Zum Tode des Dichters, Kabarettisten,  Komponisten und Sängers Georg Kreisler. Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Als US-Soldat kam Georg Kreisler nach England und unterhielt in Veranstaltungen die Soldaten und bereitete sie auf den D-Day vor. Direkt nach Kriegsende half er als Übersetzer in Deutschland in Befragungen und Verhören von Julius Streicher und Hermann Göring, ging aber zurück in die USA und fand Arbeit in Hollywood. Für Charlie Chaplin komponierte er und spielte das Klavier, wenn die Kamera Chaplin als Tastenbeweger in Großaufnahme zeigte.

 

Das war dennoch nicht seine Welt und in New York schlug er sich als Interpret eigener auf Englisch getexteter Lieder in Nachtclubs und auf Tourneen durch. Erst in der CD  „Die alten, bösen Lieder“ konnte man dann die Titel hören wie „My Psychoanalyst is an Idiot“ oder „Please, shoot your husband“, die vor 1947 in den USA aufgenommen, dennoch nicht als Schallplatten erschienen sind, weil sie den Amerikaners als zu „unamerikanisch“ galten.

 

Skurrilität und tiefschwarzer Humor waren nicht angesagt und es war eine folgenreiche Entscheidung von Georg Kreisler Mitte der 50er Jahre zurückzukehren nach Wien. Und obwohl uns das freut, denn sonst wären wir nicht musikalisch und subversiv mit ihm als satirischen Gewährsmann aufgewachsen und obwohl er, der ein beliebter Interpret seiner Texte wurde und erfolgreiche Tourneen erlebte, trug Kreisler zeitlebens schwer daran, mit seinen von ihm konstatierten eigentlichen Begabungen, zu denen das Komponieren und Erzählen gehörte, nicht ernst genug genommen zu werden. Da ist was dran, das war ein Teil seines persönlichen Dramas.

 

Um das Ernstnehmen ging es ihm, der ein Meister der leichten Form war, als er 1955 in Wien in der Marietta Bar im 1. Bezirk zusammen mit Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger auftrat. Den Helmut Qualtinger hat er dort hassen lernen, denn dieser genauso geniale, aber im Gegensatz zu Kreisler auch begnadete Monomane, schreckte vor keiner Schandtat zurück, damit er das letzte Wort hatte und den letzten Applaus erhielt. Zudem hatte bei aller Schärfe von Bronner und Qualtinger Georg Kreisler einen so direkten giftigen Pfeil ins Wiener Herz schießen können, daß die lieben Wiener ihm den Schmäh und die schwarzen Lieder nicht verziehen. Er bekam wegen des Taubenvergiftenliedes nicht nur Anzeigen wegen Verletzung des Tierschutzes, sondern auch Sendeverbot im Österreichischen Rundfunk.

 

Mit Topsy Küppers, der dritten Ehefrau und kongenialen Mitsängerin lebte er seit 1958 in München, 1976 ging er alleine nach Berlin und trat mit Barbara Peters, seiner Muse und letzten Ehefrau auf, mit der er erst in Salzburg, von 1992 bis 2007 in einem Herrenhaus in Basels Rennweg und ab Mai 2007 wieder in Salzburg lebte. Die Rampensau zu spielen, was er so gut konnte, wurde ihm mehr und mehr ‚zwider‘, denn in den nach wie vor erfolgreichen Tourneen wollten die Leute immer wieder die alten bösen Lieder hören, während er sich als scharfzüngiger Interpret politischen Geschehens viel lieber mochte. Schreiben wollte er und veröffentlichte auch Romane und Gedichte und versuchte seinen alten Schriften, die von den alten Verlagen nicht mehr veröffentlicht wurden, die aber wohl daran die Rechte besaßen, ein neues Publikum zu geben.

 

Überschaut man das Leben  Georg Kreisler, fragt man sich, woher er die Kraft hatte, widerständig zu bleiben, obwohl ihm das nicht gedankt wurde. Der Staat Österreich im Heimkommejahr Kreislers am 15.5. 1955 doch souverän geworden, zeigte sich erstaunlich unsouverän im Umgang mit diesem Exilanten und Kulturschaffenden. Nicht einmal die von den Nazis aberkannte österreichische Staatsbürgerschaft wurde ihm zurückverliehen. Sarkastisch sagte Kreisler dazu: „Aber auf keinen Fall bin ich Österreicher“. Denn es bekamen alle die, die nach dem Anschluß 1938 Deutsche geworden waren, ihre österreichische Staatsbürgerschaft wieder zurück. „Wer unter Lebensgefahr ins Ausland geflüchtet war, also auch ich, bekam seine österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr zurück.“

 

Das alles ist ein Skandal, den Kreisler dazu nutzte, immer besser zu werden und es diesen ‚Püchern‘ zu zeigen. Sein Theaterstück/Musical „Heute Abend: Lola Blau“ feiert Triumphe, 2000 wurde in Wien seine Oper „Der Aufstand der Schmetterlinge“ uraufgeführt, 2009 gab es die nächste Oper „Das Aquarium oder Die Stimme der Vernunft“,  in Schönbergscher Zwölftonmaniert, im Jahr 2010 hat er den renommierten Friedrich Hölderlin Preis erhalten, auf dessen Feier Eva Menasse eine hinreißende Laudatio hielt und auf der die Kreislerschen Kompositionen Bagatelle Nr. 4 und 5 sowie Klaviersonate dargeboten wurden, die er in den USA zwischen 1947 und 1953 komponiert hatte.

 

Eine gehörige Portion Trotz ist also auch in uns, inmitten dieser Weltentraurigkeit, daß nun wieder einer von denen gestorben ist, denen wir die Durchsicht der Welt verdanken, wenigstens die Durchsicht in Teilen, und die Gewißheit, daß wir immer nur streben können, aber mit dem Ergebnis unzufrieden sein müssen, damit es uns Motiv und Kraft sei, weiterzumachen in der Abwehr der uns zerstörenden Lebensmomente dieser westlichen Weltgesellschaft und im Aufbau eines menschlichen Zuhauses in der Welt. Wir werden uns deshalb mit den Werken Georg Kreislers an dieser Stelle weiterbeschäftigen.