Peter Härtlings Jahre beim MONAT
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Nachrufe auf den vielseitigen Schriftsteller, der am 10. Juli starb, preisen seine Kinderbücher, biografischen Romane, Gedichte und zeitgeschichtlichen Essays. Aber Peter Härtling war, was vielfach in Vergessenheit geraten ist, acht Jahre lang auch Redakteur bzw. Mitherausgeber einer der wenigen lesenswerten konservativ-liberalen Kulturblätter. Nämlich der Zeitschrift »Der Monat«, die von der CIA finanziert wurde.
In einem Beitrag für die Literaturzeitschrift „die horen“ erinnert sich Härtling im Frühjahr 2015 an diese Zeit, die von 1962 bis 1970 währte:
„Melvin J. Lasky, Mitherausgeber der in Berlin erscheinenden Zeitschrift »Der Monat«, ein origineller Kopf des Kalten Kriegs, hatte mich im Winter 1961 in Köln überraschend besucht und eingeladen, nach Berlin zu ziehen und Redakteur der von ihm gegründeten Zeitschrift zu werden. Ich äußerte Bedenken, fürchtete, nicht frei arbeiten und entscheiden zu können, doch Lasky warb mit einem Stapel von Heften. Ich solle die »Freiheiten« prüfen. Die Hefte überzeugten mich, vor allem die literarischen Beiträge: von Musil las ich Ausschnitte aus dem »Mann ohne Eigenschaften«, von Georg K. Glaser, den ich damals für mich entdeckte, sein großes Lebensbuch »Geheimnis und Gewalt«, Peter de Mendelssohns Auseinandersetzung mit Ernst Jünger, die ganz nach meinem Geschmack war. Das Sonderheft, in dem sich der »Kongress für die Freiheit der Kultur« spiegelte, irritierte mich zwar in seiner ideologischen Schärfe, dem schrillen Antikommunismus, doch was ich da, Heft für Heft, an intellektuellem Eigensinn und redaktioneller Neugier vorgelegt bekam, überzeugte mich.“
Melvin J. Lasky hatte die Zeitschrift während der Berliner Blockade 1948 gegründet. Der erwähnte »Kongress für die Freiheit der Kultur - CCF« hatte seinen Sitz in Paris und kanalisierte die finanziellen Zuwendungen, die der amerikanische Geheimdienst CIA intellektuellen, aber antikommunistischen Periodika gewährte. Neben dem »Monat« waren das »Preuves“ in Paris (herausgegeben von Francois Bondy), »Encounter« in London (herausgegeben von Stephen Spender) und das »Forum« in Wien (herausgegeben von Friedrich Torberg, später von Günther Nenning). Neben Lasky zeichneten Hellmut Jaesrich und Fritz René Allemann als Herausgeber. 1964 übernahmen Klaus Harpprecht und Peter Härtling diese Funktionen. CCF finanzierte in den 60er Jahren zudem linksliberale Schriftsteller wie Heinrich Böll und Siegfried Lenz.
Von Francois Bondy und Friedrich Torberg war Härtling sehr angetan. Er schätze ihre umfassende Bildung und akzeptierte ihre auf bitteren persönlichen Erfahrungen beruhende Gegnerschaft zum Kommunismus bzw. Stalinismus. Diesem »Gott, der keiner war« hatten sie abgeschworen.
Härtling schreibt weiter:
„Ich lernte, sie [Bondy und Torberg] überhäuften mich mit Wissen und zogen mich gelegentlich auch in ihre, mir albern erscheinenden Aktionen hinein - so Torberg mit dem Verdikt gegen Aufführungen von Brecht-Stücken außerhalb des Ostblocks.
Ich war der Jüngste, von 1964 an Mitherausgeber und Gesellschafter. Die Verletzungen und Traumata, unter denen die »alten Meister« litten, blieben mir nicht geheuer, und ich widersetzte mich ihnen. Da Jaesrich das Redigieren dem Schreiben vorzog, schrieb ich beinahe jeden Monat die Leitglosse: Versuche, die ideologische Einengung aufzubrechen. Es war eine Angelegenheit unter Generationen. Wie souverän meine Kollegen reagieren konnten, bewies eine Diskussion, die zu einem Sonderheft führte. Ich schlug vor, einen MONAT herauszubringen, indem nur Mitarbeiter unter Dreißig auftreten sollten. Sie stimmten zu und unterstützten mich.“
Das erwähnte Heft war die Nummer 167, die im August 1962 erschien. »Alle unter dreißig« versammelte Beiträge u.a. von Arnulf Baring, Horst Bingel, Volker Braun, Ria Endres, Peter Hamm, Eckart Kleßmann, Christoph Meckel, Uwe Reisner, Günter Seuren, Wolfgang Werth und Gabriele Wohmann. Das hatte eine Signalwirkung. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit schrieben bald auch andere, die eindeutig dem linksliberalen Spektrum zuzurechnen waren: Günter Grass, Peter Schneider, Hans Christoph Buch oder Wolfdietrich Schnurre. Hannah Arendts »Eichmann in Jerusalem« wurde im MONAT vorabgedruckt; Auszüge aus Saul Bellows Erzählungen erschienen dort zum ersten Mal in deutscher Übersetzung. Ein großes Streitthema in der Redaktion war der Vietnam-Krieg, den Härtling ohne Wenn und Aber verurteilte.
Peter Härtlings Resümee über seine Zeit beim MONAT fällt etwas bitter-süß aus:
„Das alles ist lange her. Die Blöcke haben sich aufgelöst, die Kriege werden fortgesetzt. Eine Zeitschrift wie »Der Monat« fände heute keine Leser mehr (ein Versuch Anfang der siebziger Jahre, sie wieder zu beleben, scheiterte im Übrigen).
Und dennoch kommt mir die Redaktion wie eine Insel in einem extremen Spannungsfeld vor: Die Gespräche, die Auseinandersetzungen, die »planenden Spaziergänge" mit Jaesrich auf dem grünen Mittelstreifen der Schorlemerallee. [...]
Nein, es war keine Insel der Seligen, aber eine der vorsorglich Wachsamen.“
Foto: Da leider keine Abbildung von einem Heft während der Ära Härtling 1962-1970 zur Verfügung stand, hier ein typisch gelbes von 1960 © Der Monat
Info
Der zitierte Beitrag von Peter Härtling lautet „Jahre beim Monat“ und erschien in der Literaturzeitschrift „die horen“, Nr. 250, 2. Quartal 2015, Wallstein Verlag.
„Der Monat“ erschien von 1948 bis 1971. 1978 erfolgte eine Neugründung unter dem Titel „Der Monat (Neue Folge)“. Chefredakteur war der SPD-Politiker Michael Naumann. 1987 wurde die Zeitschrift dann endgültig eingestellt.