Die Sache Makropulos an der Deutschen Oper Berlin
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Ist ewiges Leben erstrebenswert? Sollte sich ein Mensch wünschen, nach 300 Jahren immer noch auf der Welt zu sein? Janácek greift in seiner vorletzten, auf einer Komödie von Karel ?apek basierenden, Oper Fragen auf, die sich in Zeiten, in denen die Menschen immer älter werden, aktueller anmuten denn je.
Seine Protagonistin Emilia Marty ist eine höchst komplexe Figur, Diva, Femme Fatale, ewig jung und schön, aber auch eine Frau, die der Komponist sein Mitleid schenkte. Mit ihren 337 Jahren klärt sie einen jahrhundertealten Erbschaftsprozess auf. Doch der Ausblick auf die Ewigkeit, den sie verkörpert, bringt nicht nur die Menschen um sie herum aus der Fassung, sondern treibt sie schließlich verzweifelt in den lang verdienten Tod.
An der Deutschen Oper Berlin, wo „Die Sache Makropulos“ zuletzt 2004 mit einer unübertroffenen Anja Silja - mit Anfang 70 selbst schon ein Urgestein - Furore machte, ist nun Evelyn Herlitzius in dieser Partie zu erleben.
Die an Wagner und Strauss geschulte 52-Jährige hat sich schon mehrfach als eine der letzten großen Hochdramatischen der Zeit empfohlen und reißt auch diesmal mit ihrem leuchtenden, fraulichen Sopran das Publikum zu Ovationen hin. Nur gibt ihr Regisseur David Hermann, bei dessen Auftreten sich in den Premierenjubel auch einige Buhs mischten, wenig Raum für die unheimlichen, mysteriösen Facetten ihrer Figur.
Evelyn Herlitzius ist bis zum Schluss eine begehrte Schönheit, ihr hohes Alter entpuppt sich nie als Schreckgespenst. Vielleicht auch deshalb darf sie bei Hermann am Ende nicht sterben, wechselt vielmehr, zu einer ewigen Existenz verdammt, von einer Bühne zur nächsten.
Um ihre gespaltene Persönlichkeit zumindest optisch anzudeuten, lässt Hermann fünf Doppelgängerinnen aufmarschieren, die in unterschiedlichen Kostümen die zahlreichen Reinkarnationen einer Frau darstellen, deren Leben einst im sechzehnten Jahrhundert als Elina Makropulos, der Tochter eines kaiserlichen habsburgerischen Leibarztes begann.
Dazu passt es, dass Christof Hetzer seine Bühne in eine historische und eine gegenwärtige Hälfte teilt. Das Theater im Theater ist hier stets präsent, die Anwaltskanzlei dagegen nicht. Der spärlich ausgestattete Raum erinnert eher an eine Anstalt.
Zum musikalischen Erfolg der Produktion trägt ein Ensemble bei, dem es gelingt, die vielen Nebenfiguren zu charakteristischem Leben zu erwecken. Donald Runnicles animierte das Orchester der Deutschen Oper zu einem schwungvollen, kontrastreichen Spiel, das Drastik, Herbheit und Energetik dieser Musik treffend zur Geltung brachte.