände gegeben; vor allem jene, welche die Eigengesetzte des Staats, also die Meinungsbildungsprozesse in demokratischen Gesellschaften, die die Determiniertheit politisch-wirtschaftlicher Prozesse einschränken oder sogar verhindern könnten, zu wenig berücksichtigt sahen. Allerdings scheint die zu große Nähe vieler politisch Verantwortlicher zu Monopolunternehmen der Wirtschaft, wie nicht nur das Beispiel Frankfurt zeigt, zu einem immer folgenreicheren Problem zu werden. Die Unterwerfung des Staats durch Großunternehmen in den Zeiten des Neoliberalismus und der von Monopolen betriebenen Globalisierung lässt sich objektiv nicht wegdiskutieren. Sie könnte zur Bedrohung der Demokratie werden. Dies sollte nicht zuletzt die Sozialdemokratie wachrütteln.

 

Foto: HessenCenter am Sonntag (c) Mertens & Medien