f mathilde alexej utschitels umkaempfter film laeuft in russland anKURIOSITÄTEN zum gleichzeitigen Anlaufen zweier Filme über russische Frauen, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie weit sind wir gekommen, wenn nicht mehr der Mord an ihrem Schwiegervater und Ehemann eine russische Frau in die öffentliche Aufmerksamkeit Rußlands bringt, sondern die Liebesaffäre des damaligen russischen Zarewitsch Nikolai mit einer Tänzerin.

Nein, nicht mit irgendeiner Tänzerin, sondern der späteren Vorzeigetänzerin des Staatsballetts, Mathilde Kshessinsksa, eine Liebesgeschichte, die er mit dem Tag seines Verlöbnisses mit der Darmstädter Prinzession Alix ordentlich beendete. Oder auch unordentlich, darum geht es überhaupt nicht, sondern daß es nicht um einen wirklichen Mord und auch nicht den lebendigen Zarewitsch geht, sondern nur um die Verfilmungen von zwei Rußlandgeschichten, die unterschiedliche Wellen schlagen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit in Rußland ist nämlich allein auf die gerade erfolgte Premiere des russischen Films MATHILDE von Alexej Utschitel gerichtet, der schon im Vorfeld mehr als hysterisch lautstark als dringend zu verbieten abgeurteilt wurde. Von Politikern und Politikerinnen unter Beifall der russisch-orthodoxen Kirche. Dazu gleich mehr.

Basierend auf wahren Ereignissen erzählt dieser Film die Geschichte der Liebe zwischen Thronanwärter Nikolai, später letzter Zar Russlands, und der damals berühmten, aus Polen stammenden Ballerina Mathilde Kshessinsksa, die übrigens in ihren Memoiren dies alles weitererzählte, was zur Grundlage des Films wurde. Sie hatte viel zu erzählen, denn sie wurde Jahre 99 alt, von denen sie die meisten in Paris verbrachte, währen Nikolai zum Zaren Nikolaus II. wurde, der 1917 im Verlauf der Russischen Revolution mitsamt seiner gesamten Familie ermordet wurde.

Der junge, russische Thronerbe hatte sich in Alix, die Enkelin Königin Victorias von Großbritannien, verliebt. Sein Vater, Zar Alexander III, wollte ihn davon abzubringen, vielleicht gab es ja bedeutendere Frauen aus dem Heiratsmarkt. Darum zeigte der Zar seinem Sohn Fotos von eleganten und grazilen Ballerinen, die alles dafür tun würden, um mit ihm zusammen zu sein und ließ bei einem Staatsbankett die Ballerina neben seinen Sohne setzten. Das Rezept ging auf. Allerdings hatte der Zar nicht damit gerechnet, daß sein Sohn ernsthafter und langandauernder Gefühle fähig war und dann eben auch zwischen zwei Frauen schwankte, die er beide liebte.

Jetzt geht es vorrangig um die Skandale, die sich in Rußland durch diesen Film ergaben, die der durchaus moskau-, sprich putinaffine Aleksey Uchitel als Regisseur in Szene setzte, in einem opulenten Historiendrama, das zeigt, daß solche Filme nicht auf Hollywood angewiesen sind. Schwelgerische Ausstattung und hochnotpeinliche virile Liebesdramen können die Russen auch. Warum also der Protest? Der ist echt skurril, aber zeigt eine Wirklichkeit des heutigen Rußland.

Am Dienstag letzter Woche gab es nämlich die Rußlandpremiere in St. Petersburg, nachdem Natalja Poklonskaja mit ihrem juristischen Protest gegen die Aufführung – Grund Verletzung religiöser Gefühle, weil Nikolaus II. von der russisch-orthodoxen Kirche heilig gesprochen wurde – gescheitert war, denn am gleichen Tag hatte der Generalstaatsanwalt Juri Tschaika eine Untersuchung gegen den Film – mit der Absicht des Verbots – abgelehnt. Diese Natalja Poklonskaja ist eine Duma-Abgeordnete, die sich päpstlicher als der Papst aufführt, auch so spricht und seit Jahresanfang ihren Protest öffentlich machte. Tatsächlich gab es Demonstrationen gegen das Zeigen des Films, auf denen wie bei Prozessionen Abbildungen von Nikolaus II. – Fotos und Ikonen – massenhaft gezeigt wurden. Übrigens nicht nur friedlich. Es wurden Attentate auf Kinos, die den Film zeigen wollten, angekündigt und auch durchgeführt und auf das Studio des Regisseurs gab es sogar Würfe von Molotowcocktails. Selbst vor der Kanzlei des Anwalts des Regisseurs wurden zwei Autos in Brand gesetzt, wofür sich ein ‚Christlicher Staat‘ verantwortlich erklärt, dessen Bezeichnung schon wie mit dem Holzhammer an den IS erinnert. Die Attentäter wurden sofort verhaftet, was zeigt, daß diese nicht mit staatlichem Auftrag geschieht.

Die Duma-Abgeordnete erfährt deshalb eine so große öffentliche Wirkung, weil sie ‚Erweckungserlebnisse‘ vorbringen kann, aber der eigentliche Grund liegt wohl darin, daß die junge Staatsanwältin im Verlauf der Krimkrise groß als Verteidigerin der imperialen russischen Geste in Erscheinung trat, was deshalb extrem war, weil sie in der Ukraine gelebt hatte und nun offen auf die russische Seite wechselte - und sie eine sehr hübsche Erscheinung hat, die beispielsweise in Japan sofort in eine Mangareihe mündete.

Und die junge Frau hatte auch erst mal Erfolg. Die größte Kinokette, die Mathilde zeigen wollte, trat von der Absicht zurück, weil sie Unruhen und Attentate in den Kinos befürchtete. Irgendwas muß im Hintergrund entschieden worden sein, sich in Rußland nicht in die klerikale Ecke stellen zu lassen. Denn auf einmal kippte die öffentliche Diskussion und der Film hatte offiziell nur noch Fürsprecher.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto: © Verleih

Info:

MATHILDE

Ein Film von Alexey Utschitel
Produzenten Alexey Utschitel, Alexander Dostman
Drehbuch Alexander Terekhov
Kamera Yury Klimenko
Genre Historischer Thriller
Land Russland

BESETZUNG

Lars Eidinger als Zar Nikolaus II
Michalina Olszanska als Mathilde
Luise Wolfram als Alix von Hessen
Danila Koslowski als Vorontsov
Sarah Stern als Pierina Legnani
Grigory Dobrygin als Prinz Andrey
Ingeborga Dapkunaite als Maria Feodorovna
Thomas Ostermeier als Dr. Fische


LADY MACBETH

Regie William Oldroyd
Drehbuch Alice Birch nach einer Novelle von Nikolai Leskow

Besetzung

Katherine      Florence Pugh
Sebastian     Cosmo Jarvis
Alexander     Paul Hilton
Anna             Naomi Ackie
Boris             Christopher Fairbank
Agnes           Golda Rosheuvel
Teddy           Anton Palmer
Mary             Rebecca Manley
Tessa            Fleur Houdijk
Father Peter Cliff Burnett