Serie: Die hochprofessionelle Stadt Stuttgart als Auto- und Weinstadt (Teil 1/2)

 

von Elisabeth Römer und Hans Weißhaar

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Da fährt gerade alle Welt, zumindest alle Autointeressierten nach Frankfurt am Main auf die IAA, wie salopp die größte Automesse der Welt genannt wird, auf der traditionell in der Jahrhunderthalle, dem Schmuckstück der Messe, alle zwei Jahr Mercedes Benz zu Hause ist. Aber wie! Ein Erlebnis und doch muß man nach dem Rundgang und dem Überblick über die Entwicklung des Automobilbaus, die ohne Erfindung von Carl Benz aus dem Jahr 1886 so nicht gelaufen wäre, neidlos sagen: Das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart kann das besser.

 

 Kein Wunder,  hat sich doch dieser älteste Autobauer der Welt, ein im Rundbau dem Guggenheim-Museum in New York anverwandeltes Museum hinstellen lassen, das auf neun Ebenen auf 16 500 Quadratmetern Fläche und mit 1 500 Exponaten alles zeigt, was einem zum Auto einfallen kann, darunter eben auch – und da stehen wir und staunen – 160 Fahrzeuge, die die 125jährige Geschichte der Automobilindustrie lückenlos darstellen. Das kann sonst keiner. Und dieser Stolz der Mercedes-Benz-Leute, aber eigentlich aller Stuttgarter auf die eigene Autogeschichte, das rührt einen manchmal fast. Aber wichtiger: er ist verständlich und steht in Übereinstimmung mit der herausragenden Bedeutung dieses Autohauses für unsere heutige Welt, auch wenn wir Fiat oder VW fahren, nein, Porsche leider nicht.

 

Es sind mehrere Prinzipien, wie der Ausstellungsrundbau gegliedert ist, aber immer ist es sinnvoll mit dem Aufzug hochzufahren und dann gemächlich schneckenhaft hinunterzuschlendern. Was uns besonders gefallen hat, sind die allgemeinen und speziellen bebilderten Geschichtsdaten auf größeren Tafeln an der Außenwand, die den jeweiligen Erfindungen in der Autoindustrie den historischen Rahmen geben. Es spielt eben eine große Rolle, ob eine technische Innovation in Friedenszeiten zur Arbeitserleichterung der Menschen geschaffen wird, oder in Kriegszeiten zur besseren Mobilisierung gegen den Feind.

 

Diesen Gesellschaftsbezug nutzen die Gestalter der Ausstellung auch grundsätzlich. Denn für Mercedes-Benz -  von Daimler AG redet hier keiner, wohl aber kommt Gottlieb Daimler in der Ausstellung zu Ehren - ist die Vergangenheit zwar der herrlich anzusehende und stolzmachende Hintergrund, aber will man auch heute Autos verkaufen – und darum geht es, einschließlich, diese Großindustrie für Stuttgart und ganz Baden-Württemberg zu bewahren, ja auszubauen – will man also auch heute Autos verkaufen, dann muß man erfinden, erfinden, erfinden, versuchen, schneller als die Konkurrenz im Wettstreit der wissenschaftsorientierten Autobauer sowohl die Energiesituation unserer Welt im Blick zu haben wie auch die Bedürfnisse der Autofahrer in neue Modelle umzusetzen. Innovation ist das, was hier ganz groß geschrieben wird.

 

Es ist auch sinnvoll, daß es im Kern zwei Ausstellungsteile gibt, die sich zwar ergänzen, die aber eine je eigene Systematik haben. Im ersten Rundgang werden in sieben sogenannten Mythenräumen die Automobile präsentiert, die schon vom Auge her chronologisch die Entwicklung vom Pferdefuhrwerk über das erste Hochautomobil zu all den wunderschön polierten Karosserien führt: eine Folge von hinreißenden Fahrzeugen, die hochglänzend eine Schönheit ausdrücken, die heute kein Auto mehr besitzt. Sagen wir so. Meinen wir auch so.

 

Das Besondere an diesen Modellen über alle Anfangsjahre hin, ist die Qualität ihrer Ausführung, der benutzten Materialien und ihrer äußeren Gestalt, das, was man heute Design nennt und wo wir einfach von schönen Autos sprechen wollen. Melancholisch wird man schon, wenn wir die gedrechselten und mit Messing verzierten, mit Kupfer beschlagenen Teile und edel gepolsterten Wagen sehen. Denn wir wissen, daß unsere heutige Plastikkultur, nein Plastikunkultur, den alten Geräten nicht das Wasser reichen kann. Und so stellt sich – das haben wir bei jungen Leuten beobachtet – ein Staunen ein, daß die Alten in den alten Zeiten so schöne Dinge als Gebrauchsgegenstände hergestellt haben. Und es macht den Jungen auch Spaß, mehr über die Geschichte zu hören: Ja, Bertha Benz ist selbst gefahren, ohne ihre Unterstützung sähe die Welt anders aus, und ja, der Mercedes ist nach der Tochter benannt.

 

Im anderen Ausstellungsrundgang, den Collectionsräumen, steht nicht mehr die geschichtliche Abfolge im Vordergrund, sondern das Spezifische am Reisen, den Lasten, den Helfern, den Namen und den Helden, dargestellt an den jeweiligen Automobilen. Beide Rundgänge enden vor der Steilwandkurve unten, die „Silberpfeile- Rennen und Rekorde“ heißt und für Autoliebhaber den Höhepunkt darstellen, denn er kennt aus dem Gedächtnis die legendären Rennen und schaut sich dennoch auf den sechs Monitoren ganze Rennen oder Szenen daraus noch einmal an. Die Erinnerungsstücke von berühmten Rennfahrern tun ein Übriges, um ein Behagen zu erzeugen, das jäh unterbrochen wird, wenn man an der senkrechten Wand die dort angebrachten Rekordfahrzeuge wirklich wahrnimmt.

 

Da geht es nicht mehr nur um Rennen, abseits unserer Wirklichkeit. Da geht es um uns. Im Wahn um immer höhere Geschwindigkeit hängt dort der Rekordwagen W 125, der 1938 mit 432, 7 Stundenkilometern auf dem Weg nach München dahinraste. Ein Rekord, der nie wieder gebrochen werden wird, denn unsere heutigen Autobahnen lassen ein solches Durchkommen nicht mehr zu. Von den Geschwindigkeitsbeschränkungen ganz zu schweigen. Aber, so fragt man sich dann, ist das denn nötig? Und so sieht man am Ende dieses wahrlich faszinierenden Ausstellungsrundgangs die deutliche Wahrheit: die Technik ist weiter entwickelt als der Mensch. Für Autos kann es nicht mehr um immer schneller und weiter gehen, sondern schon lange um einen sinnvollen Umgang mit den Ressourcen der Welt und einem dem Körper gut angepaßten Auto zum Fahren.

 

www.mercedes-benz.de

 

Info: Wir konnten mit Unterstützung des Maritim Hotel Stuttgart (Seidenstraße 34) unsere Besichtigungen wagen und waren anschließend froh, in diesem sehr angenehmen sowie den Straßenlärm fernhaltenden und doch innerstädtisch gelegenen großzügigen Komplex zu nächtigen. Daß es dort ein Schwimmbad gibt, ist für gute Hotels schon selbstverständlich, daß man aber auch nachts schwimmen kann, wenn der Tag halt schon mit Terminen vollgepflastert ist, gab es für uns zum ersten Mal; konkret zwischen 2 und 3 Uhr morgens. Das bleibt in guter Erinnerung. Wie das Frühstück mit Blick ins Grüne und die Alte Reithalle als imponierender Gastraum nicht zu vergessen. Aber das ist eine eigene Geschichte für ein andermal.

 

www.maritim.de