Internationale Gedenkstätte Theresienstadt

Harald Lutz

Terezín (Weltexpresso) – Am Horizont beeindruckt eine Hügel-Forma­tion vulkanischem Ur­sprungs. Mais- und Raps­felder sowie Hopfenanbau für das weltbe­rühmte böhmische Bier säumen die Landstraßen im Nordwesten Tschechiens. Nur acht Kilo­meter vor den Toren von Litomerice (Leitmeritz), wo das Flüsschen Eger in die Elbe mündet, liegen Stadt sowie inter­nationale Gedenkstätte und Museum von Terezín - im deutschspra­chigen Raum besser unter Theresienstadt bekannt.

 

Die altehrwürdige Habsburger Festungs­stadt erlangte im 20. Jahrhun­dert während der Naziherr­schaft als berüchtigtes Gestapo-Ge­fängnis und Konzentrationslager für Juden traurige Be­rühmtheit.

 

Die Festung Theresienstadt wurde nie auf die Probe gestellt

Die österreichische Festung Theresienstadt, unterteilt in Kleine und Große Festung, wurde während der Regierungszeit Kaiser Josef II in den Jahren 1780 – 90 an strategisch günstiger Stelle in der Nähe des Zusammenflusses von Eger und Elbe errichtet. Sie war dazu bestimmt, die Zugangswege in das Innere Böhmens vor den Truppen des Erzrivalen Preußen zu schüt­zen. Die militärische Anlage wurde allerdings nie ernsthaft auf die Probe gestellt. Beide Mächte fochten ihre Kriege und Scharmützel um die Vorherrschaft in deutschen Landen und in Mitteleuropa schlussendlich stets andernorts aus; beispielsweise in der historisch bedeuten­den Schlacht bei Königgrätz (Hradec Králové) im Nordosten Böhmens.

 

Die sogenannte Kleine Festung Theresienstadts diente ab Beginn des 19. Jahrhunderts ihren jeweiligen Landesherren auch als Gefängnis für schwere Straftäter und politische Häftlinge. Theresienstadt blieb nach dem Verlust des Festungsstatus gegen Ende der 1880er Jahre so­wohl in der Habsburgermonarchie als auch in der nach dem Ersten Weltkrieg ausgerufenen jungen Tschechoslowakischen Republik (CSR) stets eine bedeutende Garnisonsstadt.

Unter der NS-Herrschaft kam das Grauen nach Theresienstadt

Weltbekannt und berüchtigt wurde Theresienstadt unter der Naziherrschaft. In der Kleinen Festung legte die Prager Gestapo bereits im Juni 1940 ein Polizeigefängnis an. Dort wurden bis 1945 etwa 32.000 tschechische Oppositionelle, Mitglieder des Widerstands und Kriegsgefangene eingesperrt. In der Stadt Terezín selbst, der früheren Großen Festung, entstand im November 1941 ein Getto und Konzentrationslager für Juden. Es erfüllte beim verbrecheri­schen Plan der „Endlösung der Judenfrage“ drei Aufgaben gleichzeitig: Es war Sammel- und Transitlager in die Vernichtungslager überwiegend in Polen, diente der Dezimierung durch schwere körperliche Arbeit bzw. Krankheiten und wurde von den Nazis für Propagandazwe­cke schön gezeichnet. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden mehr als 140 000 Män­ner, Frauen und Kinder nach Theresienstadt verschleppt. 38.000 von ihnen starben dort, fast 90.000 wurden über die noch heute zu besichtigenden Gleisanlagen mit der Reichsbahn in die Vernichtungslager deportiert.

 

Gedenken an die menschenverachtenden Folgen von Unterdrückung

In den Jahren 1945 bis 1948 wurde die Kleine Festung Theresienstadts letztmals in ihrer Ge­schichte als Internierungslager verwendet. Diesmal für die deutschstämmige Bevölkerung Böhmens und Mährens, die aus der nach Kriegsende widergegründeten Tschechoslowakei, einem der neuen osteuropäischen Satelitenstaaten der UDSSR, zwangsweise ausgesiedelt wurde. Auch hierbei starben Menschen. Heute ist die Kleine Festung Museum und internatio­nale Gedenkstätte an die Folgen der Unterdrückung von Freiheit und Men­schenrechten. Tau­sende Tschechien-Reisende und Besucher, angefangen bei Schulklassen über ehemals Ver­folgte des Nazi-Regimes mitsamt Kindern und Enkeln bis hin zu "normalen" Touristen, fin­den jedes Jahr ihren Weg zu diesem sehr stillen Ort des Gedenkens.

INFO: Quellen zu diesem Artikel, weitere Informationen sowie einen virtu­ellen Rundgang durch die Internationale Gedenkstätte Theresienstadt (Pamatnik Terezín) fin­den Sie unter fol­gendem Link:

www.pamatnik-terezin.cz

 

Fotos:

Eingang zur Gedenkstätte (c)Harald Lutz

Historische Gleisanlagen (c) Andrew Williams

 

Autoreninfo: Harald Lutz lebt und arbeitet als Fachjournalist und Technikredakteur in Frank­furt am Main.