a balfourDer anhaltende deutsche Groll auf Israel trat bei der Hundertjahrfeier der Balfour-Erklärung erneut zutage, zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Teil 1/5  

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - Die am 2. November 1917 notierte Mitteilung des britischen Außenministers James Balfour an Lord Rothschild, dem damals bekanntesten britischen Juden, besteht aus einem einzigen Satz, an dem aber über Monate hinweg gefeilt worden war:

„Seiner Majestät Regierung betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird die größten Anstrengungen machen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden werde, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Lande beeinträchtigen könnte.“[1]

Die zionistische Bewegung hatte guten Grund, diesen Satz zu feiern. Erstens erkannte damit die damals größte Macht der Welt an, dass die Juden ein Volk sind und nicht nur eine Religionsgemeinschaft. Zweitens betrachtete sie die Kompromiss-Formel „nationale Heimstätte“ als eine Etappe hin zum „jüdischen Staat“ und konnte sich glücklich schätzen, dass dieser in Palästina entstehen sollte. Drittens hatte die Erklärung öffentliches Gewicht: Sie kam nicht in Form einer geheimen Abmachung, sondern durch öffentliche Diplomatie zustande und wurde ab November 1917 in der ganzen Welt verbreitet.

Beliebt ist die Balfour-Erklärung jedoch nicht überall. Sie sei das „schrecklichste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit“, klagte zum Beispiel ein Sprecher der Fatah.[2] Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas forderte von Großbritannien eine Entschuldigung für „100 Jahre Leiden“.[3] „Hundert Jahre Unfrieden“ – so lautete überraschend auch die Überschrift eines FAZ-Kommentars von Rainer Hermann, den die Zeitung aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums auf seiner Titelseite veröffentlichte; ich komme darauf zurück.[4]


Was motivierte London zur Balfour-Erklärung?

Das wichtigste Motiv hing mit der Situation im Ersten Weltkrieg zusammen. Im Herbst 1917 drohte das Bündnis aus Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und dem Osmanischen Reich diesen Krieg zu gewinnen. Den Alliierten (Großbritannien, Frankreich, Belgien, Russland und Italien) kam es darauf an, Russland trotz der Revolutionswirren von 1917 im Kriegsbündnis zu halten und die USA auf ihre Seite zu ziehen. Ausgehend von der Legende, dass Juden großen Einfluss auf ihre jeweiligen Regierungen ausüben, verfolgte die Balfour-Erklärung den Zweck, die russischen und amerikanischen Juden und über sie auch deren Regierungen an die Alliierten zu binden.

Zweitens war die Unterstützung des Zionismus für London ein Mittel, um Palästina als Landbrücke zwischen Suezkanal und Indien nach Beendigung des Weltkriegs zu  kontrollieren. Drittens waren die britischen Protagonisten dieser Erklärung – Premierminister David Lloyd George, Außenminister James Balfour und der Nahost-Berater der britischen Regierung, Mark Sykes – als Bibel-Kenner mit dem jüdischen Erbe in Palästina gut vertraut. Last but not least ist das Verhandlungsgeschick zweier zionistischer Führer – Chaim Weizmann und Nahum Sokolow – zu erwähnen, ohne deren Einsatz die Erklärung nicht zustande gekommen wäre.

FORTSETZUNG FOLGT

Anmerkungen:

[1] Zitiert nach Rolf Tophoven, Der israelisch-arabische Konflikt, Bonn 1990, S. 22.
[2] Florian Markl, Klage gegen die Balour-Deklaration: Palästinensischer Feldzug gegen die Geschichte, auf: Mena-Watch, 2. November 2017.
[3] Mahmoud Abbas, Britain must Atone for the Balfour Declaration – and 100 Years of Suffering, in: Guardian, 1. November 2017.
[4] Rainer Hermann, Hundert Jahre Unfrieden, in: FAZ, 1. November 2017 oder auf: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/palaestina-konflikt-waehrt-seit-100-jahren-kommentar-15271236.html . Hermann behauptet wiederholt und irrtümlicherweise, dass Balfour seinen Brief an Chaim Weizmann schrieb; tatsächlich war er an Lord Rothschild adressiert.

Foto: Balfour © dw.com

Info: Dieser Artikel erschien erstmals am 11. November in mena-watch. Wir entnehmen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors seiner Webseite

Unser Autor Matthias Künzel ist mit Vorträgen unterwegs und schreibt:

Am Mittwoch, den 22. November werde ich in Bonn zum Thema „Von der Muslimbruderschaft zum Islamischen Staat – Über die Geschichte des Islamismus und seine Folgen“ sprechen. Beginn: 20.00 Uhr, Veranstalter: AStA der Universität Bonn, Ort: Uni-Hauptgebäude, Hörsaal 8, Regina-Pacis-Weg, 53113 Bonn.

Am Donnerstag, den 23. November werde ich in Münster auf Einladung der dortigen Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Thema „Woher kommt der Judenhass in der arabisch-islamischen Welt?“ sprechen. Beginn: 19.30 Uhr. Franz-Hitze-Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, Münster.

Am Dienstag, den 28. November werde ich an der Hochschule Emden zum Thema „Woher kommt der Judenhass in der arabisch-islamischen Welt?“ vortragen. Beginn: 18.00 Uhr.

Am Mittwoch, den 17. Januar 2018 werde ich in Stuttgart auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Thema „Lässt sich Irans Atombewaffnung noch verhindern? Zum transatlantischen Streit über das Atomabkommen mit Iran“ referieren.