Zum Tode des Dichters, Kabarettisten, Komponisten und Sängers Georg Kreisler. Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nun auch Georg Kreisler. Dieses Naturtalent der Wahrnehmung und Formulierungen menschlicher Befindlichkeiten starb mit 89 Jahren in Salzburg. Er, der in der weitverzweigten Kreislerfamilie Schurli hieß, wie jeder anständige österreichische Georg, war der letzte eines großen Kreises von Cousins, die hauptsächlich durch den Nationalsozialismus in alle Erdteile verstreut, dennoch ihre Heimat aus der Kaiserstraße im siebten Wiener Bezirk, Neubau, wo viele jüdische Familien wohnten, mit sich trugen.
Edith war seine letzte Cousine aus London, die 15 Jahre älter war und im Jahr 2000 starb und die als einzige bis dahin sein Leben überblickte, mit den Exilen und auch mit den verschiedenen Frauen. Sie feierte ihren 90. Geburtstag, den internationalen, in Zürich, wo Georg Kreisler gerade im Theater am Hechtplatz mit seiner Frau Barbara Peters auftrat. Edith nun wiederum war im Klimtschen Atelier in der Feldmühlgasse 11 im 13. Bezirk aufgewachsen, das ihre Mutter dem Maler abgekauft hatte. Die Nazis hatten es okkupiert, heute dient es als Klimt-Museum. Der gemeinsame Cousin Walter Reisch war ein berühmter Drehbuchschreiber (Maskerade), der sich nach Hollywood gerettet hatte und Georg Kreisler half. Eine künstlerische Familie.
Es geht um alle, die den Faschismus noch am eigenen Leib erfahren hatten und die alle wegsterben, ohne daß unsere Gesellschaften so aufgeklärt und die Menschen so selbstbestimmt wären, wofür sie gekämpft, gesungen und gestritten haben. Weltentraurig macht das einen, denn mit jedem Tod dieser Generationen wird die Welt glatter, weniger widerständig und auch geringer im Anspruch an Sprache und Dialektik. Wenn Kreislers Verleger Jürg Sundermeier, Jan Jenrich und Evelyn Rahm vom Verbrecher Verlag – der Name könnte von Kreisler erfunden sein -, wo sein vorletztes Buch „Ein Prophet ohne Zukunft“ in diesem Jahr erschienen war, äußern: „Seine scharfsinnigen Texte, sein Humor und seine Zeitkritik prägten Generationen“, so sprechen sie vielen aus den Herzen, die mit „Geh mer Tauben vergiften im Park“ ja nur das Schlüssellied für eine gehörige Anzahl rabenschwarzer Texte ansprechen.
Er wurde am 18. Juli 1922 in Wien geboren und blieb ein Leben lang Angehöriger der von ihm zutiefst gehaßten und geliebten Spezies der Wiener, die nicht nur Grantler und Raunzer sind, sondern auch genial in ihrem Wienhaß, der nur überboten wird vom Österreichhaß, wie ihn beispielsweise Thomas Bernhard zuwegebrachte, der nun auch schon 22 Jahre tot ist. „Der Tod, das muß ein Wiener sein…“ bringt auf den Punkt diese Gewißheit, daß nicht die großen Schlächter allein, die Paul Celan, der vor Kreisler in das Nachkriegswien kam, im „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ beschrieb, sondern daß es diese angeblich harmlosen kleinen Leut‘, die mit dem goldenen Wiener Herzen und Schmäh sind, die den anderen Wienern den Garaus machen wollen und es immer wieder auch schaffen, daß ein echter Wiener nicht in Wien leben kann. Georg Kreisler auf jeden Fall ging es so, „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“, ist das passende Lied.
Auf seinen ersten Platten schon konnte man verfolgen, wie sehr ihn musikalisch und von der distanzierten Zeitgenossenschaft her die Emigration in den USA – seit 1943 hatte er auch die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen und wurde Soldat der US-Armee – geprägt hatten. Gleich 1938 hatten seine Eltern alles zurückgelassen und die Familie in die USA gerettet, wo ihnen ein jüdisch-österreichisches Umfeld beim Überleben half. Arnold Schönberg wollte ihm ein Studium an der Universität von Los Angeles verschaffen, aber er hatte keine entsprechenden Zeugnisse. Es ging ihm wie anderen Flüchtlingen. Fortsetzung folgt.