Unterwegs in Thailand (3)

 

Hanswerner Kruse

 

Fulda (Weltexpresso) - Durch mehrere Stiche von unbekannten Insekten bekam meine Partnerin einen großen Abszess, der im Krankenhaus behandelt werden musste. Sie blieb dort, im Spital von Ranong an der Grenze zu Myanmar, einige Tage.

 

Am Abend machen die Geckos an den Neonleuchten unter der Decke einen fröhlichen Eindruck. Die Tierchen müssen nur die Zunge herausstrecken, um ihr vom Licht angelocktes Futter aufzuschlabbern. Ameisen bauen emsig unter den Betten ihre Wege, in der Abfallrinne vor den, zur Straße völlig offenen Fenstern und Türen tummeln sich die Ratten. Die Tiere haben es gut im Spital, die Patienten können deren Leben als Unterhaltungsprogramm hautnah erleben. Motorengeknatter und Abgaswolken ermöglichen intensiven Kontakt zum Leben draußen.

 

Das Haus ist für eine Klinik unvorstellbar dreckig und heruntergekommen. Kleinere Operationen werden im Bett erledigt, da fließt auch schon mal Eiter oder Blut in die Laken, die nicht täglich gewechselt werden. Die Reste der kleinen Eingriffe liegen in schmierigen Tüchern neben den Betten. Dazwischen schweben stark geschminkte, blütenweiß gekleidete Krankenschwestern mit gestärkten schwarzen Häubchen und langen Fingernägeln. Sie übernehmen hauptsächlich, den wohl auch in Thai-Kliniken üblichen, umfangreichen Papierkram. Über ihnen stehen die Ärzte, die ohne weiße Kittel so locker aussehen wie bei uns und ein leidliches Englisch sprechen.

 

„Volunteer Singers“ machen dreimal die Woche Karaoke mit den Patienten – großes Gejubel, als wir an der Bühne vorbeikommen, doch wir wollen nur einen Kaffee trinken gehen. Jeden Nachmittag gibt es Hula Hopp und Gymnastik. Überall kleine private Essstände, fliegende Händler, niedliche Kaufläden. Das Krankenhaus ist ein unüberschaubares Labyrinth, die Beschriftung fast ausschließlich in Thai. Bei der Aufnahme warten wir vor falschen Türen, gehen an falsche Schalter, sprechen nicht zuständige Bedienstete an, durchschauen die Regeln nicht. Ein Gefühl, das bei uns in Deutschland die Asylbewerber wahrscheinlich ständig haben.

 

Bezahlen müssen wir nur die verabreichten Medikamente und medizinischen Hilfsmittel, Unterbringung und Behandlung sind vermutlich kostenfrei. Die Arzneien sind natürlich erheblich preiswerter als in Deutschland. Jedoch müssen die Infusionen, Pillen und Tropfen vor jeder Anwendung von den Patienten oder ihren Angehörigen gekauft werden. Die Verwandten schlafen gerne auf den Fußböden neben den Klinikbetten, versorgen ihre Leute mit Essen oder helfen bei der Grundpflege. Das Klopapier oder die Seife müssen sie selbst kaufen…

 

Die allgemeine Frauenabteilung hat 24 Betten, zum Glück sind nur wenige belegt. Theoretisch lässt sich jeder Liegeplatz mit einem Vorhang verhüllen, aber das machen die Schwesternhelferinnen und Ärzte nur, wenn man sie daran erinnert. Nackte Bäuche, freigelegte Brüste oder Hintern in Funktion: Der männliche Besucher kann zwischen 8 und 20 Uhr sämtliche weibliche Körperteile ungeniert betrachten.

 

Nachdem wir uns einige Wochen lang in der privilegierten Touristenwelt bewegt haben, erlebten wir nun die düstere Realität der einfachen thailändischen Menschen und der vielen muslimischen Flüchtlinge aus Myanmar. Vieles, was für uns im Gesundheitssystem normaler Standard ist, existiert hier nicht. Dennoch kämpfen die in der Klinik Arbeitenden gegen diese Misere an und tun ihr Bestes: Das alles hat uns recht demütig und nachdenklich gemacht!

 

Foto: © Hanswerner Kruse