Weihnachtstraditionen im Nordschwarzwald bewahren
Sabine Zoller
Bad Herrenalb (Weltexpresso) - Schellengeläut zu Heiligabend – ein Brauch, den es an vielen Orten gibt. Doch im Nordschwarzwald erscheint in Bad Herrenalb eine winterliche Schreckgestalt in Begleitung vom Christkind – und das hat eine lange Tradition.
Gepflegt wird diese Tradition von der Gaistäler Jugend, die bis heute das "Gaistäler Geheimnis" bewahrt und niemandem verrät, wer alljährlich in die Kostüme von Christkind und Pelzmärte schlüpft. Eingenäht in das mit Schellen behängte Strohkostüm und in Begleitung einer verschleierten Christkindlesgestalt erscheint das „anonyme“ Gaistäler Paar pünktlich um 16 Uhr auf dem Rathausplatz. Bis es endlich so weit ist, bedarf es einiger Vorbereitungen. Denn das Kostüm, das aus Roggenstroh besteht, muss nach zehnjährigem Einsatz nun erneuert werden und entsteht in mühseliger Kleinarbeit im Gaistal, wobei viele fleissige Hände eingebunden sind.
„Das Pelzmärtle hat eine lange Tradition und kommt ursprünglich aus Tirol“, berichtet Reinhold Nofer, der nachweisbar zu den Glaubensflüchtlingen zählt die 1811 eine neue Heimat im Gaistal und damit im protestantischen Württemberg gefunden haben. „Von dort wurde das Brauchtum des Pelzmärtle mitgebracht“, so Nofer, der darüber berichtet, dass die furchteinflößende Figur als heidnischer Brauch einst dazu diente „dem Winter Paroli zu bieten“. Das mit Hörnern und Schwanz ausgestattete Kostüm war ursprünglich war am 21. Dezember zum Winteranfang unterwegs, um dann zum Frühlingsanfang am 21. März verbrannt zu werden.
„Aber dann kam im 19. Jahrhundert das Christkind dazu und das Zeremoniell verlagerte sich auf den Heiligen Abend, um vom heidnischen Brauchtum abzurücken“, erklärt Nofer, der die überlieferte Tradition nach wie vor aufrechterhält und schon als Kind geholfen hat das Pelzmärtle herzustellen. „Vom Ernst Schumacher habe ich gelernt, wie das Kostüm aus Stroh entsteht.“ 1957 hat der Sattler aus dem Gaistal die Tradition wieder aufleben lassen, aber dann war Schluss bis 1967. Denn erst dann hat der Schuldirektor Max Keller das Pelzmärtle wieder ins Leben gerufen. „Er war ein gebürtiger Gaistäler und das Kostüm von damals ist bis heute in Ettlingen im Schloss Museum zu sehen“, weiß Nofer zu berichten, der in die Fußstapfen seiner Vorgänger getreten ist und vom Vater Bernhard und Onkel Wilhelm Nofer gelernt hat, wie die Hose genäht wird und das Oberteil entsteht. „1975 habe ich mein erstes Pelzmäntel selbst gemacht“ so der Gaistäler, der mit Fug und Recht behauptet, das man bei jedem Stück dazulernt, denn „jedes Pelzmärtle ist ein Unikat.“
Und weil Naturmaterialien bei Gebrauch verschleißt, konnte das alte Kostüm nicht noch einmal geflickt werden. Daher entsteht nun für Weihnachten 2023 ein neues Kostüm. Als Grundmaterial werden dazu rund sechs Bündel Stroh mit einem dem Durchmesser von rund 50 Zentimetern benötigt, das Nofer eigens selbst angebaut und geerntet hat. „Das ist Natur Roggen den ich im Frühjahr auf einem knapp 100 Quadratmeter großen Feld selbst angebaut habe. Denn die Halme von Roggen lassen sich besser verarbeiten als die von Weizen oder Hafer.“ Nachdem die Körner aus den Ähren gedroschen wurden, hat Nofer die Strohhalme getrocknet, so dass diese nun von vielen fleissigen Händen fein säuberlich „geputzt“, also von allen Blättern und Hülsen befreit werden können. Dazu sind Marcel Huk, Adrian Nofer, Lukas Weichinger, Nadine König und Luca Keller eifrig bei der Sache. Rund 300 Stunden werden dafür benötigt, um das Grundmaterial zu bearbeiten, das dann fein säuberlich für das Flechten der Strohzöpfe verarbeitet wird. Dazu ist bereits der Enkel von Reinhold Nofer als Spezialist im Einsatz.
Gut 40 Stunden werden dafür benötigt, um das zuvor in Wasser eingeweichte und geschmeidig gemachte Stroh in lange Strohbänder zu verwandeln, die dann schlussendlich aneinander genäht den Körper des Pelzmärtle bilden. Dafür ist Reinhold Nofer als Fachmann verantwortlich, der mit gewachstem Jutegarn die einzelnen Stränge fest vernäht. „Ich nutze dafür eine gebogene Polsternadel und muss zwei Mal zustechen, damit die Stränge mit dem Garn fest verzurrt werden können.“ Ein Kraftakt, der den ganzen Körper fordert, da die stabil gebundenen Zöpfe exakt in Form gebracht werden müssen, um Hose und Jacke entstehen zu lassen. „Das geht nur Stück für Stück“, sagt Nofer, der immer wieder stundenweise am Pelzmärtle arbeitet. Doch bis Weihnachten ist noch ordentlich zu tun. Für so einen Körper braucht es alleine rund 100 Stunden für die Näharbeit, alles in allem aber wird mit 450 Stunden Aufwand gerechnet. Aber dann erst kommt die Hauptarbeit, denn an Heilig Abend wird ein Gaistäler Burschkomplett in das Kostüm eingenäht.
Das dauert rund eine Stunde, und erst dann können die 14 unterschiedlichen Schellen und Glocken an den Körper angenäht werden, mit denen das Pelzmärtle bei jedem Schritt und Tritt schon von weitem zu hören ist. Auch die Ruten, die für den Abend benötigt werden sind aus Birkenreisig selbst gebunden und werden an die Haushalte verschenkt, die das Pelzmärtle mit dem Christkind besucht.
Der allererste Auftritt gebührt allerdings den Besuchern auf dem Rathausplatz, die sich am 24 Dezember wieder auf das Pelzmärtle freuen.
Nach der Kirche taucht das Pelzmäntle mit dem Christkind auf dem Rathausplatz in Bad Herrenalb auf. Für diesen Auftritt muss ein junger Bursche aus dem Gaistal in das Kostüm eingenäht werden. Das dauert ungefähr eine Stunde weil ja nicht nur das Kostüm direkt am Körper anzubinden ist, sondern zusätzlich auch die Glocken an das Kostüm zu nähen sind, so dass das Geläutet schon von weitem zu hören ist wenn der Pelzmäntel auftritt.
Foto:
Tradition an Heiligabend
Pelzmärtle und Christkind in der Menschenmenge
©Zoller
Foto Zoller. Seit 2022 gibt es das neue Stroh-Kostüm vom Pelzmärtle