Serie: Was wollten die Männer des 20. Juli?, Teil 2
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) – Die Existenz ungezählter Widerstandsgruppen vornehmlich in Arbeiterkreisen aber auch in Kreisen des Bürgertums, der Intellektuellen und des kirchlichen Lebens sowie die seit Beginn der Terrorherrschaft nie abgerissenen Widerstandshandlungen dieser Gruppen machen deutlich, dass der entschlossene Wille ungebrochener Antifaschisten auch dem größten Druck des menschenfeindlichen Regimes zu trotzen verstand.
In dieser Beziehung sind die objektiven Schwierigkeiten, denen sich die Verschwörer des 20. Juli gegenübersahen, tatsächlich nur relativ zu bewerten.
Diese Schwierigkeiten hätten zudem noch herabgemindert werden können, wenn die opponierenden Offiziere und Generale erkannt hätten, dass ein erfolgreicher Schlag gegen das Tyrannenregime nur möglich war in enger Verbindung mit den Widerstandsgruppen draußen im Land und auf diese Weise mit wichtigen Schichten des Volkes. Leider gab es bei den Männern des 20. Juli Kräfte, die eine solche Verbindung ablehnten. Sie taten es nicht aus Gründen der Sicherheit, sondern weil sie befürchteten, dass eine Einbeziehung der aus der Arbeiterbewegung stammenden Widerstandsgruppen der Aktion eine Richtung geben könnte, die ihren politischen und militärischen sowie wirtschaftlichen Vorstellungen zuwiderlief. Andererseits bestanden – man möchte sagen, natürlicherweise – bei vielen Widerstandsgruppen in Betrieben und Wohnblocks Ressentiments gegenüber der Generalität, die über viele Jahre hinweg treue Anhänger Hitlers in ihren Reihen vereinte und die militärischen Abenteuer des Diktators überhaupt erst hatten möglich werden lassen.
„ . . .selbst mit dem Teufel“
Trotz dieser Vorbehalte gab es vereinzelte Verbindungen zwischen Angehörigen des Kreises 20. Juli und kommunistischen Widerstandsgruppen. Rudolf Pechel berichtet in seinem Buch „Deutscher Widerstand“ (1947) über die Entschlossenheit kommunistischer Widerstandskämpfer, auf Grund der damaligen Lage auch mit der Generalität gegen Hitler vorzugehen. Am 29. Juni 1944 führte Pechels Frau ein Gespräch mit dem Kommunisten Franz Jacob, der sich wie folgt äußerte: „Jetzt ist es soweit, dass wir selbst mit dem Teufel, sprich der Generalität, einen Pakt schließen und gemeinsam einen Staatsstreich machen.“ Dieser Pakt kam aber nicht zustande, weil auf der Gegenseite die Bereitschaft dazu fehlte.
Es war indes nicht nur die fehlende Verbindung zu breiteren Volkskreisen, die einen Plan zur Wendung der Geschicke von vornherein wenig aussichtsreich erscheinen ließ. Die an der Vorbereitung des Attentats beteiligten Offiziere und Generale, die im Dienst Hitlers bei militärischen Angriffsoperationen ein nicht geringes Maß an Fähigkeiten gezeigt hatten, legten bei der Planung des Anschlages auf Hitler und den danach vorgesehenen Aktionen einen ausgesprochenen Dilettantismus an den Tag. Sie konzentrierten alles auf einen Mann, den Obersten Graf Claus von Stauffenberg. Bei ihm liefen in Berlin alle Fäden zusammen. Er hätte während des Attentats auf Hitler in Berlin zur Verfügung stehen müssen. Stattdessen wurde er mit dem Flugzeug nach Rastenburg geschickt, um in der „Wolfsschanze“, Hitlers Hauptquartier, selbst das Attentat durchzuführen. Stauffenberg, der einen Arm und drei Finger der rechten Hand verloren hatte und zudem auf einem Auge erblindet war, hätte sich im Notfall nicht einmal mit einer Pistole verteidigen können.
Verschiedentlich wird geäußert, niemand anders als Stauffenberg hätte Zugang zu Hitlers Besprechungsraum gefunden, wo die Bombe mit dem Zeitzünder niedergelegt werden sollte. Angesichts der entscheidenden Wichtigkeit des Anschlages auf Hitler kann dieses Argument nicht überzeugen. Es ist beschämend für die Mitverschwörer, dass sie dem schwergeprüften und seiner Kampffähigkeit beraubten Stauffenberg die Doppelrolle aufbürdeten, das Attentat auszuführen und sofort nach Berlin zurückzukehren, um dort das Kommando der Verschwörung zu übernehmen.
Dass der persönlich tapfere und entschlossene Stauffenberg die Einsatzbereitschaft und den Mut besaß, diese Doppelrolle zu übernehmen, gereicht ihm zur hohen Ehre. In seinem Buch „Der 20. Juli“ (Wedding-Verlag. Berlin 1946) stellt auch Dr. Franz Reuter, der an den Plänen zur Beseitigung Hitlers beteiligt war und sich am Tage des Attentats im Hauptquartier aufhielt, die Frage, ob Stauffenbergs Einsatz zweckmäßig war. Er schreibt: „Fand sich kein besser gestellter Attentäter, konnten und mussten überhaupt die äußeren Umstände nicht so gestaltet werden, dass er Erfolg auf keinen Fall ausblieb? Die Frage stellen, heißt sie bejahen.“ (Fortsetzung folgt).
Fortsetzunge folgt
Foto: Hitler mit 'seinen Verwschwörern gegen das deutsche Volk' © planet-wissen.de
Foto: Kurt Nelheibel zur damaligen Zeit © privat
Info: Erstmalig erschienen am 18. Juli 1959 in DIE TAT Im ersten Artikel erklärt die Vorbemerkung, wie es zum Abdruck der Texte - erstmalig erschienen am 18. Juli 1959 in DIE TAT - in Weltexpresso kommt.