Freiburger Barockorchester mit der h-moll-Messe in Berlin

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Es ist gar nicht immer einfach, den richtigen Raum zu finden. Für seine jüngste Aufführung von Bachs h-moll-Messe in Berlin traf das Freiburger Barockorchester leider eine weniger glückliche Wahl. Die Berliner Philharmonie erwies sich als zu groß für den vergleichsweise kleinen, mit nur 30 Chorsängern der Gächinger Kantorei aufgestockten, Klangapparat.

 

Die Intimität des Musizierens hätte eines dichteren Drahts zum Publikum bedurft. Insofern wäre der Kammermusiksaal vielleicht – trotz weniger Kapazitäten an Zuhörerplätzen - die bessere Option gewesen.

 

Jedenfalls klang die Musik lange Zeit – schon in Block B - etwas gedämpft wie unter einer Glasglocke, erst in der zweiten Konzerthälfte nach der Pause vermittelte sie sich etwas direkter, drehte auch Hans-Christoph Rademann am Pult sichtlich etwas mehr auf.

 

Das Gloria, Sanctus und Osanna hat man allerdings schon kraftvoller, majestätischer und strahlender gehört. Dass es hier etwas verhaltener klang, hat gewiss auch mit dem Instrumentarium zu tun: Ventillose Naturhörner und Trompeten, hier im Einsatz, sind in der Intonation immer ein wenig heikel. Diese Unzulänglichkeiten kann auch der versierteste Interpret nicht gänzlich kaschieren. Wenn das Horn noch dazu solistisch so exponiert ist wie in der Bass-Arie „Quoniam tu solus sanctus“, wird jede Phrase leicht zur Zitterpartie.

 

Nichtsdestoweniger ist das Freiburger Barockorchester fraglos eines der besten Ensembles im Bereich der historischen Aufführungspraxis, und wo mit Darmsaiten in tiefer Stimmung musiziert wird, braucht man über moderne Ventilblasinstrumente gar nicht erst zu diskutieren.

 

Für manch’ unsauberen Ton im Blech entschädigten dafür die Traversflöten (Karl Kaiser, Susanne Kaiser) und Barockoboen (Katharina Arfken, Philipp Wagner, Judith Schneider) mit dem denkbar schönsten Wohllaut, sie setzten sich auch akustisch sehr gut durch.

 

Bei den Violinen fehlte mir ein wenig der von früheren Aufführungen gewohnte Drive. Da merkte man schon, was es ausmacht, wenn einmal nicht die Ensemble-Gründerin Petra Müllejans die ersten Violinen anführt, die mit ihrem enervierenden Spiel stets die ganze Gruppe mitreißt. Nicht, dass der Japaner Shunske Sato einen laschen Konzertmeister abgegeben hätte, er gestaltete seine Solo-Einlagen allemal ausdrucksstark und mit schönem Ton, aber er ist halt kein so charismatischer Stimmführer.

 

Trotz solcher Abstriche hat sich der Abend gelohnt, schon allein deshalb, weil es nicht mehr allzu viele Gelegenheiten gibt, dieses geniale Werk zu hören. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich es eigentlich zuletzt gehört habe, es muss schon sehr lange her sein!

Jedenfalls gehen die Aufführungen an Oratorien, Passionen, Messen und Requien – sei es nun infolge der Klassikkrise oder einer sich multikulturell verändernden Gesellschaft - selbst in der Hauptstadt immer stärker zurück. Selbst das Weihnachtsoratorium steht neuerdings seltener in der Adventszeit auf dem Programm als noch vor zehn Jahren.

 

Wie gut, dass es noch Veranstalter gibt, die dieser traurigen Entwicklung gegensteuern!

 

Dazu hatte die h-moll-Messe mit den Freiburgern allemal auch berührende Momente. Besonders ans Herz gingen der wundersam leise ausgehauchte Chorsatz „Et expecto resurrectionem mortuorum“ , und das von Anke Vondung ergreifend zärtlich vorgetragene Alt-Solo „Agnus Dei“, aus dem man geradezu flehentlich die Bitte herauszuhören meinte, all die Untaten, die uns fast täglich zu schaffen machen, mögen doch ein baldiges Ende nehmen.

 

Auch die übrigen Solisten waren gut gewählt: Carolyn Sampson ließ einen in allen Registern schlanken, schön timbrierten Sopran hören, Daniel Johannsen (Tenor) und Tobias Berndt (Bass) empfahlen sich bei ihren Soli mit einem kultivierten Vortrag.

Das Publikum zeigte sich am Ende sogar noch zufriedener als die Rezensentin und feierte das ganze Team mit Bravos.

 

Foto: (c) Marco Borggreve