Bernard Haitink mit Bruckner in der Berliner Philharmonie am 6., 7., 8.,Dezember

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Es kommt bestimmt nicht von ungefähr, dass Dirigenten in fortgeschrittenerem Alter die besten Bruckner-Interpretationen gelingen, denkt man nur an den genialen Sergiu Celibidache, an Eugen Jochum, Günther Wand oder Claudio Abbado. Und natürlich an Christian Thielemann, mit 56 noch gewissermaßen das „Nesthäkchen“ unter den Brucknergiganten.

 

Denn wenn es für diese Musik doch vor allem eines braucht, dann eine innere Ruhe und viel, viel Zeit. Und ein Gespür für das Übersinnliche in diesem mystischen Klangkosmos.

 

Zu der genannten Riege gehört nun, wie ich seit den jüngsten Konzertabenden mit den Berliner Philharmonikern weiß, noch einer: der dem Orchester seit vielen Jahrzehnten in Treue verbundene Bernard Haitink. Auf seinem Programm stand Bruckners Neunte.

 

Schon erstaunlich: Er wirkt, so wie er mit 86 noch kerzengerade auf dem Podium steht, mit unverzückter Miene und mit der Rechten stets akkurat den Takt vorgebend, etwas steif, aber das klangliche Resultat ist umwerfend!

 

Das liegt vor allem daran, dass sich die Musik hier bis ins kleinste Detail prächtig entfalten kann, die Sätze, auch das von vielen Dirigenten gern überhetzte markante, mörderische Scherzo kommt etwas gemäßigter im Tempo daher, dass man die beilharten Schläge auch wirklich noch hören kann, ohne dass sich die Fortissimi überschlagen.

 

Überhaupt musizierten die Philharmoniker nicht nur mit der gewohnt technischen Brillanz, sondern einer Sensitivität, die man bei Brucknerabenden unter anderer Leitung schon vermisste. In goldenen Farben erstrahlte alles Kantilenenhafte, die heiklen kurzen Unisono-Tonrepetitionen zu Beginn des ersten Satzes kamen präzise genau und geheimnisvoll leise, und wenn sich dann ein Blockgewitter zusammenbraute, dann ging es einem durch Mark und Knochen.

 

In wohl keiner anderen Sinfonie war Bruckner dem Überirdischen so nahe wie in dieser, dem lieben Gott gewidmeten Sinfonie. „So etwas können nur Götter“, brachte es Celi treffend auf den Punkt. Diese Dimension war auch in Haitinks Wiedergabe deutlich zu spüren, vor allem wenn die Musik im Adagio kurz vor Schluss in entrückten Sphären entschwebt.

 

Dem Bruckner vorangestellt hatten Haitink und die Berliner Mozarts Klavierkonzert KV 503 mit dem Solisten Till Fellner. Der durchdrang das Konzert allemal mit viel Musikalität, technischer Versiertheit. Aber irgendwie fehlte diesem Vortrag klanglich Dimensionen. Viele Passagen tönten einfach nicht zärtlich mozartisch genug, und der Anschlag war oftmals doch fast eine Spur zu herb für die berührenden Pianostellen.

 

Zumindest bescherte die exquisite Bläsersektion dem Mozartkonzert kammermusikalischen Feinsinn. Da versammelten sich an diesem Abend auch die Besten der Besten, und so war selbstverständlich auch der immer wieder mit seinem schönen Oboenton aufwartende Albrecht Mayer mit von der Partie.

 

Foto: Bernard Haitink (c) Monika Rittershaus