Die erste Solo-CD von Johannes Schneider alias Marius Markus
Hanswerner Kruse
Sterbfritz/Sinntal (Weltexpresso) - „Nutbush City Limits“ oder „With a Little Help from My Friends“: Mit großartig dargebotenen Coverversionen wurde Sänger und Gitarrist Johannes Schneider (33) in Osthessen bekannt. Jetzt hat er unter dem Namen Marius Markus, sein lang geplantes Soloalbum „Séance“ ganz alleine eingespielt: jenseits von „Rockkonserve“, „Doc Rock“ und anderen Bands.
Überrascht und verwundert hört man seine eigene Stimme und das auch noch auf Deutsch. Er klingt nicht (mehr) wie Joe Cocker oder andere Rocker, sondern spielt und experimentiert mit seiner Singstimme. Mal im sanften Duett, mal in harter Konfrontation, singt er zu vielschichtigen, selbst erzeugten Gitarren-, Synthesizer- und Schlagzeug-Klängen. Die eigenen Songs mit großartigen Texten haben neugierig machende Titel wie „Maibowle im Karussell“, in dem er von der Vergangenheit erzählt: „Weißt du noch wer ich mal war / Ein kleines Stückchen ist noch da.“ Oder „Damals waren wir nie allein / Viele Menschen und noch mehr Schein.“
Aber ziemlich schnell entführt er uns mit „Konstanter Diskomfort“ oder „Aquariumkopf“ auf traumhafte Reisen in surreale Welten: „Schlafen kann ich nicht, ich fühle mich bedroht / Wo werde ich hingehen, nach dem sicheren Tod / Mich holt der tiefe Schlaf / bittersüß der Traum / Schmiegst dich lasziv an mich in diesem kalten Raum.“
Die Musik hat oft den passenden neo-psychodelischen Einschlag ohne abdriftenden Kitsch oder nostalgische Harmonien. „Das ist Indie mit einer Prise Achtziger“, meint er dazu. Zuerst kreiert er fast immer die Klänge, dann kommen die Worte: „Ich lasse mich von den Gefühlen, die meine Musik in mir auslöst, zu Texten inspirieren.“
Was bei diesen, zur Poesie geronnenen Gefühlen beeindruckt, sind gelegentlich gesellschaftliche Bezüge. Da besingt er aus der Perspektive eines kleinkarierten ängstlichen Ehepaars den psychisch kranken Nachbarn, der verschwinden soll: „Stempel drauf / Stempel drauf / Für eine bessere Welt / Grenzt die Dunkeldenker aus.“ Doch dann trifft es einen von ihnen, frische Luft reicht nicht zur Heilung...
Überzeugend auch „Wo stehst Du?“, das einzige kaum tanzbare Stück: „Draußen stehen schon die Männer vor dem Gartentor / Der Mann im blauen Anzug / ein Inquisitor / Er kommt auf uns zu und fragt uns wo wir stehen / Ich sag ich stehe dort wo keine Fahnen wehen.“
Die Texte sind anspruchsvoll, die Klänge komplex, selbst wenn sie manchmal post-punkig beginnen. Man muss seine Songs häufig hören, in sich Worte und Töne verbinden und so erschließen. Wichtig war es Marius Markus (seine weiteren Vornamen als Projektname) dieses Album mal völlig alleine, ohne Kompromisse außerhalb einer Gruppe zu machen.
Auf seiner Webseite kann man in alle Songs hineinhören, die Texte mitlesen und ihm auf Video beim Kreieren der Stücke im Dachboden-Studio zusehen. Er kann sich durchaus vorstellen, „Séance“ mal auf der Bühne mit Band zu spielen. Ein Auftritt in diesem Jahr ist dem Virus zum Opfer gefallen. Er ist neugierig, wie es wohl sein wird, live eigene Sachen darzubieten und nicht mehr als ein anderer auf der Bühne zu stehen.
Foto:
Selbstporträt zum Album (c) Marius Markus
Info:
https://mariusmarkus.de
„Séance“ ist bei allen Streaming-Diensten erhältlich