Unterwegs in Thailand (4)
Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Bei thailändischer Kunst denken Touristen wohl nur an die unzähligen öffentlichen Bilder des Königs oder die massenhaften Buddha-Skulpturen. In den letzten Jahrzehnten haben jedoch einheimische Künstler ein eigenständiges zeitgenössisches Oeuvre geschaffen, das hauptsächlich in Bangkok präsentiert wird. Jedoch kennt niemand die Orte, an denen die Kunst präsentiert wird. Also machten wir uns auf die Suche:
Im Foyer des Museums Of Contemporary Art (MOCA), in einem abgelegenen Vorort von Bangkok, begrüßt die Besucher „Salvador Dali“ aus Wachs, der sich selbst von einem Spiegel abmalt. Daneben behauptet der Titel einer lebensgroßen Figurengruppe aus Fiberglas: „We will meet again“ (Wir werden uns wieder treffen). Einerseits wird der Superstar des Surrealismus in seiner Selbstbespiegelung persifliert, vielleicht sogar exemplarisch die westliche Kunst überhaupt? Andererseits finden sich im MOCA sehr viele surreale und andere Arbeiten von Thai-Künstlern, die stark durch die europäische Kunst inspiriert sind: So trifft man sich wieder!
Die schlichte nackte Frau im Hinterkopf eines Buddhas wirkt ebenso surreal, wie üppige alptraumartige Bilder mit Drachen und anderen Ungeheuern. Monströsen Bestien scheinen aus den Tiefen der immer kleiner werdenden Urwälder oder aus dem Untergrund der entzauberten Thai-Kultur hervorzubrechen. Diese oft provozierenden Märchenbilder verbinden süd-ost-asiatische Themen mit europäischen Gestaltungsweisen. In vielen Arbeiten lassen sich Peter Paul Rubens sinnliche Allegorien oder Endzeittableaus von Hieronymus Bosch erkennen.
Abgründe hinter dem Lächeln, manche Objekte erinnern mit ihrer gesellschaftskritischen Attitüde auch an George Grosz oder Otto Dix: Skelette mischen sich unter Tanzende bei einer Festgesellschaft. In einer Pieta hält eine alte Frau ein Gerippe im Schoß. Ansonsten sind mit wilden Gesten geschaffene oder abstrakte Arbeiten zu sehen. Oder eigenartige exotische Installationen wie „Pain of love“ von Jutarat Sangyen. In dem Objekt aus zusammengenähten Schweinehäuten geht ein weiblicher Oberkörper in ein Kleid über. Mitunter gibt es auch abgeschmackte Frauenbilder wie die barbusigen Zigeunerinnen in deutschen Kaufhäusern.
Doch die meisten Werke sind trotz westlicher Einflüsse, eigenständige Thai-Kunstwerke oder der Weltkunst hinzugefügte, formal und inhaltlich völlig autonome Arbeiten. MOCA, der riesige weiße Bunker ist eine unerwartete Schatztruhe der thailändischen Moderne. Auf fünf Etagen präsentiert Fabrikant und Kunstsammler Boonchai über 400 Objekte angemessen in seinem „White Cube“. Erst seit den 1940-er Jahren besitzt die zeitgenössische Kunst Thailands die Silpakorn-Hochschule, direkt gegenüber dem Königspalast in Bangkok. An diesem ruhigen Ort, inmitten des größten Touristengetümmels, gibt es einen öffentlichen Skulpturenpark und in einem Pavillon wechselnde Ausstellungen.
Am zentralen Siam Square, zwischen brutalen Betonpfeilern und gläsernen Konsumtempeln, im Inferno aus Krach, Verkehr und Hektik, bietet das Bangkok Art And Cultur Centrum (BACC) einen überraschenden Tempel der Kontemplation. Hier findet man weitläufige Ausstellungen, ein Arthouse-Kino und preiswerte Galerien für neue Kunst – vor allem aber viel - nichts! Denn von innen ist das Zentrum, wie das New Yorker Guggenheim-Museum, durch sich windende, ansteigende Rampen bis in den 9. Stock völlig offen. Derzeit wird eine erstaunliche Fotoausstellung der Kronprinzessin Maha Chakri Sirindhorn gezeigt, sowie die Werkschau des abstrakten Malers Ithipol Thangchalok. Einige Tage nach dem ersten Besuch macht ein sehr gut besuchtes Öko-Festival „People And Wood“ deutlich, das BACC ist kein elitärer Elfenbeinturm.
INFO
MOCA Bangkok täglich (außer montags) 10–18 Uhr. 499 Kamphaengphet 6 Rd., Ladyao, Chatuchak
BACC Bangkok Art and Culture Center täglich (außer montags) 10–21 Uhr. 939 Rama I Road, Wangmai, Pathumwan
Art Center der Silpakorn-Universität montags bis freitags von 9–19 Uhr, samstags von 9–16 Uhr. 31 Na Phra Lan Road, Phra Nakron
Galerien für zeitgenössische Kunst im Jewelry Trade Center (täglich außer sonntags) 11–19 Uhr. 919/1 Silom Road, Silom, Bangrak
Foto: (c) Hanswerner Kruse