Serie: Rund um die Frankfurter Herbstmesse Tendence 2012 vom 24. bis 28. August, Teil 4
Helga Faber und Gerhard Wiedemann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Längst hätten wir in Halle 9.2 sein müssen, wo uns die Schals und Röcke, vor allem aber die Rosenaffinität der Erika Wienholdt so gefallen haben. Sie betreibt ein Atelier in Aachen und hat nicht nur gute Ideen, sondern ist auch Fraus genug– ja,ja, wir wissen, daß Menschen sprachlich nur Manns genug sein können -, ihre Meinung deutlich auszusprechen. Auch gegenüber dem Messeboß Detlef Braun, dem sie gehörig die Leviten las, wie aus der ehemaligen exzellenten Aufstellung des Kunsthandwerks auf der Frankfurter Messe in einer eigenen Halle, jetzt noch ein paar Stände überleben.
Der wird sich darum kümmern, versprach er, denn er ist der Verantwortliche für diese Messe erst seit einem Jahr. Schauen wir also das nächste Mal. Gefallen hatte uns auch ihre Geschichte mit den Röcken. Die Aussteller treffen auf der Messe auf ihre Kunden, die für ihren Einzel- oder Großhandel dann bestellen. Diese Kunden sind aber auch Menschen, die für sich an etwas Gefallen finden. So ging es dieser Dame, die von einem schwarzen, raffiniert gerafften Rock am Stand H 21 in Halle 9.2. so angetan war, daß sie ihn für sich selber wollte. Nur welche Größe? Das kann man probieren. Längst hatte die Chefin, Frau Erika aber auch am Rock der Kundin Gefallen gefunden. Und trug ihn auch noch einen Tag später.
Und das kam so. Dieser Rock, schwarzgrundig und bunt bedruckt, so im Stil der Siebziger Jahre, ist von der uns unbekannten Firma Desigual, was eindeutig spanisch klingt und gegen ihn ist nichts zu sagen. Ehrlich gesagt, gefiel uns der am Modell Wienholdt hängende schwarze Rock weitaus besser. So ging es ja auch der Kundin. Die probierte also den Modellrock an, er paßte, deshalb wollte sie ihn bestellen. Allerdings wollte Frau Erika den der Kundin gar nicht mehr ausziehen. Also wurde flugs der durch die Chefin getragene Wienholdtrock der Puppe übergezogen und die beiden Damen gingen ihrer Wege, die eine mit dem neuen Rock der anderen, die andere mit dem getragenen der anderen.
Die mit dem getragenen Rock blieb natürlich an ihrem Stand, denn da gehört sie generell hin, sie mußte auch die Mehrzahlung für sich verbuchen, denn der von ihrem Atelier hergestellte Rock war qualitativ einfach eine andere Klasse als der nette Folklorerock, den sie nun trug. Wer das mitbekommen hatte, schaute mit noch mehr Interesse, was sich an diesem Stand alles tut. In erster Linie Schals. Aber allein dies Wort kann nicht die Phantasie beflügeln, was man mit diesen alles anstellen kann. Sie sind aus Seide, aus Baumwolle, manchmal rein, manchmal gemischt, aus Bändchen, aus Seidensamt, aus Seidentaft – auf jeden Fall sind sie alle schön und alle von Erika Wienholdt entworfen, die in ihrem Aachener Atelier neun Personen beschäftigt, die ihre Ideen ausführen und in die Welt tragen.
Schmuck macht sie übrigens aus Seide und Swarovkisteinen auch noch. Aber uns gefielen einfach diese Röcke sensationell. Der Trick ist, daß bei der Weite des Rocks an verschiedenen Stellen innen der Stoff zusammengezogen wird, so daß von außen eine Stufenwirkung hergestellt ist, natürlich unregelmäßig, so daß das Ganze wie dahergeweht wirkt. Und ungeheuer weiblich. So wirken auch die über von ihr selbst gekauften Stufenröcken aus Tüll übergeworfenen und an einer Seite gerafften Röcke. Darum sind wir wohl auch auf diesen Stand so abgefahren, weil hier alles so elegant und feminin wirkt. Und es auch ist. Die Materialien sind alle hochwertig und die Farben – Grundfarbe ist schwarz, was auch sonst – intensiv und sanft zugleich.
Nach all der Freude an den Dingen am Stand Wienholdt, die man nur in Geschäften erwerben kann – wir wollten uns eigentlich gleich im Atelier in Aachen ansagen! - , interessiert die Macherin. Und die hat es in sich. Frau Erika trägt ihre Modelle selbst, es sei denn so ein bedruckter Rock einer anderen kommt daher, und sie wird Designerin genannt, empfindet sich selbst aber eher als Macherin. Denn sie sprüht über vor Ideen, hat aber Erfahrung und Tatkraft genug, die Ideen auch zu verwirklichen, was sie inzwischen anderen überläßt, die sie aber in ihrem Atelier genau instruiert hat. In diesem großen Kitschangebot auf der Tendence – daß wir die allermeisten Produkte für absolut überflüssig auf der Welt und himmelschreiend häßlich und kitschig finden, wollten wir dann so laut nicht sagen, zumindest nicht auch noch in vielen Worten darüber schreiben, denn das Ganze findet ja Käufer und eine Messe ist keine Erziehungsanstalt zur Ästhetik und zur Schönheit und zur Schönheit und Funktionalität von Dingen, sondern eine Verkaufsmesse, leider, leider.
Also in diesem großen Kitschangebot auf der Tendence ist der Auftritt von Wienholdt-Design eine auffallende Oase, weil es hier um Ideen, hervorragende Materialien und beste handwerkliche Ausführung geht. Peinlich dann allerdings, wenn vorbeiziehende Kunden die selben Preise erwarten, wie sie beim Gegenüber, dem industriell hergestellten Kappen und Schals zu finden sind. Da müßte sich die Messeleitung etwas überlegen, denn vielleicht sind die unangenehmen Feststellungen, die ja eine richtige Unverschämtheit gegenüber einem hochwertigen Kunstgewerbe sind: „Das ist aber teuer, da drüben kostet ein Schal nur 8,50 Euro!“ auch dieser Mixtur zwischen edlen und eben Billigproduktständen geschuldet.
Frau Erika hat dazu wohl zwei Meinungen. Denn einerseits gefällt ihr der Mix auf der Messe, andererseits ist sie aber die Leidtragende, denn sie und ihre Handfertigungen werden mit etwas verglichen, was in Billiglohnländern millionenfach mit minderem Material von schlecht oder kaum bezahlten Menschen hergestellt wird. „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose...“ hat einst 1922 Gertrude Stein gesagt, aber Rosen von dieser Art kann man hier nur am Wienholdtstand erkennen und sich an ihnen freuen.
Wir lernen viel. Denn eines der Stücke, eine Art Chasuble hätte man früher gesagt, also so eine Jacke – hatte sie einen Verschluß? - so ein schwarzes Ding mit Schößchen, das man über allem tragen kann, fühlte sich an wie ein Handschmeichler: so sanft nämlich. Aus Polyester ist es! Oh je, das war doch gestern noch dieses eklige Material, das wir nie wieder erwerben wollten. Hat sich was. Hier am Stand ist es das teuerste, aus der Schweiz dazu. Denn die Seiden, der Batist, der Samt und alles ist viel billiger als Schweizer Polyester. Dafür kann man mit diesem, das eben von ganz edler Art ist, alles machen: zerknüllen, damit schwimmen, es in den Gefrierschrank legen oder in die heiße Sonne. Es bleibt immer in Form. Das war wirklich eine Erfahrung.
Wie man zu so einer phantasievollen, gleichwohl pragmatischen, im Materialmix erfahrenen textilen Kunsthandwerkerin wie Erika Wienholdt wird? Indem man erst einmal einen Magister macht, 1979 in Soziologie und Politik, was bei dieser Quereinsteigerin in allem sozusagen, nahe lag, denn sie hatte auch ihr Abitur erst mal nachgeholt auf eine Pflegevorschule. Was es alles gibt, dachten wir uns. Und wohin die Lebenswege führen, wenn man wach und unternehmungslustig ist. Mutig und durchhaltefähig auch. Für sie war der 2. Bildungsweg folgerichtig, ihre Mutter hatte noch in einer Schuhfirma Schuhe genäht, sie selbst als Kindchen – in Maßen, da paßte die Mutter schon auf – das Ballettschuhedrehen ausgeführt, denn nach dem Nähen braucht es ganz kleine Hände, diese Schuhe auf ihre Außenseite zu wenden.
Wir auf jeden Fall werden uns im Frankfurter Handel einmal umschauen, wo wir die schönen Stücke des Atelier Wienholdt aus Aachen erwerben können. Es lohnt sich.
24.-28. August 2012
www.entence.messefrankfurt.com
24.-28. August 2012
www.tencence.messefrankfurt.com