Eröffnung des neuen Welterbe Areals KLOSTER LORSCH und Wiedereröffnung UNESCO WELTKULTURERBE Kloster Lorsch, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Lorsch (Weltexpresso) – Kloster Lorsch ist einer der ganz bedeutenden Orte für unsere Geschichte. Die erhaltene Torhalle der ehemaligen Benediktinerabtei ist ein Schmuckstück karolingischer Baukunst und schon für sich eine Reise wert. Daß Karl der Große hier war und die Abtei sogar als Reichskloster in kaiserlichen Besitz überging, ist gesichert und hat einen einigermaßen kuriosen Hintergrund.

 

Doch zuerst die Geschichte des Klosterbaus. Ob die damalige Kirche und das Kloster Altenmünster, heute neugebaut, wirklich Mutterkloster für Lorsch waren, ist sehr umstritten. Auf jeden Fall wurde Lorsch 764 gegründet – ganz bescheiden durch wichtige Vertreter der fränkischen Oberschicht, die Rupertiner Williswinda und ihrem Sohn, Gaugraf Cancor. Daß es jahrhundertelang in Blüte stand, von machtpolitischer Bedeutung sowie Zentrum für Geist und Kultur wurde, dafür gibt es eine herrliche Geschichte hinter der Geschichte. Die Familie hatte nämlich die Besitzung, die erst nur die Kirche umfaßte, zu einem Kloster erweitert - wahrscheinlich, damit in ihm ihre Memoria stadtfinden könne, also als familiäre Begräbnisstätte diene - und dem Bischof Chrodegang von Metz, ein Verwandter der Gründer, zum persönlichen Besitz übereignet. Der war ein wichtiger Mann, päpstlicher Legat und dazu in enger Verbindungen zum fränkischen Hausmeier Pippin.

 

Nach dem Tod von Chrodegang 766 hatte das Benediktinerkloster schon 16 Mönche und wurde von Gundeland, einem Bruder des Verstorbenen, geleitet. Aber auch Gründer Cancor war verstorben und sein Sohn erhob deshalb auf die Besitzung Erbansprüche. Wie es war, wenn auf solch hoher Ebene, Klerus und Adel, Streitigkeiten waren, kamen sie vor das allerhöchste Antlitz – und das war der König, der 800 zum Kaiser gekrönt wurde. Damals Ende des 8. Jahrhunderts, genau um 772 war als König Karl, der spätere Kaiser Karl der Große, derjenige, der entscheiden sollte. Er hatte durch das Instrument der Eigenkirche dem fränkischen Adel eine große Mitsprache in kirchlichen Angelegenheiten gegeben, eine zu große, die es auch rückzuschrauben galt. Das war das eine. Das andere aber war der schlaue Abt Gundeland.

 

Der hatte nämlich beizeiten den König Karl wissen lassen, daß er ihm gerne Kloster Lorsch übereignen wolle. Nur, er war ja noch nicht rechtmäßiger, sondern umstrittener Besitzer. Der Sohn des Gaugrafen Cancor namens Heimerich aber wollte nach dem Tod des Vaters 771 das Kloster als Privatbesitz seiner Familie. Wundert es einen da noch, daß der große Karl den Besitzstreit um das Kloster Lorsch zugunsten von Abt Gundeland entschied – und damit für sich selbst. In der Tat hat Gundeland Wort gehalten und nachdem er Besitzer war, das Kloster dem König/Kaiser geschenkt, seit damals war das Kloster also zum Königskloster mutiert. Das war ein Aufstieg, der sich auszahlte. Die Lorscher Königshalle ist ein Beweis, die herrlichen Schätze aus der Bibliothek auch. Seine größte Ausstrahlung und Bedeutung besaß Kloster Lorsch, das seit 1991 Weltkulturerbe der UNESCO ist, bis zum hohen Mittelalter.

 

Heute zeugen von dieser Pracht und Herrlichkeit nur noch die Handschriften und und eben dieses Schmuckstück: die Königshalle. Die Bibliothek soll zu den ganz großen gehört haben. Der Lorscher Codex, Codex Laureshamensis - der damalige Name für Lorsch, ist für die ganze Region von unschätzbarer Bedeutung, regelt er doch die Besitztümer, ist also ein Güterverzeichnis und stellt somit das Grundbuch über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte dar. Solche Ausweise per Schrift, die die materiellen Gegebenheiten klarstellen, also die Rechtsformen tradieren, sind wesentlich weniger erhalten als die gemeinhin religiöse Schriften. Auch deshalb ist es so bedeutend.

 

Ebenfalls außerordentlich bekannt sind das Lorscher Evangeliar – heute zerlegt auf drei Orten verteilt -, und ganz speziell: der Lorscher Bienensegen. Das ist ein althochdeutscher Segensspruch aus dem 10. Jahrhundert, den, wie man meint, ein Mönch in eine Offenbarung des heiligen Paulus aus dem 9. Jahrhundert kopfüber auf den Rand einer Seite in rheinfränkischer Mundart geschrieben hat. Segenssprüche sind eine germanische Tradition, fungieren als Wünsche, sind also Zaubersprüche. Die Handschrift selbst befindet sich heute in der Bibliotheca Vaticana.

 

Der Spruch beginnt:

 

Kirst, imbi ist hûcze

Nû fluic dû, vihu mînaz, hera

 

 

Was bedeutet:

 

Christus, der Bienenschwarm ist draußen!

Jetzt flieg(t), mein(e) Tier(e), herbei.

 

Und sich fortsetzt:

 

Im Frieden des Herrn, im Schutz Gottes,

gesund heim zu kommen.

Sitz, sitz, Biene.

Das hat dir die heilige Maria befohlen:

du sollst keine Erlaubnis haben,

in den Wald zu fliegen

Weder sollst du mir entrinnen.

Noch mir entkommen.

Sitz ganz still und

wirke Gottes Willen.

 

Die meisten Handschriften gingen nach Rom, aber die herausragende, das Lorscher Arzneibuch vom Ende des 8. Jahrhunderts, das älteste deutschsprachige Medizinbuch, ist 2013 zum Weltdokumentenerbe erklärt worden und - liegt seit 1000 (!) Jahren in Bamberg.

 

Ungerecht ist die Welt, aber immerhin ist diese herrliche Handschrift auch in Bamberg zu besichtigen Die Lorscher Museumsleute haben daraus das Beste gemacht und wenigstens den Kräutergarten, der ja Ausgangspunkt für das Medizinbuch war, wieder hergestellt. Zwar gibt es nicht mehr alle Pflanzen, aber man bekommt einen Eindruck, wie vielfältig das Wissen der Damaligen um die Natur, die Pflanzen und ihre Wirkung auf den menschlichen Organismus waren. Man könnte sagen, vielleicht so, wie heute die Jugendlichen das Internet und die dazugehörigen Werkzeuge benutzen.

 

Das alles wird lebendig, wenn Sie erst nach Lorsch kommen und den neuen Rundgang entlangwandern. Fortsetzung folgt.

 

 

INFO:

 

Von Frankfurt aus liegt Lorsch 65 km entfernt. Lorsch ist auch gut per Bahn zu erreichen.

Besichtigungen: Das Welterbeareal LORSCH ist kostenlos zugänglich, d.h. den Rundweg können Sie ohne Ticket entlangwandern.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr

Führungen: Einzelbesucher können ohne Anmeldung an den offenen Führungen um 11, 13 und 15 Uhr teilnehmen. Die Königshalle, einschließlich des Obergeschosses und der karolingischen Wandmalereien sowie des Museumszentrums kann man mit Führung bis Oktober täglich außer Montag zur vollen Stunde von 11 bis 16 Uhr besichtigen, ab November dann zur selben Zeit nur am Sa und So.

Einzelpreise: Die komplette Führung Königshalle und Museumszentrum kostet

normal 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, für Familien 12 Euro.

 

www.welterbe-areal-kloster-lorsch.de