hwk terasseErinnerungen an Kambodscha: Das Gästehaus Babel

Hannah Wölfel & Hanswerner Kruse

Siem Reap (Weltexpresso) - Jährlich kommen Millionen Menschen in die gigantische Tempelanlage Ankor Wat in Kambodscha, die als meistbesuchteste Touristenattraktion der Welt gilt. Doch viele interessieren sich kaum für das Alltagsleben des Khmer-Volkes, wie die Betreiber des Gästehauses Babel in Siem Reap wissen: Deshalb entwickeln Katrine Solhaug (39) und Simen Julner (35) aus Norwegen seit fünf Jahren Ergänzungen zu Tempelbesuchen.

hwk familieDie charismatische Solhaug lernte Sozialarbeit und Tourismus, bereiste über 50 Länder und gründete soziale und ökologische Projekte. In Mexico traf sie ihren Mann, einen studierten Ökonomen. Gemeinsam gingen sie nach Kambodscha, weil sie die freundlichen Khmer-Menschen als offen und neugierig empfinden. Hier wollen sie einen bescheidenen Beitrag zur ökonomischen und nachhaltigen Entwicklung des Landes leisten.

Mit seinem Tuc-Tuc fährt Heng (34) für das Babel und zeigt uns bei einer „Village-Tour“ seine Heimat in der näheren Umgebung, das Schwemmland am Siem-Reap-Fluss. Abends sitzen wir vor seinem Stelzenhaus, schnell vertreibt die tropische Nacht das Schummerlicht, Kinder toben herum, Hunde bellen. Heng serviert uns inmitten seiner Familie gebratenen Fisch mit Morning Glory (Wasserspinat) und rotes Khmer-Curry mit Huhn. hwk landschaftDieses Festmahl, zu dem sich später noch einige Nachbarn gesellen, ist der magische Höhepunkt einer Exkursion abseits der ausgetretenen Reisepfade.


Vorher sahen wir Arbeiterinnen beim Spinnen von Lotusfasern zu, erkundeten einen buddhistischen Friedhof, besuchten den lokalen Markt mit uns unbekannten Naturalien und trafen Henks Schwager. In dessen neuer Wellblechbaracke saßen wir auf dem Boden, aßen kalte Fischsuppe und tranken warme Cola. Unbefangen säugte die Schwägerin den jüngsten Sohn, die übrigen Kinder plapperten munter mit uns in ihrer fremden Sprache.


Wir wurden konfrontiert mit bitterer Armut und dem offensichtlich fröhlichen Alltagsleben der Khmer, das Urlauber selten so dicht erleben können oder wollen. Es war für uns eine starke Herausforderung, die distanzierte Touristenrolle aufzugeben und sich so nah auf Einheimische einzulassen. Diese Möglichkeit entwickelten die Betreiber des Babels gemeinsam mit drei ihrer Fahrer, um deren Lebensweise zu zeigen. Tage vorher unternahmen wir bereits eine Tour in das Cultural Village, eine riesige parkähnlichen Anlage: Lebensgroße Wachsfiguren zeigen Szenen zur Geschichte und aus dem Alltag der Kambodschaner. In zahlreichen asiatischen Gebäuden, in denen getanzt, Theater gespielt oder Zeremonien präsentiert werden, erfuhren wir die vielen Einflüsse auf die Kultur des Khmer-Volkes.


hwk mannschaftDas Selbstbewusstsein der Fahrer und der übrigen kambodschanischen Mitarbeiter im Gästehaus fällt sofort auf. Alle sprechen gut Englisch und man spürt ihren Stolz, dem Babel-Team anzugehören. Sie erhalten faire Löhne und besuchen während der Arbeitszeit Englischkurse oder andere Fortbildungen. Dadurch können sie innerhalb des Hauses aufsteigen oder sich selbstständig machen, erklärt uns Solhaug. Als Beispiel nennt sie ihren ehemaligen Fahrer Sophea (32), der heute ein eigenes Restaurant führt und seine Frau Chan Hov (28), die einst als Küchenhilfe arbeitete und mittlerweile drei Jahre studierte.


Wenn man nach dem üppigen tropischen Garten des Gästehauses in die edle Hotelhalle kommt, ist man irritiert durchhwk tempel das Angebot von Naturkosmetik, Körperpflegemittel zum Nachfüllen usw. „Der Wunsch danach kam von den Gästen“, sagt Solhaug, „die wollten die von uns in der Bar genutzten hwk kindTrinkhalme aus Bambus kaufen.“ Der Bezug von plastikfreien oder ökologisch vertretbaren Waren für das Hotel sowie das Angebot für die Gäste wird ständig ausgeweitet. Dennoch hat man nicht das Gefühl, vom Babel moralisch belehrt zu werden: „Wir verlangen von unseren Besuchern nicht viel, sondern nehmen eher Einfluss auf die Händler und Lieferanten. Aber wir hoffen, dass die Gäste durch unser Beispiel und die Touren ‚kleinere Fußspuren’ hinterlassen.“ Damit meint sie nachhaltigen und respektvollen Tourismus, der von allen hier Arbeitenden gefördert wird. Das Babel ist gut mit ähnlichen Projekten vernetzt und fördert soziale Institutionen - etwa den Solhaug-Fond zur höheren Schulbildung junger Erwachsener in Kambodscha.



GUT ZU WISSEN:

hwk bettDas Babel liegt - abseits des Touristenzentrums von Siem Reap - in einer ehemaligen Backpacker-Gegend mit billigen Absteigen. Doch mittlerweile gibt es so viele preiswerte Unterkünfte, dass die Billigheimer und Partypeople abwandern. Die vorhandenen Herbergen wurden saniert und aufgewertet, dadurch kommen viele Familien mit Kindern und junge Erwachsene, die an sanftem Tourismus interessiert sind.

Das Hotel ist ein neuer Bau im Kolonialstil mit 22 großen, geschmackvoll eingerichteten Zimmern und Klimaanlagen. Die Preise sind moderat zwischen 30 und 40 $. Man kann nicht nur im Gästehaus essen, sondern auch sehr günstig in der Nachbarschaft, quasi in den Wohnküchen der Khmer. Es werden nicht nur alternative Streifzüge angeboten, sondern auch Ballonflüge oder Mountainbike-Touren sowie die Weiterreise organisiert.

HINTERGRUND

Katrine Solhaug bezieht sich auf den esoterisch-philosophischen Schriftsteller Mario Mantese (Meister M.), der in „The heart of the world“ schreibt oder eine alte Weisheit zitiert: „a good traveler leaves no traces."

Fotos:
© Gästehaus Babel oder © Hanswerner Kruse

Info:
www.babelsiemreap.com