Das Londoner Duo „Classic Buskers“ („Klassische Straßenmusikanten“) musizierte im Nieder-Mooser Konzertsommer mit einem Akkordeon und einer Unmenge von Blasinstrumenten
Hanswerner Kruse
Nieder-Moos/Vogelsberg (Weltexpresso) - Ein gedrucktes Programm gibt es nicht. Angeblich wissen die „Buskers“ nicht was sie spielen wollen, sagt der Veranstalter den Besuchern – und so klingt auch deren erste Darbietung.
Ian Moore stimmt auf dem Akkordeon ein Liedchen an, das einem vage bekannt vorkommt. Bald bläst Michael Copley auf einer Flöte mit, plötzlich klingt es wie Drehorgelmusik und erinnert irgendwie an „Mein Hut der hat drei Ecken“. Aber schon intoniert Moore zum Leidwesen seines Kollegen den „Schneewalzer“, einen Gassenhauer für Ziehharmonika. Copley steigt mit einer lauten Tröte ein, sein Kollege reagiert mit einem kräftigen „waaap! waaap!“ auf dem Akkordeon. Dann quälen, provozieren, duellieren sich die beiden Musikanten mit ihren Instrumenten, dass es eine Freude ist. Zwischenzeitlich spielen sie immer mal brav einträchtig miteinander, bis Moore auf seinem Schifferklavier „In München steht ein Hofbräuhaus“ entdeckt oder Copley ein besonders schräges Blasinstrument findet.
Der Auftritt der Combo ist wie eine frühe Posse der Comedia dell ‘arte, in der sich einst die Spieler mit überraschenden Improvisationen zu irritierten versuchten. In der folgenden „Hofstetter Serenade“ soll vielleicht alles seriöser dargeboten werden. Doch nun simuliert Moore mit dem Mund eine Zupf-Bratsche zu den Bassläufen seines Akkordeons, „Dub! Dub! Dub!“, während Copley seinen Pfeifen quietschende, trällernde oder tirilierende Töne entlockt. Auch Chopins „Minutenwalzer“ wird zur Music Comedy, wenn Moore mit einer großen Bahnhofsuhr die verstreichende Minute überwacht.
Die beiden dekonstruieren mit lockerer Virtuosität und kräftiger Körpersprache bekannte oder unbekannte Musikstücke, immer wieder fragt man sich, ist das nicht Händel oder nee, Bach, oder vielleicht…wie heißt der noch? Copleys Ansagen sind nuschelig und helfen beim Erkennen des musikalisch Obduzierten wenig.
Mit Potpourris aus „Carmen“ oder „Die Moldau“ versuchen die Musikanten später eine Gradwanderung zwischen Gefälligkeit und Ironie, die nicht immer gelingt. Besonders bei den verträumten Stücken mit trauriger Oboe oder sanfter Panflöte soll man wohl zu ungebrochenen süßlichen Träumen verführt werden. Jedoch mit dieser „Straßenmusik“ bleiben die Buskers deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Aber dann wecken sie ihre Zuhörer wieder mit einem kräftig auf einem Regenschirmstock geblasenen „Halleluja“ von Händel auf. Oder von Vivaldi? Ein Gummihuhn quietscht. Wagners „Walkürenritt“ wird verkürzt aber grotesk theatralisch inszeniert. Bei der von Moores Counterstimme gekrischener „Königin der Nacht“ kennt die Begeisterung des Publikums keine Grenzen mehr, das noch mehrere Zugaben herbei jubelt.
FOTO: Hanswerner Kruse: Chopins „Minutenwalzer“