Wolfgang Mielke
Hamburg (Weltexpresso) - Die 'Symphoniker Hamburg' sind in der Lage des Glückes: Nach dem Tod ihres besonderen Dirigenten Sir Jeffrey Tate (1943 – 2017), der das Orchester aus der Provinzialität auf einen Standard hob, der die internationale Konkurrenz nicht mehr zu fürchten hatte, konnte das Orchester sich ein Jahr später mit einem weiteren großen internationalen Namen verbinden: Mit der Pianistin Martha Argerich (*1941), die erst vor wenigen Wochen anlässlich ihres 80. Geburtstags als #größte lebende Pianistin der Welt# gefeiert wurde.
Zugleich ist Martha Argerich immer wieder eine unternehmungslustige Person gewesen: Sie hat Anstöße gegeben, Festivals gegründet, Einfluss genommen. So entstand auch 2018 das "Martha Argerich Festival" in Hamburg, das in diesem Jahr zum dritten Mal durchgeführt wurde. (Nicht zum vierten Mal, weil es letztes Jahr wegen der Corona-Krise ausgesetzt wurde.) - Das Festival ist erfolgreich. Die Besucherzahlen zeigen es: 9.000 Zuhörer im Jahr 2018; mehr als eineinhalb mal so viele Zuhörer – nämlich 14.000 – im Jahr 2019. - Wenn die Besucherzahlen im Jahr 2021 niedriger liegen, so hängt das mit der Ausdünnung der Plätze, wieder wegen der Corona-Krise, zusammen.
Das Konzert, zu dem ich unterwegs bin, ist das 15. (eigentlich 16. Konzert; aber es werden nur die unterschiedlichen Inhalte gerechnet, nicht die Wiederholung ein und des selben Programms): - Also 16 Konzert-Auftritte in 12 Tagen. Das ist schon ein kleiner Marathon! --- Nun werde ich das Abschluss-Konzert hören. Ich freue mich. Tschaikowsky und Piazzolla stehen auf dem Programm. Ich bin gespannt.
Während ich an der Tankstelle meinen Wagen betanke und die drastisch gestiegenen Benzin-Preise nicht übersehen kann, frage ich mich, worin eigentlich der Unterschied zwischen der neuen "CO2-Bepreisung" und Mafia-Schutzgeldzahlungen besteht. Ach, natürlich, ja - das ist die Lösung: Der Staat kann seine Zugriffe moralisch bemänteln! Glückliche Schweiz! Dort herrscht eine direkte Demokratie, die bei uns von den Leuten, die eigentlich ja, laut Satzung, unsere Interessen vertreten sollen, immer wieder weggeschoben und verhindert wird. Wir dürfen daher nur alle 4-5 Jahre eine Wahlentscheidung treffen. Glückliche Schweiz also! Denn dort wurde gerade vor zwei Wochen diese neue Form des schwindelhaften Ablass-Handels mehrheitlich abgelehnt.
Bevor ich übrigens ins Konzert fahren kann, muss ich einen Corona-Test absolvieren. Das Konzert beginnt um 20:30 Uhr. Da hat die Corona-Teststation an der Musikhalle aber praktischerweise bereits seit über 5 Stunden geschlossen. Ich muss mir also eine andere suchen: Harburg? - Zu entlegen. - Lurup? - Nicht besser. - Schließlich finde ich noch eine in Rahlstedt, die ebenfalls bis 20 Uhr geöffnet ist. Dort wird mit einem Wattestäbchen in meiner Nase herumgedreht. Das Testergebnis kann ich mir in 20 Minuten abholen. Die Zwischenzeit nutze ich zu einem Einkauf in der Nähe. Dann bekomme ich meinen Zettel. Alles in Ordnung! (- Was sonst!)
Es ist auf den Tag fast genau 8 Monate her, seit ich in der Laeiszhalle ein Konzert gehört habe. Die grandiose und ebenso engagierte Anne-Sophie Desrez hatte mich eingeladen, weil die Piano-Firma KAWAI, für die sie sehr kreativ tätig ist, den Flügel zur Verfügung stellte. Die Symphoniker Hamburg spielten. Es wurde Mozarts Symphonie B-Dur KV 319 gespielt; an die habe ich aber keine Erinnerung. Und – wirklich beglückend! - Beethovens Tripelkonzert, C-Dur, op. 54. - Ja! Das ist unvergesslich! -- Daher sollen auch noch einmal die mitwirkenden Solisten und der Dirigent genannt werden: Akiko Suwanai (Violine; *1972); Andrei Ionita (Cello; *1994) und Akane Sakai (Klavier, die bereits mehrmals mit Martha Argerich konzertierte – und seit 2018 auch organisatorisch für das Martha-Argerich-Festival tätig ist; zu dem dieses Konzert allerdings nicht gehörte). - Dirigent war: Ben Gernon (*1989). --- Es bleibt im Gedächtnis! ---
Die Fahrtdauer in die Hamburger Innenstadt, - Fortschritt bedeutet nicht immer Verbesserung - hat sich seit einigen Jahren deutlich verlängert. Ob Hamburg dabei den Platz der deutschen "Stau-Hauptstadt" eingenommen hat, gilt immer wieder als umstritten. Hamburg bemüht sich zwar immer wieder, Vorreiter zu sein, in diesem Fall aber ist der Titel weniger erwünscht. Aber gleichwohl braucht man heute etwa eineinhalb Mal so viel Zeit für den Weg. Ein Grund dafür sind die neuen Fahrradwege auf der Fahrbahn. Vor einigen Jahren noch 'wagte' ich es, mit meinem neuen Rennrad auf der Fahrbahn zu fahren: Ich wurde von einer Polizei-Streife angehalten und genötigt, den Radweg zu benutzen, ungeachtet seines damals mangelhaften Zustands. - Ein gut gelegter Radweg ist natürlich etwas anderes! - Hier lauerte die Gefahr nur, wenn man abgehende Straßen überquerte. Oft genug sind Fahrradfahrer von abbiegenden LKWs erfasst und zermalmt worden. Dabei hätten die ja so viel höher sitzenden LKW-Fahrer leicht über die Reihe der parkenden Autos, die sich sozusagen zwischen Fahrbahn und Radweg befanden, hinüberblicken können müssen! - Dieses Problem haben die neuen 'Pop-up-Radwege' nicht mehr. Dafür befinde ich mich aber als passionierter Radfahrer nicht mehr auf einer getrennten Ebene, sondern auf ein und der selben Fläche wie PKWs, SUVs, Busse und LKWs: Zurückkatapultiert in die Zeit, bevor Radwege überhaupt erfunden waren. Wenn mich nun da nur leicht einer seitlich mit seinem Reifen berührt, bin ich geliefert! Unfälle dieser Art hat es leider schon häufig gegeben. Diese neue grüne Einrichtung kann also ebenfalls nicht das 'Ei des Kolumbus' sein ...
Achtung: Nun muss ich abbremsen! Zwei Radfahrer benutzen nicht den seitlich, sogar noch hinter einem schützenden Knickwall befindlichen Radweg, sondern fahren direkt auf der Fahrbahn. Ein neues Bewusstsein hat sich da breit gemacht! Die Diktatur der Langsamen; die Diktatur der Schwachen. (Sie ist nicht weniger eine Diktatur.) - Ich aber bin für diktatur-freie getrennte Fahrwege, die jedem Vehikel angepasst sind!
Eine Fahrrad-Klingel reißt mich aus diesen Gedanken über unsere #'brave new world'# heraus und erinnert mich daran, dass ich mich ja auf dem Weg in ein Konzert befinde!
In der Musikhalle ist alles säuberlich wegen der Corona-Maßnahmen getrennt worden: Man darf das herrliche Konzerthaus nicht mehr durch die Mitteltür betreten, sofern man nicht in den Rang möchte, sondern wird durch die inneren Außenwege geschickt. - Im Zuschauerraum selbst muss jeder – nur die Musiker sind davon befreit – auch weiterhin noch seine Corona-Maske tragen. Das versteht sich natürlich von selbst, denn es sitzen (nachweislich!) ja nur negativ Getestete im Raum. #"Credo quia absurdum est!"# - (Im letzten Herbst war ein Vorab-Test nicht gefordert; es genügte, beim Betreten des Hauses und in den Wandelgängen seine Maske zu tragen; auf seinem Platz durfte man sie dann abnehmen.) - Sonderbar: Gerade vor wenigen Tagen hat doch der Präsident des RKIs, Wieler (*1961), eingeräumt, dass die FFP2-Masken, die noch jüngst als #das# Wunder angepriesen wurden, keineswegs besser seien als die gleichzeitig so heftig diskreditierten medizinischen Masken. - Fontane (1819 – 1898) sagt: #"Man soll sich nicht ärgern, man soll sich nur wundern!"#
Und mir fällt ein, - und was könnte besser passen, da ich ja bereits in einem Konzert-Raum angekommen bin -, was Arnold Schönberg (1874- 1951) gegenüber Kandinsky (1866 - 1944) geäußert hat: #"Das alles hält doch einer ernsthaften Prüfung nicht stand. Und sollten Sie nicht im Krieg Gelegenheit gehabt haben zu bemerken, wie viel, ja wie ausschließlich offiziell gelogen wird. Wie sich unserem auf Sachlichkeit gerichteten Hirn die Aussicht auf die Wahrheit für alle Zeiten verschließt. Wussten Sie das nicht oder haben Sie es vergessen? (...) um eine, selbstverständlich falsche, Theorie (die aber, wie die der meisten Weltbürger (...) gut gemeint war) in Wirklichkeit umzuwandeln. (...) Werden aber die Menschen besser und glücklicher werden, wenn nun mit (...) Fanatismus und ebensolchen Strömen Blutes andere, wenn auch entgegengesetzte, so doch nicht richtigere Theorien (denn sie sind ja alle falsch, und nur unser Glaube verleiht ihnen von Fall zu Fall den Schimmer der Wahrheit, der genügt, uns zu täuschen) verwirklicht werden?"# - Und er schließt mit der Einsicht: #"Ich (...) sehe jetzt, dass ich moralisch und taktisch einen sehr großen Fehler gemacht habe: (...) Ich habe vergessen, dass es sich um Recht und Unrecht, um Wahrheit und Unwahrheit, um Erkenntnis und Blindheit nicht handelt, sondern um Machtfragen; und darin scheint jeder blind zu sein, im Hass so blind wie in der Liebe."# -----
Fotos:
© W.M.
Fotos:
© W.M.