Operndoppel zu den Salzburger Osternfestspielen: Cavalleria Rusticana und Bajazzo zeigt fulminante Inszenierungen von Philipp Stölzl
Kirsten Liese
Salzburg (Weltexpresso) - Filmemacher sind nicht unweigerlich gute Opernregisseure. So sah man etwa von Bernd Eichinger, Doris Dörrie oder Volker Schlöndorff wenig Überzeugendes. Vor allem hat bislang noch keiner versucht, die Möglichkeiten des Kinos sinnvoll für eine Bühne auszuloten.
Da wurde es endlich Zeit, dass einer kommt, der aufzeigt, dass filmische Mittel tatsächlich neue Perspektiven für das Musiktheater eröffnen. Und was für welche! Philipp Stölzl gelingt bei den Salzburger Osterfestspielen eine derart fulminante Inszenierung von Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ und Leoncavallos “Bajazzo“, dass man schon geneigt ist, das Doppelpack als beste Produktion des Jahres auszurufen.
Vor allem bei der „Cavalleria“ verbinden sich die Intentionen der veristischen Oper geradezu ideal mit denen des neorealistischen Kinos von Rossellini oder Pasolini, wollten doch beide Künste von den realen, sozialen Nöten der einfachen Menschen in ländlichen Gegenden erzählen.
In sechs über- und nebeneinander angeordneten Guckkästen erzählt Stölzl das tödlich endende Drama um den untreuen Bauer Turridu und seine sich in Eifersucht verzehrende Frau Santuzza konsequent in Schwarzweißtönen.
Hoch virtuos löst er die Geschichte in Dutzende von Einzelszenen auf. Unentwegt wechselt die Perspektive, immerzu geht ein Vorhang auf wie dort einer zu. So entstehen zwischen Dorfplatz, Kirche und Mansarde (Mitarbeit Bühnenbild: Heike Vollmer) analog zu den Schnitten im Kino reizvolle szenische Wechsel in mal schnellerem, mal langsameren Tempo. Und immer wieder sieht man hier und da die Gesichter in Nahaufnahme.
Um deutlich zu machen, dass Santuzza auch gesellschaftlich geächtet ist, hat der Regisseur ein uneheliches Kind dazu erfunden. Die ukrainische Sopranistin Liudmila Monastyrska singt die Betrogene mit der erschütternden Verzweiflung einer von Eifersucht verzehrten Frau, nur leider auch mit allzu starkem Tremolo und unschönem Flackern in der Höhe.
Der Kindsvater kann den Reizen seiner einstigen großen Liebe Lola (ungemein erotisch in Erscheinung und Stimme: Annalisa Stroppa) aber nicht widerstehen. Er zankt sich mit Santuzza, weist ihr Flehen, die unglückselige Liaison aufzugeben, zurück, wird erst nachdenklich, als ihn der Tod im Zuge eines Duells herausfordert. Großartig, wie Jonas Kaufmann diesen Charakter als innerlich Zerrissenen singt und spielt, mit dem gebotenen Belcanto und einer geradezu vor Manneskraft strotzenden Robustheit.
Der schwierigste Part liegt bei Christian Thielemann. Die Protagonisten singen bisweilen mit dem Rücken zum Publikum. Eigentlich ist das schon aus akustischer Sicht ein Unding. Dass es gleichwohl nie zwischen Bühne und Orchestergraben wackelt, zeigt, dass der Dirigent und sein Orchester in die Probenarbeit viel Zeit investiert haben. Man habe da auch ganz schön „tüfteln“ müssen, sagte Thielemann tags darauf bei der Festspiel-Pressekonferenz.
In Leoncavallos „Bajazzo“, bei dem sich während der Aufführung einer Komödiantentruppe das Eifersuchtsdrama auf offener Szene abspielt, wechselt Stölzl stimmig vom Schwarzweiß- zum Farbfilm, in die bunte Welt des Vaudeville.
Es gehört schon einiges dazu, neben dem Turridu auch noch den Bajazzo zu geben. Jonas Kaufmann stellt eine solch anspruchsvolle Doppelrolle vor keine Probleme. Nunmehr seit einigen Jahren meistert er wie kein anderer und ohne jedwede ernsthafte Krisen mit herrlichsten Edeltimbre nacheinander alle großen Partien seines Fachs. Sein starkes Selbstbewusstsein kann man hören, im auftrumpfenden Strahl seines Tenors.
Das dramatische Finale im „Bajazzo“ beschert ihm seinen stärksten Auftritt am ganzen Abend. Mit leerem Blick starrt er in den Spiegel, routiniert schminkt er sein Gesicht weiß, die Lippen rot. Dann folgt er ergeben seinem Schicksal, als Entertainer sein persönliches Drama vor Publikum durch den Eifersuchtsmord an Nedda (solide: Maria Agresta) und ihrem Liebhaber Silvio (großes Potenzial: Alessio Arduini) zu vollenden.
Wenn er am Ende leichenblass und mit bebender Stimme verkündet, die Komödie sei zu Ende, ist auch der Zuschauer ganz benommen.