Serie, Teil 3, WOANDERS GELESEN, hier Hessische Lehrerzeitung (HLZ) 7/8 2014: LERNORT MUSEUM
Martina Spies-Gehrig
Neu-Anspach im Taunus (Weltexpresso) – Vertiefen kann man das Thema, indem die Schüler textile oder hauswirtschaftliche bzw. handwerkliche Arbeiten selbst ausprobieren. Schauspielführungen und Grenzstein-Projekte Neue Vermittlungsformen und Themen aufzugreifen, ist auch oder gerade für ein Museum notwendig, das sich überwiegend mit ländlicher Alltagskultur beschäftigt.
Seit 2008 wird das museumspädagogische Team durch einen Theaterpädagogen verstärkt. Neben Schauspielführungen und Museumstheatertagen bieten wir inzwischen das Projekt A.R.M.u.T. – Armut, Reichtum, Mensch und Tier an. Es beginnt mit einer Schauspielführung, bei der die Schüler dem Amtmann Ibell, der Marktfrau Elisabeth, dem Schulmeister Frickel und anderen Bewohnerinnen und Bewohnern eines kleinen Dorfes 1781 im Taunus begegnen. Sie erleben Geschichten von Missernten, Freud und Leid und die Auswirkungen gesetzlicher Reformen Ende des 18. Jahrhunderts. Und alles dreht sich um das Essen, das auf den Tisch kommt ... Danach geht es dann zusammen mit den Darstellern in die Ställe, auf die Felder und in die historischen Küchen, um mehr über die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion in vergangenen Epochen zu lernen. Danach wird die Klasse selbst aktiv und geht den Geschichten hinter den Geschichten auf spielerische Weise selbst einmal nach.
Neu ist auch das Projekt „Grenzsteine“. Grenzen mitten in Hessen? Wir leben doch in einem Europa ohne Grenzen! Die Grenzsteine im Freilichtmuseum laden Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 ein, sich mit folgenden Fragen zu beschäftigen: Wozu brauchen wir Grenzen? Wie wurden früher Grenzen festgelegt? Was bedeuten die Initialen auf den behauenen Steinen? Zunächst haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, ausgewählte Grenzsteine zu erforschen. In einem praktischen Teil steht ein GPS-gesteuertes Geländesuchspiel zu anderen steinernen Landschaftselementen wie Sühnekreuz und Bildstock auf dem Programm.
Der Hartig-Walderlebnispfad
Der Hartig-Walderlebnispfad bietet die Chance, die Wechselbeziehungen zwischen Wald und Mensch in anschaulichen Beispielen aufzuzeigen. In unserem Bewusstsein heute steht der Wald für artenreichen Lebensraum, vielfältige Erholungsmöglichkeiten und für den Rohstoff Holz. Unser Walderlebnispfad zeigt die historischen Waldnutzungen und Waldbewirtschaftungsformen und macht sie, soweit möglich, erlebbar. Kinder lernen dabei auf spielerische Art und Weise die verschiedenen Baum- und Holzarten sowie ihre Verwendungen kennen, aber auch die Tiere unserer einheimischen Wälder, wie Buntspecht, Rotmilan, Luchs, Wildschwein, Marder, Rebhuhn, Fasan und Haselhuhn. Sie erhalten Einblicke in die Schwere der Waldarbeit und in die heute nicht mehr geläufigen vielfältigen Waldnutzungen: Eichenrinde für die Lohgerberei, Laub als Einstreu für den Stall, Weidefläche für Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen, Wurzelstöcke für die Pechgewinnung, Kräuter für heilkundliche Zwecke, Kienspäne als Beleuchtungsmittel.
Museumstheater über Heimat und Migration
Der Walderlebnispfad gibt Aufschluss, wie der Wald früher genutzt wurde und was zur Zerstörung vieler Waldgebiete geführt hatte. Schließlich zeigt er auf, warum wir heute in Hessen und ganz Deutschland trotzdem geschlossene Wälder vorfinden. Der Name Georg Ludwig Hartig (1764 - 1837) steht für das forstliche Prinzip der Nachhaltigkeit, dass nur so viel Holz aus dem Wald entnommen werden darf, wie dauerhaft nachwächst. Obwohl Nachhaltigkeit inzwischen ein weltweit anerkanntes Konzept ist, weiß wohl kaum ein Hesse, dass ein Forstmann aus Gladenbach diese Idee geprägt hat. Der Hartig-Walderlebnispfad berührt nicht nur historische Dimensionen, sondern spricht die Menschen mit aktuellen Themen an, um über Lösungen für die Zukunft nachzudenken.
Das Museumstheaterstück „Heimat – Migration – Integration“ erzählt, wie Menschen ihre Heimat, ihre Traditionen und ihre kulturelle Identität in einer fremden Umgebung erhalten, verändern und zu einem gemeinsamen Leben miteinander verschmelzen. Die dargestellten Wanderhandwerker, Flüchtlinge oder Auswanderer vermitteln die Ängste, Sehnsüchte, Wünsche und Hoffnungen durch deren Lebensbeschreibungen. In dem anschließenden theaterpädagogischen Projekt stehen das Fremdsein, die Automatismen der Ausgrenzung, das Bedürfnis des Individuums nach Identifikation mit seiner eigenen Geschichte und die Kommunikation untereinander als Lösungsmodell im Fokus.
Bei unseren Projektangeboten legen wir Wert darauf, dass die Schülerinnen und Schüler das Museum mit allen Sinnen erfahren und – wo möglich – selbst aktiv werden können. Auch sollen immer wieder neue Zugänge zur Geschichte eröffnet werden.
Foto: Freilichtmuseum Hessenpark: Das Weben ist ein 7 000 Jahre altes Handwerk. In vielen Förfern wurde bis in die 1920er Jahre auch zu Hause gewebt.
INFO I:
Alle Informationen über Öffnungszeiten, Eintrittspreise und das gesamte Bildungsangebot findet man unter www.hessenpark.de
Hintergrundinfo:
Die Autorin Dr. Martina Spies-Gehrig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Museumspädagogik & Museumstheater des Freilichtmuseums Hessenpark in Neu-Anspach im Taunus.
INFO II:
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der HLZ aus HLZ 7/8 Seite 10/11