Marusha Kolner Treff opt 2017Die Techno-Ikone der 90er-Jahre tourt noch, weiß aber die Heimat sehr zu schätzen

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Kürzlich entstand ein besonderer Moment in der Sendung Kölner Treff von Bettina Böttinger als die DJ Marusha Gelegenheit hatte, einige Bekenntnisse abzugeben und eine Reihe von Bewertungen ihrer Tätigkeit zu liefern, mit der sie Benefits - wie sie sagt – austeilt.

Seit 30 Jahren ist sie Techno-DJ, sie tourt noch immer im Schichtdienst der Nacht durch die Weltstädte und Locations. Sie erkennt keine natürlichen Grenzen des Alters. Techno ist etwas, wofür sie brennt. Als sie sogleich gefragt wurde, ob sie Drogenkonsum gehabt habe, um wach zu bleiben, verneinte sie dies. Sie habe keine Drogen genommen, habe nicht gekifft, aber in Maßen Zigarette geraucht und etwas Alkohol getrunken.


Marusha blickt wohl schon auch zurück, ist aber noch regelmäßig im Geschäft

Marusha ist eine bedächtig sprechende Techno-Elfe, ihr Gestus ist von Nüchternheit und sachlichem Sinn eingenommen. Aber sie ist auch eine Techno-Heroine, produziert mit den Sequenzen ihrer konfigurierten Musik körpereigenes Serotonin und Dopamin, wie sie erläutert. Daher kann sie auf dem Podest nicht schläfrig werden, bleibt die ganze Zeit aufgekratzt, wofür die Musik allein der Grund ist. Aber wieder zu Hause angekommen, kann das Pennen auch schwerfallen. Natürlich steht auch sie für die Love Parade-Legende. Der Schauspieler Michael Michalsky, der ebenfalls in der Böttinger-Runde vertreten war, war auch ein Love Parade-Aktiver, hält es aber jetzt mehr mit Dance, House und Garage. Marusha hatte in Köln einen Techno-Club gegründet, wofür sie bahnbrechend wurde.

Die hohe Techno-Zeit war eine Zeit der Massenbewegung, die immer größer werden wollte, nach dem Motto: ‚Es kann gar nicht groß genug sein!‘. Aber die DJ Marusha meint: Auflegen heißt komponieren. Dieser Ernst steht für sie an erster Stelle.

Das heißt: zusammenstellen, sequenzieren, überlagern, den Moment der Wendung treffen, um die Spannung zu lösen. Es muss halt passen. Mischen ist hierfür nur ein schwacher Ausdruck. Die Platten sind zu synchronisieren und kombinierendes Arbeiten ist zu leisten. Eine erste Offenbarung für das Verständnis des Techno trat ein, wenn einem vor Jahren erklärt wurde, was der Fader ist. Mit diesem kleinen Hebel werden Passagen ausgeblendet.

An erster Stelle steht Qualität

Es habe sich technisch viel getan, dem Plattenspieler aber sei sie immer treu geblieben. Von ihm gehe ihre Profession, ihr Handwerk aus. Techno könne niemals synthetisch aufgebacken werden, wie dies bei manchen Bäckern geschieht. Synchronisieren und Lightning sind die zu verrichtenden Handwerke. Sie arbeitet mit dem Modell 2 MK12-10er, einem Mischpult und zwei Monitorboxen. Durch Synchronisieren zweier Plattengeschwindigkeiten entsteht ein Beat-Match. Es kommt aus der Handbewegung, der Kopf steuert.

wikipedia.de 2014334013816 2014 11 29 Sunshine Live Die 90er Live on Stage Sven 1D X 1581 DV3P6580 mod1Kurze Ausschnitte ihrer Arbeit - hinter ihr die Platten, zu denen sie greift, vorne das Equipment und die Menge davor - vermitteln einiges von dem Rauschhaften eines Technoevents. Ein Auftritt geht über zwei Stunden, sie braucht 30 bis 35 Vinyl-Platten, die 16 Kilogramm wiegen, eine gute Menge also, die sie selbst schleppen muss. Sie hat insgesamt etwa elf- bis zwölftausend Platten. Mit diesen scratcht sie, kombiniert, stimmt ab. Einst kam auch Gesang dazu, wofür sie gedisst wurde, ihre Person wurde kurzzeitig zum Hasstuch, Das erinnert an die Wende Bob Dylans von der akustischen Gitarre weg hin zur Elektrogitarre, die bei einigen als Sündenfall ankam Es gibt eben immer wieder auch die strengen Puristen und Reinheitsapostel.



Eine wertgeschätzte Musik machen bedeutet ein befriedigtes Leben führen

Sie sieht sich künstlerisch unabhängig geblieben, sie hat sich verwirklicht, hat viel erreicht, ist von ihrem Weg überzeugt. Und es gibt immer wieder etwas zu tun. Das Gelingen macht sie immer wieder glücklich. Ihr Sohn schaut auch schon auf Youtube nach, doch er darf nur am Wochenende. Er neigt mehr zu einem skurrilen Trap, wie sie angibt, zum Breakbeat, auch zum Hiphop und zu Drum & Base. Das erscheint ihr als ein wenig zu schnarchig, aber er findet sich in dieser Weise cool. Ihre Sachen findet er interessant, er sucht seinen eigenen musikalischen Weg, er ist nun mal ein eigener kleiner Mensch. Selbst alles erkunden und erfahren solle er. Wenn sie nachts auflegt, ist immer jemand da, er muss noch warten, um die Clubs erfahren zu können.

Obwohl sie gern in der Welt unterwegs ist, liebt sie Deutschland sehr, sie gibt eine Liebesserklärung auf dieses Land ab. Sie sei 9 Jahre nur im Flugzeug gewesen, habe dabei aber Deutschland auch immer vermisst. Sie war gerne fast überall, in England, Irland, in Großbritannien und in Russland, hatte aber ihr Herz stets in Deutschland. Hier will ich sterben, sagte sie zum Schluss.

Foto 1: © Heinz Markert, Foto 2: © wikipedia.de

Info:
Kölner Treff · 01.12.2017