Reise-Messe German Travel Mart (GTM) 2012 in Leipzig

 

Notker Blechner

 

Leipzig (Weltexpresso) - Alle Jahre wieder lädt die Deutsche Zentrale für Tourismus die Reiseprofis aus der ganzen Welt ein, um die schönsten Seiten Deutschlands darzustellen. Diesmal präsentierte sich die Sachsen-Metropole Leipzig – mit viel Musik, Gemütlichkeit und Geschichtspathos.

 

Schon merkwürdig. Vor 24 Jahren schrien hunderte, ja Tausende Leipziger "Wir sind das Volk!". Heute singen sie lieber. Schließlich sagt Musik mehr als tausend Worte. Diesen Eindruck vermittelten zumindest die Touristik-Macher von Leipzig bei der großen Deutschland-Reisemesse German Travel Mart. Zur Eröffnung der GTM im Opernhaus trat der Thomanerchor auf, um Werke von Johann Sebastian Bach & Co.  zu singen. Und zum Finale trällerte die Acapella-Band Amarcord Volkslieder und Gute-Laune-Songs - ganz ohne technische Unterstützung.

Da passte es gut ins Bild, dass Leipzig gerade die "Notenspur" eröffnet hat. Auf einem fünf Kilometer langen Rundweg können Besucher die Musikgeschichte der Stadt erlaufen und sinnlich erleben. Der Musikspaziergang führt zu den Wirkungsstätten berühmter Komponisten wie zum Beispiel dem Bach-Museum oder dem Mendelssohn-Haus. Tatsächlich ist die Musik ein Stück der Geschichte, auf die die Leipziger gerne verweisen. Hier wurde nicht nur große Musik gemacht. Zudem beherbergt die Stadt das zweitgrößte Musikinstrumente-Museum der Welt.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) schwärmte denn auch bei der GTM-Eröffnung von der Sachsen-Metropole als "Welthauptstadt der Musik". Die singen, die Leipziger, dürfte sich da so mancher GTM-Besucher gedacht haben, der aus Paris, New York oder Moskau angereist war.

Und da gibt es noch etwas anderes, auf die die Leipziger mächtig stolz sind: die friedliche Revolution. Hätten die Bürger 1989 nicht demonstriert, "säßen Sie heute nicht hier", meinte Bürgermeister Jung an die Adresse der Reiseveranstalter gerichtet.Außerdem wäre die Hälfte der Bausubstanz weg, glaubt Jung. Denn der nahe gelegene Braunkohle-Abbau brachte schwefelhaltige Luft in die Stadt, die sich mit den Jahren immer weiter in die Sandstein-Altbauten der Stadt fraß.

Nun durfte der Bürgermeister vor 120 ausländischen Journalisten im Porsche-Zentrum abseits der Stadt das moderne Leipzig präsentieren - als Standort der Auto- und Logistik-Industrie, der Kreativwirtschaft und der Gesundheitsbranche. "Das Aschenputtel hat sich binnen 25 Jahren zu einem rasanten Wachstumsmotor entwickelt", verkündete  Jung freudestrahlend.

Und Hans-Jürgen Goller, Geschäftsführer der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen, servierte Zahlen, die beweisen, dass Sachsen schon längst zum begehrten Reiseziel geworden ist. In den vergangenen zehn Jahren seien mehr Besucher in das Land geströmt als im Bundesdurchschnitt.

Insgesamt ist der Deutschland-Tourismusboom ungebrochen. Im vergangenen Jahr wurden sechs Prozent mehr Übernachtungen ausländische Besucher in Deutschland registriert. Deutschland bleibe eines der beliebtesten Reiseländer in Europa, freute sich Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus. Urlaub in Deutschland sei billiger als in Frankreich oder Italien, schwärmte sie.

Die Journalisten waren beeindruckt – und fragten nur ängstlich nach, wann ausländische Touristen endlich mit Visa-Karte in den Souvenirläden zahlen können. Und warum es keine Direktflüge von Paris nach Leipzig mehr gebe. Nur ein Journalist aus Malta verstand die Welt nicht mehr. Er lese in den Medien, dass es in Deutschland immer mehr Armut gebe und das Land trotzdem boome. Hedorfer antwortete ihm bereitwillig in gutem Englisch. Am Ende war er genau so schlau wie vorher.

Auf der Leipziger Messe zeigten über 200 Aussteller die schönsten Ecken Deutschlands. Oder besser die attraktivsten Orte für ausländische Besucher. Die Palette reichte von Rüdesheim bis zur Silberstadt Freiberg, von Konstanz bis zur Insel Rügen. Es ging geschäftlich zu. Die Reiseeinkäufer hasteten von Termin zu Termin.

Abends lud Leipzig in den Untergrund: in die Katakomben der Moritz-Bastei. Dort heizten Musikgruppen in mehreren Räumen die Stimmung der GTM-Besucher an. Es gab Bier, Krautsalat und Schweinebraten – wie auf dem Oktoberfest. Nur die Leipziger Lerchen erinnerten daran, dass man in Leipzig ist. Einige Besucher fühlten sich im Labyrinth der Gänge verloren, fanden alles aber trotzdem irgendwie lustig und cool.

Auf thematischen Touren wurde tags darauf den ausländischen Journalisten Leipzig näher gebracht. Sie konnten zwischen Musik, Geschichte oder Kultur auswählen. Deutsche Journalisten waren nicht erwünscht – trotz halbleerer Busse. Sie sollten sich die Stadt besser selbst erlaufen.

Die Alternative war eine eineinhalbstündige Blitztour im Bus mit einer Leipziger Reiseführerin - vorbei am Völkerschlachtdenkmal, am mehrfach sanierten Stadion, an den zahlreichen Gründerzeitvillen, den schicken Lofts in umgebauten Fabrikhallen in Plagwitz, der Alten Messe und der "Blechbüchse"…

Am Ende der GTM blieb ein dumpfes Gefühl. Was hat der GTM-Besucher eigentlich von Leipzig gesehen und mitgenommen? Und warum boomt das Reiseland Sachsen und Deutschland? Frau Hedorfer, bitte übernehmen Sie!