Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel
Las Palmas (Weltexpresso) - Derzeit läuft im Centro de Arte La Regenta die Ausstellung „En el Umbral“ mit etwa 30 Arbeiten des kanarischen Künstlers Gabriel Roca (65). Übersetzt heißt dieser Titel „An den Schwellen“. Die ehemalige Tabakfabrik Regenta von Las Palmas de Gran Canaria ist heute ein Kunstzentrum, das sich der Förderung kreativen Schaffens auf den Kanarischen Inseln verschrieben hat.
In den großzügigen Räumen des umgestalteten Gebäudes wechseln Ausstellungen und Veranstaltungen, welche die kulturelle Vielfalt der Inselgruppe spiegeln sollen. Wenn man die Schwellen des Kunsthauses betritt, ist man zunächst von den kaum erkennbaren, grauen und schwarzen Motiven auf den Papierarbeiten irritiert. Alle wirken einander ziemlich ähnlich, wie architektonische Gebilde im Nebel. Die Motive sind unscharf und noch weniger erkennbar, als manche Werke Gerhard Richters mit dessen „fotorealistischen Unschärfen".
Doch wenn man sich etwas Zeit nimmt, Rocas schattenartige Bilder länger betrachtet, beginnen sie zu leben: Vor- und Hintergründe entstehen, sie bekommen Tiefe, Dunkles tritt hervor. Striche werden zu dreidimensionalen Säulen, Kästen oder Böden, neue mehrere Ebenen entstehen.
Es dauert etwas, bis sich das Gehirn zurechtfindet, aber man kann ihm gleichsam beim Arbeiten zusehen, beim Überschreiten der Schwellen zur Erkenntnis. Langsam entsteht etwas, was auf den Arbeiten nicht sofort zu erkennen ist. Wenn einander, strukturell ähnliche Bilder nebeneinander hängen, erkennt das Gehirn jedoch schneller die zweite oder dritte ähnliche Version.
Die Bilder verbergen sich zwar zunächst selbst, aber sie bedeuten und symbolisieren nichts, sind weder undeutliche Abbildungen (wie bei Richter) noch Abstraktionen, sondern reine Objekte der Wahrnehmung.
Dazu erklärt Kurator Octavio Zaya: „Roca strebt danach, eine reduzierte Bildsprache zu schaffen, die sich ohne erkennbaren Bezug zur objektiven Welt entwickelt. Es geht ihm nicht um die Darstellung der Realität. Seine Zeichnungen dokumentieren keine Dinge. Sie sind weder erzählerisch noch repräsentieren sie etwas. Für Roca ist die sichtbare Welt nichts anderes als ein Ausgangspunkt, der es ihm ermöglicht, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Umwelt selbst sowie Prozesse im Raum, wie etwa Perspektivwechsel oder wechselnde Lichteinwirkungen, zu untersuchen.“
Mit seinen gesprühten Tusche- oder Graphitfarben auf Papier versetzt er uns Betrachter an die Schwelle der Illusion eines abstrakten und einfachen architektonischen Raums, ohne Besonderheiten. An die Schwellen unserer Zeit, unseres Sehens, unseres Verständnisses…
Service
Die Ausstellung im Centro de Arte La Regenta in Las Palmas ist noch bis zum 18. Januar 2025 geöffnet
Fotos
© Hanswerner Kruse